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Strafrecht

Warum Gefäng­nis­ausbruch kein Verbrechen ist

Aus dem Gefängnis auszubrechen, ist keine Straftat
© Canva

Es ist ein kurioses Detail des deutschen Strafrechts, das zunächst absurd klingt: Gefäng­nis­aus­brüche sind in Deutschland nicht strafbar. Warum das so ist und warum in der Realität trotzdem nahezu kein Häftling straffrei entkommen kann, erklärt die deutsche Anwalt­auskunft.

Auch wenn die meisten Häftlinge selten lange auf freiem Fuß sind – Ausbrüche gibt es auch in deutschen Haftan­stalten immer wieder.  Im Mai 2014 etwa sägten zwei Insassen der JVA Berlin-Moabit die Gitter ihrer Zellen durch, seilten sich mit verknoteten Bettlaken und Kleidungs­stücken ab und flüchteten anschließend über meterhohe Zäune und Mauern – fast wie im Film.

Die beiden Flüchtigen waren nur kurze Zeit frei, bevor sie wieder verhaftet und in die Haftanstalt zurück­ge­bracht wurden. Doch war ihre Flucht tatsächlich ein Verbrechen? Denn was zunächst unglaublich klingt, ist tatsächlich wahr: Ein Gefäng­nis­ausbruch an sich ist in Deutschland theoretisch straffrei. Dies begründet sich auf einer Sichtweise des Gesetz­gebers, die schon Ende des 19. Jahrhunderts im deutschen Rechts­ver­ständnis zu finden war: Jeder Mensch verfügt über einen natürlichen Freiheitstrieb, den selbst das Gesetz zu respek­tieren habe. Seine eigene Freiheit wieder­erlangen zu wollen, wie bei der Flucht aus einer Haft, kann also kein strafwürdiges Verhalten sein. Diese Sichtweise ist global nicht üblich, in den meisten Ländern der Welt ist Gefäng­nis­ausbruch eine kriminelle Handlung. Außer Deutschland vertreten nur Österreich, Belgien und Mexiko eine ähnliche Sichtweise.

Warum besonders Ersttäter oft eine gute Aussicht auf Bewährung statt Haftstrafe haben, lesen Sie hier.

Ausbruch: Theoretisch straffrei möglich, praktisch nahezu unmöglich

Den Straftats­bestand „Gefäng­nis­ausbruch“ oder „Flucht aus der Haft“ gibt es im deutschen Strafrecht nicht. Theoretisch kann jeder Gefangene so oft ausbrechen wie er will, ohne dass ihm dafür ein neuer Prozess drohen würde. Soweit die Theorie, doch praktisch ist eine straffreie Flucht nicht so einfach. Wer als Häftling aus seiner offenen oder nicht-abgeschlossenen Zelle, unbemerkt an den JVA-Beamten vorbei, und anschließend durchs Anstaltstor spaziert, begeht kein Verbrechen.

Aber alles zählt als Straftat, was während der Flucht verbrochen wird. Wer Gitterstäbe durchsägt oder Schlösser aufbricht begeht Sachbe­schä­digung, wer Vollzugs­beamte überwältigt oder sogar in seine Gewalt bringt, muss sich hinterher wegen (evtl. gefähr­licher) Körper­ver­letzung, Bedrohung oder sogar Geiselnahme verant­worten. Das alles wird nicht plötzlich straffrei, nur weil es zur Flucht verhilft.

Gefange­nen­be­freiung: Fluchthilfe ist strafbar

Das Streben nach der eigenen Freiheit ist also straffrei, das Gleiche gilt allerdings nicht, wenn man anderen zur Flucht aus der Gefangen­schaft verhilft. Zunächst stutzig macht dabei: da der „Gefäng­nis­ausbruch“ an sich keine Straftat ist, kann eigentlich auch die Beihilfe zum Ausbruch nicht strafbar sein. Doch hier wirkt der Gesetzgeber entgegen und hat den eigenen Straftats­bestand „Gefange­nen­be­freiung“ geschaffen, der in § 120 StGB festgelegt ist. Demnach wird jeder mit Geldstrafe oder Freiheits­strafe bis zu drei Jahre bestraft, wer „einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert“. Amtsträger, etwa Vollzugs­beamte, müssen mit noch höheren Freiheits­strafen rechnen, wenn sie Gefangenen zur Flucht verhelfen.

Gefäng­nis­ausbruch: Nicht strafbar, aber nicht ohne Folgen

Nur weil das deutsche Strafrecht den Ausbruch an sich nicht bestrafen kann, sind negative Konsequenzen für den Flüchtigen aber nicht ausgeschlossen, ganz abgesehen von den begleiteten Straftaten, die oben erwähnt wurden. Ein unerlaubtes Entfernen aus der Anstalt stellt zumeist mindestens einen Verstoß gegen die Hausordnung der JVA dar. Dadurch können den dem Häftlingen Sanktionen auferlegt werden, die den Haftauf­enthalt nicht angenehmer machen dürften. Und natürlich wirkt sich ein Ausbruch oder der Versuch nicht positiv auf das Führungs­zeugnis des Häftlings aus. Dadurch kann auch eine vorzeitige Entlassung in weite Ferne rücken. Wer sich in der Haft dagegen durch vorbild­liches Verhalten auszeichnet, kann in manchen Fällen auch vor dem regulären Ende seiner Haftstrafe aus der Vollzugs­anstalt hinaus­spa­zieren – diesmal ohne Angst haben zu müssen, dabei gestoppt zu werden.

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Datum
Aktualisiert am
10.11.2022
Autor
psu
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Themen
Haft

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