1. Die Nichtraucherzelle
Der 1975 geborene Strafgefangene sitzt für mehrere Jahre in Süddeutschland in Haft. Für einen Gerichtstermin in Gelsenkirchen wurde er nach Essen verlegt und dort für vier Tage in einer Gemeinschaftszelle untergebracht. Einige der Mitgefangenen rauchten. Dagegen wehrte sich der Strafgefangene mit dem Antrag, die Unterbringung in einer Zelle mit Rauchern für rechtswidrig zu erklären. Der Antrag war jedoch beim Landgericht in Essen erfolglos – mit der abenteuerlichen Begründung, der Strafgefangene habe gegenüber der Justizvollzugsanstalt (JVA) seinerzeit nicht beantragt, in einer Einzelzelle oder in einer nur mit Nichtrauchern belegten Gemeinschaftszelle untergebracht zu werden.
Anspruch auf Nichtraucherzelle – auch ohne Antrag
2. Täglich neue Unterwäsche
Der 60 Jahre alte Strafgefangene sitzt in einem westfälischen Gefängnis ein. Die JVA hat ihm – einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahre 1993 entsprechend – wöchentlich vier Garnituren Unterwäsche und zwei Paar Socken zur Verfügung gestellt. Der Mann forderte aber täglich frische Unterwäsche, was ihm versagt wurde. Die JVA begründete die Ablehnung mit dem Hinweis, mit der zur Verfügung gestellten Ausstattung werde Gesundheit und Hygiene Rechnung getragen. Allerdings könne mit einer ärztlichen Anordnung auch täglich Unterwäsche zur Verfügung gestellt werden.
Gericht ändert seine Rechtsprechung
Vor Gericht hatte der Gefangene Erfolg, da das Gericht seine Rechtsprechung von 1993 änderte. Offenbar ist man heute hygienischer als früher. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass sich die allgemeinen Lebensverhältnisse und Lebensanschauungen geändert hätten (AZ: 1 Vollz (Ws) 365/14). Da die Gefangenen verpflichtet seien, Anstaltskleidung zu tragen, müsse ihnen diese auch im erforderlichen Maß zur Verfügung gestellt werden. Da diese Verpflichtung das Persönlichkeitsrecht berühre, sei an die Versorgung mit Kleidung – in einem unter Hygienegesichtspunkten besonders sensiblen Bereich – besondere Anforderungen zu stellen. Diese dürfe von der heutigen Anschauung nicht abweichen. Heutzutage gelte der tägliche Wechsel von Unterwäsche und Socken als gesellschaftliche Norm oder zumindest als wünschenswert. Außerdem könne eine unzureichende Ausstattung mit Anstaltskleidung auch negative Folgen für die Körperhygiene haben.
Resozialisierung durch täglich frische Unterwäsche
Darin erkannte das Gericht auch ein hehres Ziel: Täglich frische Unterwäsche helfe bei der Resozialisierung. Eine andere Handhabung laufe dem Ziel des Strafvollzugs zuwider, dem Gefangenen zu helfen, sich nach der Haftentlassung in das Leben in Freiheit einzugliedern. Eine unzureichende Körperhygiene könne den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben und sonstige soziale Kontakte erschweren.
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- Aktualisiert am
- 24.10.2014
- Autor
- red