Das Stimmengewirr aus der WG-Küche ist schon von der Wohnungstür aus zu hören – und der verdächtige Geruch zu riechen. Sandra S. ist klar, dass ihr Mitbewohner und seine Freunde in der Küche nicht nur Zigaretten rauchen. Und sie weiß, dass es sich bei den vielen Besuchern ihres Mitbewohners Thomas nicht um Nachhilfeschüler handelt, wie er sagt, sondern um Kunden. Einerseits möchte sie ihm eine Strafanzeige ersparen, da sie damit seine Karriere ruinieren würde, andererseits fürchtet sie, sich selbst strafbar zu machen, wenn sie nicht aktiv wird. Was tun?
Vergangene Straftaten: Keine Pflicht, Anzeige zu erstatten
Die gute Nachricht für Menschen in solchen Situationen: Privatpersonen sind nicht verpflichtet, bereits vorgefallene Straftaten anzuzeigen. Auch wer von einer geplanten Straftat erfährt, muss die Ermittlungsbehörden nicht darüber informieren – es sei denn, es handelt sich um gewisse, besonders schwerwiegende Taten wie Geldfälschung, Landesverrat, Mord oder Raub. Dann ist es verpflichtend, Strafanzeige zu erstatten. Drogenhandel gehört nicht dazu, Sandra S. muss sich also keine Sorgen machen.
Geplante Schwerverbrechen: Jeder muss Anzeige erstatten
Die Antwort auf die Frage, wann man bei gewissen schwerwiegenden Verbrechen Anzeige erstatten muss, fällt etwas anders aus, wenn der potenzielle Straftäter ein naher Angehöriger ist. Wer von einer solchen geplanten Straftat erfährt, muss diese dann nicht anzeigen, wenn er aktiv versucht hat, den künftigen Straftäter von seinem Plan abzubringen.
Auch hiervon gibt es wiederum Ausnahmen, wie §139 Strafgesetzbuch besagt. Demnach müssen Bürger sogar gegen ihre Angehörigen Strafanzeige erstatten, wenn diese ein Schwerverbrechen planen, also zum Beispiel Mord, Totschlag, erpresserischer Menschenraub oder einen Terroranschlag. Das private Interesse, den Angehörigen zu schützen, muss dann hinter dem Interesse der Allgemeinheit zurücktreten.
Ein Beispiel: Belauscht ein Mann seine Schwester dabei, wie sie mit einer Freundin den Einbruch in die Nachbarwohnung plant, muss er sie nicht anzeigen und sie auch nicht an der Ausführung der Tat hindern, da es sich nicht um eine nach dem Gesetz besonders schwerwiegende Straftat handelt.
Erlangt eine Frau aber zufällig Einblick in die E-Mails ihres Sohnes, weil er seinen Computer angelassen hat, und erfährt, dass er einen Amoklauf und damit ein Schwerverbrechen plant, ist sie verpflichtet, die Ermittlungsbehörden zu informieren.
Strafverteidiger teilweise von Anzeigepflicht befreit
Gleiche Regeln gelten übrigens für bestimmte Berufsgruppen, die gesetzlich zum Schweigen verpflichtet sind, wie Ärzte, Geistliche oder Anwälte. Auch sie müssen aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht nur geplante Schwerverbrechen zur Anzeige bringen.
Berufsermittler: Eingreifen bei Verbrechen verpflichtend
Strenger sind die Vorschriften zur Anzeige von Straftaten für Staatsanwälte und Polizisten. Während ihrer Arbeitszeit müssen sie in der Regel aktiv werden, sobald sie von einer Straftat erfahren. Dabei ist es unerheblich, ob jemand Anzeige erstattet oder sie selbst Zeuge eines Verbrechens werden.
Straftaten, die die Staatsanwaltschaft verfolgen muss, sobald sie davon Kenntnis erlangt – unabhängig davon, ob jemand einen Strafanzeige stellt – nennt man Offizialdelikte. Darunter fallen schwere Straftaten wie Raub, Totschlag und Mord. Staatsanwälte und Polizisten müssen teilweise auch in ihrer Freizeit tätig werden, wenn sie von einer Straftat erfahren. Sie sind dann zwar privat unterwegs und haben im Grunde das gleiche Recht auf Privatsphäre wie andere Menschen.
Dennoch gilt: Erfahren sie von einer Straftat, die die öffentliche Sicherheit besonders gefährdet, müssen sie aktiv werden. Bei der Frage, wann das der Fall ist, kommt es auf den Einzelfall an.
Augen auf und Zivilcourage zeigen!
Die meisten Polizisten und Staatsanwälte dürften aber „Überzeugungstäter“ sein, wenn es darum geht, Verbrechen zu verhindern beziehungsweise aufzuklären. Unter dem Motto „immer im Dienst“ werden die meisten auch bei geplanten nicht schwerwiegenden Straftaten einschreiten und gegebenenfalls Anzeige erstatten.
Egal, ob Polizist, Anwalt, Frisör oder ein anderer Beruf – auch wenn es rechtlich nicht eingefordert werden kann, ist es immer zu begrüßen, wenn Menschen Zivilcourage zeigen. Im Idealfall sollte also gelten: Wer von einer geplanten Straftat erfährt oder sie beobachtet, sollte immer eingreifen beziehungsweise die Polizei informieren und Anzeige erstatten.
- Datum
- Aktualisiert am
- 01.04.2016
- Autor
- vhe