
Ein Schiedsrichter umarmt freudestrahlend nach Abpfiff den siegreichen nigerianischen Torwart; ein Italiener fliegt vom Platz, ohne dass er böse gefoult hätte und im gleichen Spiel beißt sich der Uruguayer Suárez in die Schulter eines Gegners, ohne dass es geahndet wird. Dazu: reguläre Tore, die nicht gegeben werden; Abseitstore, die zählen.
Seit dem Start der Fußball-WM kursieren Verschwörungstheorien um mögliche Manipulationen der Spiele in der Presse und vor allem im Internet. Ob da etwas dran ist? Konkrete Anhaltspunkte gibt es derzeit nicht. Und zunächst gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Denn unberechtigte Elfmeter kommen ebenso häufig vor wie irregulär erzielte Tore. In jeder Liga, an jedem Spieltag.
Manipulation bei der WM sei unwahrscheinlich, so ein Strafrechtler
Dass bei der WM manipuliert werde, kann Dr. Ali B. Norouzi zwar nicht ausschließen, für wahrscheinlich hält er es aber nicht: „Wer auf diesem Niveau und bei diesen Gehältern spielt, ist für Schmiergeld in der Regel weniger empfänglich. Außerdem ist die Teilnahme eine Frage der Ehre, auch und gerade bei jenen Nationen, bei denen es sportlich in den letzten Gruppenspielen um nichts mehr geht.“ Der Berliner Anwalt ist Mitglied im Strafrechtsausschuss im Deutschen Anwaltverein (DAV) und erklärt weiter, dass auch die Kriminellen hinter dem Betrug kein besonderes Interesse an großen Spielen oder Turnieren hätten: „Die wollen Geld machen. Und die Quoten sind ja in niedrigklassigen Ligen nicht besser oder schlechter als bei einer Weltmeisterschaft, bei der es eine sehr größere öffentliche Wahrnehmung gibt“, so Norouzi.
Wettmanipulation nach deutschem Recht nicht strafbar
Nach derzeitiger Gesetzeslage ist die reine Spielmanipulation in Deutschland kein Straftatbestand. Strafbar ist der damit verbundene Wettbetrug, also der strafrechtlich relevante Vorwurf der unrechtmäßigen Bereicherung durch die Spielmanipulation. So wie es etwa bei dem ehemaligen Schiedsrichter und später zu einer Haftstrafe verurteilten Robert Hoyzer der Fall war.
Das bayerische Justizministerium hat sich unlängst der Thematik angenommen und den Gesetzesvorschlag „Schutz der Integrität des Sports“ erarbeitet. Eine „effektive strafrechtliche Bekämpfung von Doping, Korruption und Spielmanipulation“ solle dadurch gewährleistet und der sportliche Wettkampf insgesamt geschützt werden. Spieler, die Teil einer Spielmanipulation sind, könnten demnach bereits für diesen Umstand vor ordentlichen Gerichten landen. Bisher trat an diese Stelle die Sportgerichtsbarkeit.
„Die Integrität des Sports muss nicht durch ein Gesetz geschützt werden“
Rechtsanwalt Dr. Ali B. Norouzi kritisiert den Gesetzesentwurf: „Meines Erachtens braucht es bei der Frage der Spielmanipulation keine zusätzliche gesetzliche Regelung. Für die Integrität im Sport hat der Sport allein zu sorgen.“ Durch das Strafrecht geschützte Rechtsgüter sind etwa das Leben, das Vermögen oder die Freiheit. „Aber die Integrität des Sports ist kein so herausragender Belang, der für ein Leben in Frieden und Freiheit notwendig ist“, so Norouzi. Genau das aber wäre der Fall, sollte ein mit dem bayerischen Entwurf vergleichbares Gesetz verabschiedet werden.
Unabhängig der generellen Ablehnung einer gesetzlichen Regelung in dieser Frage, kritisiert Norouzi auch einzelne Inhalte der bayerischen Initiative. So sehe das Gesetz lediglich eine Bestrafung auf dem Spielfeld vor – nicht aber auf Funktionärsebene. Und zudem wird vom „Spitzen- und Profisport“ gesprochen. Strafrechtler Norouzi: „Wenn das neue Rechtsgut die Integrität im Sport sein soll, dann darf es keine Unterschiede in der Schutzbedürftigkeit zwischen Profi-, Amateur- oder Breitensport geben.“
Bis ein mögliches Gesetz alle Hürden passiert hat, wird es noch einige Zeit dauern – wenn es denn überhaupt kommt. Für die aktuelle WM spielt das aber ohnehin keine Rolle. Hier hat die Fifa zumindest ein Feld der wiederkehrenden Erregung inzwischen abgeräumt: Erstmals bei einer WM wird in diesem Jahr mit der Torlinientechnologie gearbeitet – damit so etwas wie 1966 nicht wieder passiert: das mythenumwobene Wembley-Tor.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 30.06.2014
- Autor
- ndm