Liebe unter Geschwistern ist nicht verboten, es ist der sexuelle Akt – konkreter noch der Geschlechtsverkehr, den deutsche Strafverfolgungsbehörden im Visier haben. Wohlgemerkt den einvernehmlichen. Missbrauch steht auf einem anderen Blatt. § 173 des Strafgesetzbuches „regelt“ den freiwilligen Beischlaf zwischen Verwandten. Alle anderen sexuellen Handlungen stehen darüber hinaus nicht unter Strafe.
Das Strafmaß bei einvernehmlichem Geschwisterinzest
Die Frage nach dem Strafmaß ist schnell beantwortet: Der Gesetzgeber sieht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Mit Ausnahme von Minderjährigen: Schlafen also zwei Geschwister unter 18 Jahren miteinander, sind die von einer Strafe ausgenommen.
Wer an dem Verbot festhalten will
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich mit dem Inzestverbot zuletzt 2008 beschäftigt und befand entgegen der Verfassungsbeschwerde: Das Gesetz ist mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar.
Die Begründung der Richter: Bei Inzestverbindungen zwischen Geschwistern könne es zu „schwerwiegenden familien- und sozialschädlichen Wirkungen“ kommen, etwa durch eine Überschneidung von Verwandtschaftsverhältnissen. Das Inzestverbot sei deshalb zur „Bewahrung der familiären Ordnung“ notwendig.
Verbindungen zwischen Geschwistern beträfen nicht nur diese selbst, sondern wirkten auch in die Gesellschaft hinein und könnten außerdem Folgen für aus der Verbindung hervorgehende Kinder haben.
Woran sich die Kritiker des Inzestverbots stören
Es spreche viel dafür, dass die Bestimmung „lediglich Moralvorstellungen, nicht aber ein konkretes Rechtsgut im Auge hat“, befand 2008 der am Urteil des BVerfG zum Inzestverbot beteiligte Richter Winfried Hassemer – als einziger Strafrechtler unter den Beteiligten. Hassemer hatte damals mit einem Sondervotum, also mit einer „abweichenden Meinung“, für Aufsehen gesorgt. Das Urteil erging 7:1 Stimmen und wiegelte damit die Verfassungsbeschwerde ab.
Die Stellungnahme des Ethikrates ist nun wiederum eine Reaktion auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der hatte wiederum eine Beschwerde gegen jenes BVerfG-Urteil aus Karlsruhe zurückgewiesen.
Der Ethikrat folgt Hassemers Stoßrichtung aus dem Jahr 2008: Das Gremium bezweifelt, ob das Strafrecht ein geeignete Mittel ist, ein gesellschaftliches Tabu zu bewahren. Es habe nicht die Aufgabe, für den Geschlechtsverkehr mündiger Bürger moralische Standards oder Grenzen durchzusetzen, sondern den Einzelnen vor Schädigungen und groben Belästigungen und die Sozialordnung der Gemeinschaft vor Störungen zu schützen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 26.09.2014
- Autor
- kgl