Deutsche Anwaltauskunft: Herr Dr. Deckers, wie definiert der Gesetzgeber sexuelle Belästigung?
Dr. Rüdiger Deckers: Sexuelle Belästigung fängt da an, wo jemand in die sexuelle Selbstbestimmung eines anderen Menschen eingreift. Das kann von einer einfachen Berührung reichen, die jemand nicht will, bis zu schweren Übergriffen, die in Sexualakte münden. Bei sexueller Belästigung ist entscheidend für die strafrechtliche Beurteilung, ob der „Empfänger“ einverstanden ist oder nicht. Sexuelle Belästigung ist nicht immer mit einem körperlichen Angriff verbunden. Unter den Begriff kann auch eine „verbale Anmache“ fallen.
Anwaltauskunft: Kann ein „Bützchen“ im Karneval auch sexuell belästigend sein?
Deckers: Karneval ist eine besondere Situation, gerade im Rheinland. An Karneval herrscht hier eine sehr aufgelockerte Stimmung. Das wissen aber auch alle, die zum Beispiel zu Karnevalsfeiern gehen. Deshalb meine ich, dass der alte Spruch „Ein Bützchen in Ehren kann niemand verwehren“ im Karneval ganz besonders gilt. Das Bützchen gehört zum Brauchtum und wer es als sexuelle Belästigung verstehen will, der geht am besten gar nicht in den Karneval.
Anwaltauskunft: Dürfen Frauen Männern an Karneval die Krawatte abschneiden, ohne dass sie als sexuell aufdringlich oder belästigend gelten?
Deckers: Wird einem Mann eine teure Krawatte abgeschnitten, dann könnte man das eher als Sachbeschädigung werten. Wobei die Frage die ist: Wer trägt im Rheinland an diesen Tagen schon eine teure Krawatte? Das Abschneiden einer Krawatte hat nichts mit sexueller Belästigung zu tun. Es ist natürlich ein symbolischer Akt, aber die Leute wissen, dass es ein Scherz ist. Da kann man schlecht mit Strafrecht kommen. Im Übrigen regeln die Leute an Karneval ihre Konflikte meist untereinander.
Anwaltauskunft: Würden Sie aus Ihrer Erfahrung als Fachanwalt für Strafrecht sagen, dass es an Karneval öfter zu sexueller Belästigung kommt als sonst?
Deckers: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Die Menschen im Rheinland wissen, dass es zu Karneval in jeder Hinsicht etwas freier zugeht. Wer das nicht mag, der muss nicht mitmachen. Geht man doch auf Karnevalsfeiern oder ähnliches, sollte man klare Grenzen setzen. Überschreitet jemand diese Grenzen, könnte das als sexuelle Belästigung gewertet werden.
Anwaltauskunft: Wie sehen die Strafen dafür aus?
Deckers: Berührt ein Mensch einen anderen gegen seinen ausdrücklichen Willen zum Beispiel am Po oder an der Brust, ohne dass diese Person das möchte, dann gilt das unter Umständen schon als sexuelle Nötigung. Und darauf steht nach dem Strafgesetzbuch eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr.
- Datum
- Aktualisiert am
- 30.01.2015
- Autor
- ime