Nie wurde mehr über Doping gesprochen: Auf der Welt-Anti-Doping-Konferenz in Johannesburg berät die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) in dieser Woche über einen neuen Kodex, der die Jagd auf Betrüger im Sport erfolgreicher machen soll. In Deutschland hat es das Thema bis in die Koalitionsverhandlungen geschafft: CDU und SPD diskutieren derzeit die Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes. Es könnte den Besitz kleinster Mengen von Dopingmitteln unter Strafe stellen und dem Staat damit ermöglichen, Betrüger im Sport zu verfolgen.
Doping ist nicht verboten
Bisher hält sich der Staat bei der Verfolgung des Sportbetrugs zurück. Er untersagt zwar über das Arzneimittelgesetz die Verbreitung von Dopingmitteln. Die Verwendung durch den Sportler – das eigentlich Doping – ist aber nicht verboten. Wenn ein Athlet mit verbotenen Substanzen betrügt, kommt er somit vor allem mit den Regeln seines Sportverbandes in Konflikt, nicht mit staatlichen Gesetzen. Die Bestrafung der Dopingsünder überließ der Staat bisher den Sportverbänden – aus dem Respekt vor der Unabhängigkeit des Sports und seiner rechtlichen Instanzen.
Der Sport regelt selbst
Die Unabhängigkeit des Sports leitet sich in Deutschland aus dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit ab. Vereinigungen, also auch Sportverbänden, wird das Recht eingeräumt, eigene Satzungen und Regeln aufzustellen und über Streitigkeiten selbst zu entscheiden: mit eigenen Gerichtsbarkeiten. Die Sportler müssen in der Regel schriftlich einwilligen, sich bei Regelfragen den Sportgerichtsbarkeiten zu unterwerfen und den staatlichen Rechtsweg nicht zu bestreiten. Viele Sportverbände betreiben eigene Schiedsgerichte, die über Regelverletzungen urteilen. In Deutschland ist vor allem das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bekannt. Es legt zum Beispiel das Strafmaß nach Roten Karten fest.
Kritik an Sportgerichten
Die Macht der Sportgerichte über die Athleten wird gelegentlich kritisiert. „Einige – vor allem ausländische – Sport- und Schiedsgerichte bleiben hinter dem juristischen Standard deutscher staatlicher Gerichte zurück“, sagt Dr. Thomas Summerer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht im DAV. Er vertritt unter anderem die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein bei ihrer Schadensersatzklage wegen einer umstrittenen Dopingsperre vor dem Landgericht München. Der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne – die oberste Gerichtsbarkeit im Sport – hatte die Sperre zuvor gebilligt. „Die Sportgerichte sind nicht so unabhängig wie staatliche Gerichte“, sagt Summerer. Er fordert für Sportler deshalb das Recht, zwischen privaten Schiedsgerichten und staatlicher Gerichtsbarkeit wählen zu können.
Befürworter des bisherigen Sportrechtsystems halten dagegen, mit einer solchen Regelung werde die Durchführung internationaler Sportwettbewerbe unmöglich: Sportler weltweit müssten nach den gleichen sportinternen Regeln beurteilt und bestraft werden. Sonst könnten Athleten der selben Sportart zum Beispiel nach einem Dopingvergehen im einen Land freigesprochen werden und in einem anderen verurteilt werden.
Die Verbände sind uneins
Ein mögliches Anti-Doping-Gesetz würde die Autonomie des Sports und seiner Gerichtsbarkeiten grundsätzlich in Frage stellen. Die Haltung dazu ist in den einzelnen Sportverbänden daher durchaus unterschiedlich: Während manche Verbände ein härteres staatliches Vorgehen befürworten, befürchtet der Deutsche Olympische Sportbund, dass die Sportgerichtsbarkeit „ausgehebelt“ werden könnte. Noch können die olympischen Funktionäre entspannen: Ob und in welcher Form das Gesetz kommt, ist unklar. CDU-Sportpolitiker haben bereits vor zu hohen Erwartungen gewarnt.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.06.2014
- Autor
- pst