
Erst vor ein paar Monaten wurde bekannt, dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 doch nicht allein deswegen in Deutschland stattgefunden hat, weil es hier so schön ist: Es flossen auch Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe vom Deutschen Fußballbund an die FIFA. Die Ermittlungen laufen, einige Funktionäre wurden schon festgenommen. Das zeigt, dass auch in Deutschland nicht alles so neutral verläuft, wie viele glauben. Wie ist Korruption überhaupt rechtlich definiert? Und ab wann drohen strafrechtliche Konsequenzen?
Korruption: Oberbegriff für alle Arten von Bestechung
Zunächst ist wichtig: Korruption ist kein juristischer Begriff, also kein Straftatbestand. „Das Wort Korruption ist eine Art Oberbegriff für alle Situationen, in denen Schmiergeld gezahlt wird oder irgendetwas anderes nicht ganz sauber läuft“, sagt Prof. Ulrich Sommer, Rechtsanwalt für Strafrecht und Mitglied der gleichnamigen Arbeitsgemeinschaft im Deutschen Anwaltverein (DAV). Der entsprechende Straftatbestand heiße Bestechung.
Der Begriff der Bestechung beziehungsweise Korruption galt ursprünglich nur für Beamte, die durch Annahme von Vorteilen bestimmte Entscheidungen treffen. Mittlerweile ist er auch auf andere Amtsträger ausgeweitet, zum Beispiel Anwälte.
Korruption: Auch in Wirtschaft und Gesundheitsversorgung keine Seltenheit
Natürlich kommt Korruption nicht nur in der Verwaltung vor, sondern häufig auch in der Wirtschaft. „In diesem Fall lautet der Straftatbestand Bestechung im geschäftlichen Verkehr“, erklärt Rechtsanwalt Sommer. Derer mache sich beispielsweise ein Einkäufer schuldig, der für einen Firmenfuhrpark Fahrzeuge einer bestimmten Marke bestelle, weil er dafür unter der Hand ein Honorar erhalte.
Auch im medizinischen Bereich ist Korruption keine Seltenheit: Immer wieder kommen Fälle ans Licht, in denen Ärzte bevorzugt Medikamente eines bestimmten Herstellers verschreiben, weil sie dafür Geldprämien oder teure Reisen geschenkt bekommen.
Klare gesetzliche Regelungen fehlen
Dass diese Vorteilsannahme für eine Gegenleistung strafbar ist, dürfte bekannt sein. Nur: Wo fängt Bestechung an und was geht noch als kleine Aufmerksamkeit durch? „Dazu gibt es leider keine konkrete Gesetzgebung“, moniert der Strafrechtsexperte aus Köln. Der Bundesgerichtshof habe vor einigen Jahren lediglich entschieden: Rechtlich in Ordnung sind alle Geschenke und Zuwendungen, die sozial adäquat sind.
„Was das bedeutet, kommt auf den Einzelfall an. Sicher ist nur, dass Begünstigte von dem Geschenk einen Vorteil haben müssen, damit es als Bestechung zählt“, fügt Prof. Sommer hinzu.
Rechtliche Grauzone begünstigt Korruption
„Diese Unsicherheit machen sich viele zunutze“, sagt Rechtsanwalt Sommer. Die rechtlichen Grauzonen im Bereich der Korruption böten denjenigen, die es mit der Neutralität nicht so genau nehmen, gute Bedingungen. Viele Firmen haben deswegen feste Regeln eingeführt, bis zu welcher Grenze die Mitarbeiter Geschenke annehmen dürfen.
Diese Obergrenzen liegen oft recht niedrig, nicht selten bei 40 bis 50 Euro. Wer sich an diese Grenze hält, kann aber sicher sein, sich im rechtlich einwandfreien Rahmen zu bewegen.
Als Bestechung gilt, was nicht sozial adäquat ist
Auch ein Geschenk oder eine Aufmerksamkeit, deren Kosten diese Grenze deutlich übersteigen, können erlaubt sein – wenn sie der sozialen Stellung des Begünstigten entsprechen. So können die Kosten für ein Geschäftsessen mit einem potenziellen Geschäftspartner im hohen dreistelligen Bereich liegen, und eine Einladung dennoch in Ordnung sein. Eine Einladung zum Fußballspiel wiederum kann die zulässige sozial adäquate Grenze allerdings schon übersteigen.
Korruption: Womöglich mehrere hundert Fälle täglich in Deutschland
Eine Lösung wäre es, verbindliche rechtliche Regelungen festzulegen. Die Gesetzgebung gegen Bestechung im wirtschaftlichen und medizinischen Bereich etwa wird demnächst verschärft. Das ist dringend nötig – denn Korruption ist auch in Deutschland immer noch weit verbreitet: „Hierzulande dürfte es täglich zu mehreren hundert Fällen von Korruption kommen, schätzt der Strafrechtsexperte Prof. Sommer.
- Datum
- Aktualisiert am
- 18.07.2024
- Autor
- vhe