Dem Deutschen Anwaltverein (DAV) zu Folge muss der Mordparagraf im deutschen Recht dringend modernisiert werden. Es geht dabei um die Tötungsdelikts-Paragrafen Mord und Totschlag im Strafgesetzbuch (§§ 211, 212, 213 StGB). Wie eine Reform aussehen könnte, zeigt ein Entwurf des DAV, den der Verein Mitte Januar in der Bundespressekonferenz vorgestellt hat. Seine Reformvorschläge hat der DAV seinerzeit auch dem Bundesjustizminister Heiko Maas übergeben. Dieser hat nun signalisiert, die kritisierten Paragraphen im Strafgesetzbuch reformieren zu wollen. "Von einer großen Koalition erwartet man auch den Mut zu großen Reformen", sagt Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, der Präsident des DAV.
Der DAV fordert vom Gesetzgeber, dass dieser im Strafgesetzbuch klare und allgemeinverständliche Normen zum Schutz des wichtigsten Rechtsgutes überhaupt schafft: des Lebens. Nach Ansicht des DAV erfüllen die seit 1941 geltenden aktuellen Bestimmungen zu „Mord“ und „Totschlag“ diesen Zweck nicht. Der Grund: Die Aufteilung in zwei Tötungsdelikte führt vor Gericht oft zu ungerechten und manchmal auch zufälligen Ergebnissen.
„Seit langem ist der Bedarf nach einer Reform anerkannt. Durch die Vorschläge des DAV ist nun der Gesetzgeber gefordert, dieses Problem zu lösen“, erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer. Ihm zu Folge würden erst bestimmte Merkmale wie „Heimtücke“, „Grausamkeit“ oder „Habgier“ aus einer Tötung einen „Mord“ machen. Das führe insbesondere bei Tötungshandlungen im sozialen Nahbereich, sogenannten Beziehungstaten, zu schwerwiegenden Konflikten und Ungerechtigkeiten. Beziehungstaten sind laut Ewer die häufigsten Tötungsfälle.
Mordmerkmal der Schwachen
„Heimtücke ist das Mordmerkmal der Schwachen - statistisch gesehen ist es das Mordmerkmal der Frauen. Eine schwache Frau, die den gewalttätigen Ehemann nachts im Schlaf oder mit Gift tötet, wird wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt“ erläutert Ewer den dringenden Handlungsbedarf für eine Reform. „Schlägt hingegen der Mann im Streit seine Frau tot, wird er nur wegen Totschlag zu fünf bis 15 Jahren verurteilt.“
Die geltende Rechtslage beruht auf einer Gesetzesfassung aus dem Jahre 1941. Der einzige Unterschied zu damals: Mord wird nicht mehr mit der Todesstrafe bestraft, sondern zwingend mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe.
Das nationalsozialistische Gesetz von 1941 orientiert sich dem DAV zu Folge systemwidrig an einem „Tätertyp“, was dem sonstigen Strafrecht in der Bundesrepublik fremd ist. „Normalerweise wird ein Handeln unter Strafe gestellt, das im Strafgesetzbuch möglichst genau beschrieben ist, und nicht der ‚Typ‘ des Täters“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorsitzender des Ausschuss Strafrecht im DAV. Das Unwerturteil bleibe auf die Tat konzentriert und vom „Typ“ des Täters getrennt. Die Täterpersönlichkeit könne aber bei der Strafzumessung dann eine Rolle spielen.
Klippen des Mordparagrafen umschiffen
In den vergangenen Jahrzehnten war die Rechtsprechung immer wieder gezwungen, die nationalsozialistisch beeinflussten Klippen des Mordparagrafen zu umschiffen, um nicht zu unbilligen Ergebnissen zu kommen – manchmal durch fragwürdige Verrenkungen. So hat Marianne Bachmeier im Lübecker Landgericht den mutmaßlichen Mörder ihrer Tochter von hinten erschossen, also heimtückisch. Hier konnte die unvermeidliche Mordanklage nur mit einer Hilfskonstruktion fallengelassen werden. Dabei unterstellten die Juristen, sie habe die Heimtücke ihrer Tat nicht erkannt.
„Es ist erstaunlich, wie sich die Verfolgung von Tötungsverbrechen getrennt in ‚Mord‘ und ‚Totschlag‘ so lange halten konnte“, so König weiter. Daher schlage der DAV die Abkehr vom Mordparagrafen vor. Durch den Wegfall dieses Paragrafen mit seinen Gesinnungsmerkmalen käme es zu einer klaren und allgemein verständlichen Konzentration auf das Schutzgut Leben. „Wir brauchen einen einheitlichen ‚Tötungsparagrafen‘“, fordert König.
Die Strafandrohung betrage dann fünf bis fünfzehn Jahre oder lebenslange Freiheitsstrafe. Damit würden die Strafrahmen der bisherigen beiden „Tötungsparagrafen“ übernommen. Es fiele aber die zwingende lebenslange Freiheitsstrafe bei einer Verurteilung wegen Mordes weg.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.06.2014
- Autor
- red