15 Prozent aller Bundesbürger tragen ein Tattoo auf der Haut. Besonders Menschen in der Altersgruppe von 25 bis 44 Jahren mögen Rosen, Totenköpfe oder den Namen ihres Liebsten auf dem Körper.
Doch Tätowierungen sind nicht nur harmlos und allein eine Frage des individuellen Geschmacks. In der Arbeitswelt etwa sorgen Tattoos regelmäßig für Streit. Dieser kann dann entstehen, wenn einem Arbeitgeber zum Beispiel nicht gefällt, dass die in seiner Firma beschäftigten Angestellten für Kunden sichtbar am Hals oder an den Händen tätowiert sind. Arbeitsgerichte haben sich bereits mit der Frage befasst, wie groß die Tätowierungen von Anwärtern auf Posten im Öffentlichen Dienst sein dürfen.
Über die Arbeitswelt hinaus können Tätowierungen aber noch ganz anderen juristischen Ärger mit sich bringen. Das kann dann der Fall sein, wenn man sich ein politisch mehr als fragwürdiges Tattoo stechen lässt, dessen öffentliche Zuschaustellung nach dem Strafrecht verboten ist oder den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt.
Mit strafbaren Tätowierungen hat sich die Justiz schon mehrfach beschäftigt. So verurteilte das Amtsgericht Augsburg 2015 einen Mann wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Der Mann hatte sich in der Öffentlichkeit, in einer Kneipe, entblößt und seine Tattoos gezeigt: ein Hakenkreuz und das Konterfei Adolf Hitlers. Die Richterin verurteilte ihn zu einer Strafe von vier Monaten ohne Bewährung.
Tätowierungen und Strafrecht: Welche Motive sind verboten?
„Wer sich Symbole aus der Nazi-Zeit auf die Haut tätowieren lässt, macht sich an sich noch nicht strafbar. Strafbar ist es aber, diese Tattoos öffentlich zu zeigen“, sagt der Rechtsanwalt Dr. Dirk Lammer vom geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Ähnliches sehe das Strafgesetz vor, wenn man etwa eine Hakenkreuz-Fahne in sein Wohnzimmer hänge. Das sei nicht verboten. Verboten sei es aber, die Fahne in der Öffentlichkeit zu zeigen und etwa für andere Menschen sichtbar aus dem Fenster zu hängen, so Dr. Lammer.
Zu den Symbolen, die man nach dem Strafrecht weder als Tattoo noch in anderer Weise in der Öffentlichkeit zeigen, äußern oder singen darf, gehören besonders diejenigen, die eng mit dem Nationalsozialismus und seinen Organisationen verknüpft sind. Zu diesen Symbolen zählen etwa das Hakenkreuz, der Hitlergruß, Sieg-Heil-Rufe, SS-Runen, das Singen des Horst-Wessel-Liedes, Totenköpfe mit gekreuzten Knochen als Zeichen der Waffen-SS oder Zeichen der SA. Daneben ist es strafbar, Symbole verbotener Vereinigungen aus dem neonazistischen Spektrum zu zeigen, also etwa solche der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ oder des Netzwerks „Blood and Honour“.
„Auch Abwandlungen dieser Zeichen öffentlich zu zeigen, ist nicht erlaubt“, sagt der Strafrechtsexperte Dr. Lammer. Wer solche Symbole dennoch nutze, mache sich nach dem Strafgesetzbuch und § 86a „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ strafbar.
Tätowierungen: Können sie den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen?
Doch Tattoos können nicht nur strafbar sein, wenn sie unter § 86a „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ fallen. „Tätowierungen können auch volksverhetzend sein.“, sagt Dr. Dirk Lammer. So stand beispielsweise im vergangenen Jahr ein NPD-Politiker wegen seines Tattoos vor Gericht. Der Mann hatte mit seinem Sohn ein Schwimmbad im brandenburgischen Oranienburg besucht und dabei der Öffentlichkeit sein Tattoo gezeigt: das Eingangstor des Konzentrationslagers Auschwitz. Darüber war in gotischer Schrift der Spruch „Jedem das Seine“ tätowiert. Dieser Spruch stand am Haupttor des KZ Buchenwald bei Weimar.
Das Amtsgericht Oranienburg verurteilte den Mann wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe. Dieses Urteil revidierte das Landgericht Neuruppin im November 2016 und verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat dieses Urteil im April 2017 bestätigt, das Urteil ist nun rechtskräftig.
Verbotene Tattoos: Welche Strafen drohen?
Volksverhetzung kann nach den Regeln des Strafrechts zum Beispiel dann vorliegen, wenn man „[…] eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost […].“
„Nach dem Strafgesetzbuch droht in Fällen der Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis“, sagt der Strafrechtsexperte Dr. Lammer. „Bei der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Besonders wer wiederholt mit solchen Delikten auffällt, muss mit einer Freiheitsstrafe, gegebenenfalls auch ohne Bewährung, rechnen.“
Strafbare Symbole: Darf man jemanden zwingen, seine Tattoos entfernen zu lassen?
Manche Richter setzen in solchen Fällen Freiheitsstrafen zur Bewährung aus, verknüpfen die Bewährung aber mit Auflagen wie einer Geldauflage oder auch der Pflicht, sich die strafbaren Symbole von der Haut lasern oder die Tattoos zumindest unkenntlich machen zu lassen. „Die Pflicht zur Entfernung eines solchen Tattoos als Bewährungsauflage dürfte nicht zulässig sein“, sagt Dr. Lammer. „Einen rechtlichen Zwang, ein verfassungswidriges Tattoo entfernen zu lassen, gibt es nicht.“
Stechen verfassungswidriger Tätowierungen: Kann der Tätowierer bestraft werden?
Strafbar macht sich ein Tätowierer, der Nazi-Motive auf die Haut eines Kunden tätowiert, nicht unbedingt. Das ist zumindest dann der Fall, wenn der Kunde verlangt, dass ihm die Tätowierung an einer Körperstelle angebracht wird, die andere Menschen kaum zu sehen bekommen oder wenn ihm der Kunde versichert, das verbotene Symbol nicht öffentlich zeigen zu wollen. Doch auch wenn sich der Kunde nicht daran hält, kann ein Tätowierer kaum wegen Beihilfe zur Verwendung verfassungswidriger Organisationen bestraft werden.
Muss man eingreifen, wenn man jemanden sieht, der verbotene Tattoos trägt?
Wer eine Person sieht, etwa im Schwimmbad, auf deren Haut verfassungswidrige Symbole tätowiert sind, kann den Tätowierten anzeigen. „Es gibt aber keine Pflicht dazu, eine Anzeige zu erstatten“, sagt Dr. Lammer.
- Datum
- Aktualisiert am
- 29.08.2023
- Autor
- ime