So ziemlich jeder Verkehrsteilnehmer wird ihn schon einmal aus seinem Briefkasten geholt haben, den Bußgeldbescheid. Verpackt in einem häßlichen gelben Umschlag ist er die Reaktion der Bußgeldbehörde auf eine zu flotte Fahrt durch die Tempo-30-Zone.
Auch gut bekannt aus Film und Fernsehen sind Urteile, die in feierlichem Schwarz gekleidete Menschen - gemeinhin als Richter bezeichnet - im Stehen verkünden. Anlaß dafür ist meist eine mehr oder minder heftige Straftat. Der Strafbefehl befindet sich irgendwo dazwischen: Er liegt plötzlich im Briefkasten, aber der Absender ist ein Richter.
Der Anwendungsbereich des Strafbefehls
Der Klassiker für den Strafbefehl ist das Verkehrsvergehen. Zum Beispiel eine folgenlose Trunkenheitsfahrt: Die Polizei hat mithilfe eines Arztes die 1,2 Promille festgestellt. Keine weiteren Besonderheiten, der (Standard-)Fall ist also geklärt: Ein betrunkener Verkehrsteilnehmer macht sich strafbar (§ 316 StGB). Die Staatsanwaltschaft guckt in ihre Schublade, beantragt eine Geldstrafe und die Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Richter, dem dieser Antrag vorliegt, schaut kurz drüber und erläßt - wie beantragt - den Strafbefehl. Der gefahrene Trinker zahlt die
Geldstrafe und gut ist.
Der Beispielfall macht deutlich: Im Strafbefehlsverfahren werden strafrechtliche Standardfälle abgearbeitet, für die ein kleines Knöllchen zu wenig, aber eine Gerichtsverhandlung mit Beweisaufnahme zu viel wäre.
Die Folgen des Strafbefehls
Meist gibt es „nur“ eine Geldstrafe. Nur ganz selten werden Freiheitsstrafen verhängt, die aber dann zur Bewährung ausgesetzt werden. Häßlich sind oftmals auch die Nebenfolgen, etwa die Entziehung der Fahrerlaubnis, die der Richter auf Antrag der Staatsanwaltschaft verfügt.
Auch wenn dieser Strafbefehl nur per Post kommt und nicht von einem stehenden Richter verlesen wird: Er hat die Qualität eines Urteils, allerdings ohne daß vorher eine aufwändige Gerichtsverhandlung stattgefunden hat. Mit allen Konsequenzen: Je nach Höhe der Geld- oder Freiheitsstrafe (oder auch beim Wiederholungstäter) findet man die Sanktion auch als Notiz im Führungszeugnis wieder.
Das Gegen-/Rechtsmittel für den Strafbefehl
Wenn der Empfänger des Strafbefehls mit diesen Folgen nicht einverstanden ist, kann er sich wehren. Er erhebt binnen 14 Tage Einspruch und dann gibt es doch noch eine Gerichtsverhandlung, in der er dann noch einmal alle Möglichkeiten zu einer Verteidigung hat. Das ist natürlich nur dann sinnvoll, wenn die Aussichten auf eine Verbesserung des Ergebnisses nicht zu schlecht sind.
Der Strafbefehl als Verteidigungsziel
Es gibt aber neben den Standardstraftaten noch einen weiteren Anwendungsbereich für den Strafbefehl. Immer dann, wenn sich der Beschuldigte und der Staatsanwalt einig geworden sind, was als Folge einer Straftat „hinten raus kommen“ soll, kann auf die Beweisaufnahme verzichtet werden. Das setzt allerdings intensive Gespräche mit den Ermittlungsbehörden voraus. Dann aber können auch kompliziertere Sachverhalte mehr oder minder geräuschlos beerdigt werden.
Eine kleine Notiz in der Presse, in der das Ergebnis des Deals wiedergegeben wird, ist allemal besser für den Promi als der lautstarke Ruf eines Wachtmeisters vor auf dem Gerichtsflur versammelter Medienpräsenz: „In der Strafsache gegen den Bischof von Entenhausen bitte alle Beteiligten in den Saal 500!“ Vergleichbares gilt
natürlich auch für den nicht prominenten, ganz normalen Straftäter ...
Carsten R. Hoenig ist Fachanwalt für Strafrecht und Spezialist für Motorradrecht und betreibt einen eigenen Blog, der unter http://www.kanzlei-hoenig.de/blog aufzurufen ist. Auch für die Deutsche Anwaltauskunft bloggt Herr Hoenig regelmäßig zum Thema Strafrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 13.06.2016
- Autor
- Carsten R. Hoenig