Grundsätzlich gilt: Auf deutschen Pisten gibt es zum Fahrverhalten und den Verhaltensregeln keine Gesetze im eigentlichen Sinne. Gerichte berücksichtigen in ihren Entscheidungen aber oftmals die vom Internationalen Skiverband FIS festgesetzten zehn Regeln. Doch kommt es darüber hinaus – wie jetzt beim Unfall Schumachers – immer wieder zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Erinnert sei an den Unfall des ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus, infolge dessen eine Frau starb.
Wann ermittelt in Deutschland die Staatsanwaltschaft?
Nach französischem Recht werden Ermittlungen automatisch aufgenommen, wenn Skifahrer auf der Piste kollidieren, oder aber – wie in Schumachers Fall – Fahrer abseits der gekennzeichneten Piste schwer stürzen. In Deutschland verhält es sich etwas anders, weiß Dr. Thomas Summerer, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „In Deutschland leitet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein, wenn sie vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, also eine dritte Person als Schädiger in Frage kommt, beispielsweise bei einer Körperverletzung (§ 160 StPO).“ Das ist im Artikel 160 der Strafprozessordnung festgelegt. Eine solche könne nicht nur vorsätzlich, sondern auch fahrlässig begangen werden, sagt Summerer. Dies sei die strafrechtliche Seite.
Gibt es neben der strafrechtlichen Seite auch eine zivilrechtliche?
„Ja“, sagt Thomas Summerer. „Die zivilrechtliche Haftung zwischen Schädiger und Geschädigtem, ist die andere Seite.“ In Deutschland gilt hierfür das Verschuldensprinzip, das heißt, ein „Pistenrowdy“ haftet nur dann, wenn er die auf der Piste erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Der Sorgfaltsmaßstab bestimmt sich nach den FIS-Verhaltensregeln.
Wann haftet der Pistenbetreiber?
Nach Angaben der bisherigen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft ist Schumacher in einem „angemessenen“ Tempo gefahren. Demnach richten sich die Augen auch auf den Pistenbetreiber, schließlich ereignete sich der Unfall abseits der ausgewiesenen Piste. Doch scheinen die Markierungen zur Begrenzung der Piste ausgereicht zu haben, wie die Staatsanwaltschaft gegenwärtig einschätzt.
Grundsätzlich hat der Pistenbetreiber auch in Deutschland eine „ausgeprägte Verkehrssicherungspflicht“, sagt Rechtsanwalt Thomas Summerer: „Der Pistenbetreiber muss die befahrbare Piste durchgehend in regelmäßigen Abständen so deutlich markieren, dass Skifahrer, auch bei schlechter Sicht, ungefährdet den Weg nach unten finden.“ Außerdem habe er gefährliche Stellen auf der Piste, zum Beispiel Liftpfeiler, so abzusichern, dass Kollisionen möglichst schadenfrei ausgehen. Zudem müsse er die Skiläufer über den Zustand der Pisten genau unterrichten und sie entsprechend warnen, insbesondere bei drohenden atypischen Gefahren.
„Darüber hinaus obliegen dem Pistenbetreiber konkrete Pflichten gemäß der Bayerischen Kennzeichen-Verordnung für Skiabfahrten, Skiwanderwege und Rodelbahnen“, so der Fachanwalt für Sportrecht, Thomas Summerer. Ferner gebe es DIN-Normen zur grafischen Beschilderung der Skipisten und Seilbahnanlagen.
Und zuletzt trifft ihn eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nach § 1 Haftpflichtgesetz, wenn beispielsweise der Sessellift nicht abgebremst wird und ein Kind deshalb hinausfällt und sich verletzt.
Gibt es aus Ermittlersicht einen Unterschied, ob sich ein Unfall auf oder neben der Piste ereignet?
Michael Schumachers Unfall passierte abseits der gekennzeichneten Piste. Einen Unterschied gibt es nach deutschem Recht bezüglich der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers. Diese bezieht sich nur auf die Sicherung der Piste, nicht aber neben dieser.
Welches Recht gilt, wenn die kollidierten Fahrer aus verschiedenen Ländern kommen?
Nicht nur in Frankreich, wo sich Schumachers Unfall ereignete, gilt das Recht des jeweiligen Staates. Grundsätzlich gilt das Recht am Unfallort, in dem der Schaden eintritt. Im Lateinischen bezeichnet als „lex loco delicti commissi“. Eine Ausnahme allerdings existiert: Wenn zwei Deutsche beispielsweise auf französischer Piste kollidieren, dann gilt auch das deutsche Haftungsrecht.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.06.2014
- Autor
- red