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Verunglimpfung

Beamten­be­lei­digung: Gibt es das?

Beamtenbeleidigung – gibt es das?
© Quelle: 2/Ocean/corbisimages.com/DAV

Einen Beamten zu beschimpfen, kann besonders teuer sein: Dieser Mythos hält sich hartnäckig. Aber wird ein „Vollidiot“ gegenüber einem Polizisten tatsächlich anders verfolgt als gegenüber einem Normal­bürger? Und wo beginnt eine Beleidigung?

„Dummschwätzer“, „Idiot“, „altes Arschloch“: Die Frage, wie man andere Menschen ungestraft bezeichnen darf, beschäftigt die Behörden immer häufiger. Die Zahl der polizeilich erfassten Beleidi­gungs­delikte hat sich laut Statistiken des Bundes­kri­mi­nalamtes in den vergangenen zwanzig Jahren deutsch­landweit fast verdoppelt. Der Grund dafür dürfte weniger in einem Verfall der Manieren liegen als in einer größeren Empfind­lichkeit: Wer sich beleidigt fühlt, wehrt sich heute schneller mit einer Anzeige.

Nicht selten sind Polizisten das Ziel von Beleidi­gungen – mitunter mit teuren Konsequenzen. So wurde der ehemalige Kapitän des FC Bayern München, Stefan Effenberg, 2003 zu einer Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro verurteilt, weil er einen Polizisten bei einer Polizei­kon­trolle als „Arschloch“ bezeichnet hatte.

Vielleicht sind es spekta­kuläre Urteile wie dieses, die dazu beitragen, dass verbale Ausfälle gegenüber Beamten in der öffent­lichen Meinung den Ruf haben, besonders hohe Strafen mit sich zu bringen. Der Begriff „Beamten­be­lei­digung“ ist fest im Sprach­ge­brauch verankert und wird häufig auch in den Medien verwendet.

Juristisch gibt es diesen Sonderfall aber nicht. „Die Beamten­be­lei­digung ist in Deutschland kein besonderer Straftat­bestand“, sagt Rechts­anwalt Prof. Dr. Rainer Hamm vom Deutschen Anwalt­verein (DAV). Das heißt: Wenn man einen Beamten beleidigt, gelten die gleichen gesetz­lichen Regelungen wie bei jeder anderen Person – egal ob Chefarzt oder Busfahrer.

„Beleidigung“, „üble Nachrede“ oder „Verleumdung“?

Das Gesetzt unterscheidet verschiedene Beleidi­gungs­delikte. Entscheidend ist bei der Beleidigung eines Beamten – wie bei allen anderen Personen –  vor allem, ob sich die Aussage auf eine Tatsache bezieht, die nachprüfbar ist. Bezeichnet man zum Beispiel einen Beamten  gegenüber dessen Chef als bestechlich, kann das als § 186 StGB) – nämlich dann, wenn sich heraus­stellt, wenn die Behauptung „nicht erweislich wahr ist“. Gravie­render wird die Straftat, wenn man eine solche Behauptung „wider besseres Wissen“ tätigt, obwohl man ganz genau weiß, dass sie falsch ist. In einem solchen Fall spricht das Gesetz von Verleumdung (§ 187 StGB). Auch hier ist die Voraus­setzung, dass überprüft werden kann, ob die beleidigende Aussage wahr ist oder nicht.

Eine Beleidigung im Sinne des Gesetzes (§ 185 StGB) kommt dagegen auch dann in Frage, wenn die Aussage über eine andere Person nicht überprüfbar ist. Ob ein Polizei­beamter ein „Arschloch“ ist, kann ein Gericht nicht aufklären oder überprüfen – es ist ein sogenanntes Werturteil. Wenn man mit einem solchen Urteil – wie der Fußballer Steffan Effenberg – über das Ziel hinaus­schießt, kann es sich um eine Beleidigung handeln.

Alle Beleidi­gungs­delikte sind Straftaten, die mit Geldstrafe davon.

Wann wird eine Aussage zur Beleidigung?

Für die Gerichte ist es immer wieder eine Heraus­for­derung, genau zu bestimmen, wo eine deftige Kritik endet und eine Beleidigung beginnt. Denn hier prallen zwei Grundrechte aufeinander: Das Recht auf freie Meinungs­äu­ßerung und die Persön­lich­keits­rechte der Person, die kritisiert wird. „Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat in Urteilen mehrfach betont, dass die Grenzen der Meinungs­freiheit im Zweifel möglichst weit ausgelegt werden sollten“, sagt der Strafrechtler Prof. Dr. Hamm.

So entschied das Gericht, dass die Bezeichnung „durchge­knallter Staats­anwalt“ von der Meinungs­freiheit gedeckt ist und damit keine Beleidigung darstellt (AZ: 1 BvR 2272/04). Entscheidend sei, dass die Äußerung einen sachlichen Bezug hat – in diesem Fall das Verhalten des kritisierten Staats­anwalts.

„Wenn hingegen die Diffamierung der Person ohne sachlichen Bezug im Vordergrund steht, kann die Grenze der Meinungs­freiheit überschritten werden“, sagt Prof. Dr. Hamm vom DAV. Dann spricht man von einer Schmäh­kritik. Hierzu zählen fast immer vulgäre Beleidigung wie das „Arschloch“ im Fall Effenberg. Bei solchen Ausdrücken steht die persönliche Herabwür­digung klar im Vordergrund.

Bei anderen Begriffen ist das weniger eindeutig. So entschied das Bayerische Oberste Landes­gericht, dass die Bezeichnung eines Polizisten bei einer Verkehrs­kon­trolle als „Wegelagerer“ keine Beleidigung darstellt (AZ: 1 St RR 153/04). Der Begriff sei als legitime Kritik eines Bürgers an staatlichen Maßnahmen zu verstehen und damit von der Meinungs­freiheit gedeckt. Die persönliche Diffamierung des Polizei­beamten habe nicht im Vordergrund gestanden.

Sprachliche Tricks schützen übrigens selten vor Strafe. So hilft es nicht zu betonen, dass es sich bei dem deftigen Ausdruck nur um die eigene Meinung handelt. Ein „meiner Meinung nach sind Sie ein Vollidiot“ kann genauso als Beleidigung gewertet werden wie der „Vollidiot“ allein.

Auch wer das Schimpfwort als Zitat verwendet, ist nicht automatisch auf der sicheren Seite. „Ein beleidi­gendes Zitat darf man nicht ungeprüft weitergeben. Im Zweifelsfall muss man nachweisen können, dass jemand anderes es genau so gesagt hat“, sagt Rechts­anwalt Prof. Dr. Hamm.

Nicht nur verbale Äußerungen, sondern auch bestimmte herabwürdige Gesten können als Beleidung gelten – zum Beispiel der „Stinke­finger“. Ähnlich wie bei derben Schimpf­wörtern lässt sich hier ein sachlicher Bezug in den seltensten Fällen begründen.

„Beamten­be­lei­digung“ gibt es nicht – aber Besonder­heiten

Auch wenn es eine „Beamten­be­lei­digung“ in Deutschland nicht gibt: Bei der Verunglimpfung von Staats­dienern gelten einige Besonder­heiten, zum Beispiel beim Strafantrag. „In der Regel kann nur das Opfer einer Beleidigung einen Strafantrag stellen. Wird hingegen ein Amtsträger im Dienst beleidigt, kann auch dessen Dienst­vor­ge­setzter die Beleidigung anzeigen“, sagt Prof. Dr. Hamm vom DAV.

Zudem können Angehörige einer Behörde – wie zum Beispiel auch Parteien und Verbände – auch kollektiv beleidigt werden. Allerdings nur, wenn es sich um eine klar bestimmbare Gruppe handelt. Wann genau das der Fall ist, ist umstritten. Das Landgericht Karlsruhe sprach beispielsweise einen Fußballfan frei, der im Stadion ein Transparent mit dem Slogan „ACAB“ (All cops are bastards) ausgerollt hatte, weil damit eindeutig kein bestimmter Polizist gemeint sei (AZ: 11 Ns 420 Js 5815/11).

Das Landgericht München entschied dagegen in einem anderen Fall, dass der Schriftzug „ACAB“ auf der Hose eines Fußballfans eine strafbare Beleidigung darstelle. Der Fan habe gewusst, dass er beim Spiel auf eine bestimmte Gruppe von Polizisten treffen würde (AZ: 4 OLG 13 Ss 571/13).

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Datum
Aktualisiert am
04.06.2018
Autor
pst
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Themen
Persön­lich­keits­rechte Polizei Straßen­verkehr

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