Welches Vergehen wie bestraft wird, regelt in Deutschland das Strafgesetzbuch (StGB). Es gibt für jede Straftat einen Rahmen vor, zum Beispiel „in besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren.“ Richter müssen sich daran orientieren. Mit dem Strafrecht soll der Rechtsfrieden in Deutschland aufrechterhalten werden. Das heißt: Straftäter sollen angemessen bestraft werden – auch als Abschreckung für weitere potenzielle Straftäter.
Prangerstrafen und „Auge um Auge“: in Deutschland verboten
Sogenannte Prangerstrafen sind im Strafgesetzbuch nicht vorgesehen, sie sind in Deutschland verboten. Es kann also kein Richter jemanden zwingen, sich mit einem Schild, auf dem er sich als Straftäter outet, an eine Straße zu stellen. „Hintergrund ist, dass es für Straftäter auch möglich sein soll, sich nach Ableisten der Strafe zu rehabilitieren und danach unbelastet weiterzuleben“, erklärt Stefan Caspari, Richter am Landgericht Dessau und Mitglied der Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes (DRB). „Das ist schwierig, wenn sie im wahrsten Sinne des Wortes öffentlich angeprangert werden.“
Ebenfalls bekannt aus den USA: Strafen, die scheinbar auf ausgleichende Gerechtigkeit abzielen und Straftäter zur Einsicht zwingen sollen. So erlaubte ein Richter Opfern von Raubüberfällen, sich aus der Wohnung des Täters Gegenstände zu nehmen, die den gleichen Wert wie das Diebesgut hatten. Was auf den ersten Blick, gerecht scheinen mag, ist hierzulande nicht gestattet. Richter Caspari informiert: „Niemand kann als Strafe dazu verurteilt werden, einen Schaden wieder gutzumachen.“
Abschreckende Maßnahmen sind in Deutschland auch nicht erlaubt – zum Beispiel ein Sarg, den sich ein Drogenabhängiger in seine Wohnung stellen muss, damit er nicht rückfällig wird. In den USA wurde ein Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen, weil er eben dieser Maßnahme zustimmte.
Jugendstrafrecht erlaubt Spielräume
Bei jugendlichen Straftätern haben Richter kleine Spielräume, Strafen an die Vergehen der Täter anzupassen. „Unkonventionelle und kreative Urteile, die thematisch mit der Straftat in Verbindung stehen, sind nur im Jugendstrafrecht in gewissem Maße möglich“, erklärt Stefan Caspari. „So kann man einem jugendlichen Straftäter zum Beispiel auftragen, dem Opfer einen Entschuldigungsbrief zu schreiben.“
Auflagen und Weisungen ermöglichen Kreativität
Das Erwachsenenstrafrecht sieht so etwas nicht vor. Möglich sind Geldstrafen oder Haftstrafen. Schreibt das Strafrecht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren vor, kann diese auf Bewährung ausgesetzt werden. Und hier eröffnen sich für Richter Möglichkeiten, den Straftäter mit unkonventionellen Tätigkeiten zur Einsicht zu bewegen.
„Entscheidet sich der Richter, eine Strafe zur Bewährung auszusetzen , kann er den Bewährungsbeschluss mit Auflagen und Weisungen spicken“, erklärt Michaela Landgraf, Anwältin für Strafrecht und Vorstandsmitglied des Münchner Anwaltvereins . „Hier ist Raum für kreative Maßnahmen, die thematisch mit der Straftat in Verbindung stehen.“
Auflagen zur Wiedergutmachung
„Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen“, schreibt §56b Strafgesetzbuch vor. Demnach kann ein Richter dem Verurteilten zum Beispiel auferlegen, an eine soziale Einrichtung zu spenden, die sich für Opfer einer Straftat einsetzt. Das kann bei einer Verurteilung wegen sexueller Belästigung zum Beispiel ein Frauenhaus sein. Dem Verurteilten kann auch auferlegt werden, gemeinnützigen Leistungen zu erbringen – die berühmten Sozialstunden.
Es gilt allerdings: Die Auflagen müssen zumutbar sein und zu der Lebensführung des Verurteilten passen. Ihm kann zum Beispiel kein Sozialdienst auferlegt werden, der es ihm zeitlich unmöglich macht, seinen Beruf auszuüben. Verboten sind auch Auflagen, die den Täter öffentlich bloßstellen wie die genannten Prangerstrafen.
Weisungen zur Verhinderung weiterer Straftaten
Weisungen hingegen sollen dem Verurteilten davon abhalten, wieder straffällig zu werden. §56c StGB besagt: „Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen.“ Eine Weisung kann darin bestehen, sich regelmäßig bei Gericht oder der Polizei zu melden, von einer bestimmten Person oder Personengruppen Abstand zu halten oder regelmäßig Unterhalt zu zahlen.
Bestimmte Weisungen können dem Verurteilten nur auferlegt werden, wenn er zustimmt. Stefan Caspari erklärt: „Dazu zählt die Weisung, sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen oder eine Entziehungskur zu machen. Sich für eine bestimmte Zeit in ein Heim – zum Beispiel einer psychiatrischen Einrichtung – zu begeben, kann ein Richter einem Straftäter ebenfalls nur auferlegen, wenn dieser einverstanden ist.“
Wahl zwischen Wiedergutmachung und Haft nicht möglich
Ob eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht und wie lange die Strafe ist, entscheidet also der Richter. Gleiches gilt für Auflagen und Weisungen, die mit einer Bewährungsstrafe einhergehen. „Zwischen einer Haftstrafe und einer Bewährungsstrafe mit Auflage zu wählen, geht in Deutschland nicht“, informiert der DRB-Strafrechtsexperte. „Eine Haftstrafe kann auch nicht reduziert werden, wenn man bestimmte Maßnahmen zur Wiedergutmachung unternimmt. Das ist, wenn überhaupt, nur durch gute Führung möglich.“ Wenn der Verurteilte jedoch während der Zeit seiner Bewährung wieder straffällig wird oder seine Auflagen verletzt, drohe ihm eine Haftstrafe.
Einsicht zeigen im Täter-Opfer-Ausgleich
Verurteilte Straftäter, die ihre Tat nachträglich bereuen, können an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen und so die Wahrscheinlichkeit erhöhen, eine geringere Strafe zu erhalten. Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist auch noch zwischen erster und zweiter Instanz möglich, wenn also bereits eine Verurteilung erfolgt ist und dagegen Berufung eingelegt wurde.
Dabei vermittelt ein neutraler Schlichter zwischen Tätern und Opfern. Schlichter sind in der Regel speziell geschulte Mediatoren. Ziel ist, dass beide Seiten einen Ausgleich erreichen. Das kann eine materielle Entschädigung oder eine Entschuldigung sein.
Rechtsanwältin Landgraf weist jedoch darauf hin: „Die Täter haben so die Möglichkeit zu zeigen, dass sie das Unrecht ihrer Tat eingesehen haben. Wichtig ist jedoch: Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist nur möglich, wenn auch das Opfer dazu bereit ist, und setzt auf Seiten des Täters ein Geständnis voraus.“
Zwischen einer Haftstrafe und einem Täter-Opfer-Ausgleich zu wählen ist ebenfalls nicht möglich. Wie Michaela Landgraf erklärt, kommt es aber vor, dass zu unbedingten Freiheitsstrafen verurteilende Richter dem uneinsichtigen Täter im Verfahren andeuten, bei der Teilnahme an einem solchen Programm wäre im Berufungsverfahren eine Bewährungsstrafe möglich.
„Der Grund ist die Sozialprognose , also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Täter wieder straffällig wird. Sie muss positiv sein, damit eine Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann“, erklärt die Expertin aus München. Rechtsanwältin Landgraf informiert weiter: „Die Sozialprognose wird zum Zeitpunkt der jeweiligen Aburteilung getroffen. Zeigt sich also nach einer nicht rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe in erster Instanz dann in der zweiten Instanz, dass der Täter sich redlich bemüht hat, das Unrecht seiner Tat wieder gutzumachen, und vielleicht sogar erfolgreich einen Täter-Opfer-Ausgleich abgeschlossen hat, so ist es durchaus möglich, schlussendlich in der Berufungsinstanz doch noch eine Bewährungsstrafe zu erhalten.“
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.08.2015
- Autor
- vhe