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Unfall

Gaffen und Rettungs­kräfte behindern: Welche Strafen drohen?

Bei einem Unfall zu gaffen, Fotos zu machen oder die Rettungskräfte zu behindern, ist nicht nur moralisch fragwürdig. © Quelle: Barth/fotolia.com

Bei einem Unfall sind sie meist viel schneller vor Ort als die Rettungs­kräfte: Gaffer und Schaulustige, die das Unfall­ge­schehen häufig sogar filmen. Das ist nicht nur moralisch fragwürdig. Wer einen Unfall beobachtet, aber nichts tut um zu helfen oder die Helfer sogar behindert, begeht eine Straftat. Einige Bundes­länder möchten künftig auch das Gaffen strafrechtlich verfolgen. Gaffern drohen allerdings schon jetzt empfindliche Bußgelder.

Es ist eines dieser Unglücke, die leider häufig passieren und von denen die meisten nur aus dem Autoradio erfahren: Auf der Autobahn kommt es bei einem missglückten Überhol­manöver zu einem Auffahr­unfall, ein Auto brennt. Die Autofahrer, die unmittelbar hinter dem Unfallwagen gefahren sind, halten an, steigen aus – und beobachten die Szene geschockt. „Gaffen“ an sich ist zwar nur eine Ordnungs­wid­rigkeit. Rettungs­kräfte aktiv zu behindern ist aber eine Straftat. Teuer kann beides werden.

Rettungs­kräfte unter besonderem gesetz­lichem Schutz

Feuerwehr, Polizei oder medizi­nische Rettungs­dienste leisten einen wichtigen Job – dass sie ungestört arbeiten können, ist lebens­wichtig. „Hilfeleistende werden vom Gesetz ausdrücklich geschützt“, informiert Rechts­an­wältin Gesine Reisert, Mitglied des Geschäfts­füh­renden Ausschusses der Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Wer sie behindert, erschwere ihnen die Möglichkeit zu helfen und mache sich damit strafbar.

Unfall beobachten, ohne aktiv zu werden: Unterlassene Hilfeleistung

Rettungs­kräfte behindert man bereits dann, wenn man bei einem Unfall nicht zur Seite fährt, um eine Rettungsgasse zu bilden. Das ist notwendig, damit Krankenwagen, Polizei und Feuerwehr schnellst­möglich zur Unfall­stelle kommen. Wer Rettungs­kräfte nicht durchlässt, begeht eine Ordnungs­wid­rigkeit. Es droht ein Bußgeld.

Passives Verhalten bei einem Unfall kann auch strafbar sein. Und zwar dann, wenn es darum geht, Unfall­opfern zu helfen. Bei unterlassener Hilfeleistung drohen Geldstrafen und in schlimmen Fällen Haftstrafen von bis zu einem Jahr. Dazu genügt es schon, einen Unfall, einen Brand oder ähnliches zu beobachten und nichts zu tun. Oder erst einmal in Ruhe ein Foto für Facebook zu machen und dann den Rettungs­dienst zu rufen. Das kostet wertvolle Sekunden, die im schlimmsten Fall über Leben und Tod entscheiden können.

Fotos oder Videos von Verletzten machen: Haftstrafe droht

Unabhängig davon, ob Hilfe benötigt wird oder nicht, gilt: Wer Aufnahmen von Verletzten oder dem Unfallwagen macht, muss mit einer Geldstrafe oder einer Freiheits­strafe von bis zu zwei Jahren rechnen. Die Polizei kann bereits direkt am Unfallort tätig werden: Die Beamten können Handys und Kameras einziehen, Fotos und Videos löschen und Platzverweise erteilen.

Gaffen: Bußgeld von bis zu 1.000 Euro möglich

Immer wieder unterschätzt wird auch, wie teuer das sogenannte Gaffen werden kann. Gaffen alleine ist zwar kein Straftat­bestand, aber eine Ordnungs­wid­rigkeit. Schaulustigen droht ein Bußgeld von bis 1.000 Euro. Hier noch einmal im Überblick, welche Strafen Gaffern und fotogra­fie­renden und filmenden Schaulustigen derzeit drohen.

Gaffer müssen rechnen mit:

• Platzver­weisen

• Bußgeld

Schaulustigen, die hilflose Personen filmen oder fotogra­fieren, drohen:

• Beschlagnahme von Handy und Kameras

• Löschen von Foto- und Videoma­terial

• Bußgeld

Haftstrafen

Aktive Behinderung von Einsatz­kräften: Haftstrafe von bis fünf Jahren

Von einer aktiven Behinderung von Einsatz­kräften spricht man dann, wenn Rettungs­kräfte vorsätzlich von der Arbeit abgehalten werden. Das gilt zum Beispiel bei Gewalt oder Androhung von Gewalt gegen Feuerwehrleute, Sanitäter, Polizisten etc. Bei einem Brand die Wasser­ver­sorgung der Feuerwehr zu kappen oder das Feuerauto durch Blockaden an der Weiterfahrt zu hindern, sind ebenfalls Fälle von aktiver Behinderung.

Rettungs­kräfte behindert: Haftstrafen für Täter

Im sogenannten Gaffer-Prozess hat das Amtsgericht Bremervörde den Hauptan­ge­klagten zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Vorsitzende Richter sah den Tatvorwurf des Widerstands gegen Vollstre­ckungs­beamte und der Körper­ver­letzung als erwiesen an. Die beiden Mitange­klagten wurden zu Geldstrafen von 100 bzw. 150 Euro verurteilt. Mit seinem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Staats­an­walt­schaft.

Angeklagt waren drei Brüder, die bei einem Verkehrs­unfall in einer Eisdiele in Bremervörde mit zwei Toten am 5. Juli 2015 in Rangeleien mit der Polizei verwickelt waren. Dabei wurden Polizisten, ein Feuerwehrmann und der Hauptan­ge­klagte verletzt.

Die Angeklagten sahen sich selbst nicht als Gaffer. Ihre Verteidiger hatten in allen drei Fällen Freispruch gefordert und schlossen Rechts­mittel gegen das Urteil nicht aus. Zudem kritisierten sie Ermitt­lungs­fehler. So sei nie bewiesen worden, ob der 27-Jährige tatsächlich Fotos oder Videos gemacht habe.

Bei dem Unfall war ein Auto in eine Eisdiele gerast. Zwei Menschen starben, mehrere wurden verletzt. Die Fahrerin war wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körper­ver­letzung zu einer Geld- und einer Bewährungs­strafe verurteilt worden.

Der Tatbestand ist vergleichbar mit dem Widerstand gegen Vollstre­ckungs­beamte – ein Begriff, der manchen aus Filmen bekannt sein könnte. „Einsatz­kräfte wie Feuerwehrleute oder Rettungs­sa­nitäter gelten nach § 114 Abs. 3 Strafge­setzbuch (StGB) als Personen, die Vollstre­ckungs­beamten gleich­stehen. Wer sie bedroht oder sogar tätlich angreift, muss ähnliche Strafen befürchten wie beim Widerstand gegen Vollstre­ckungs­beamte“, erläutert die Rechts­an­wältin aus Berlin. Im schweren Fällen drohten bis zu fünf Jahren Gefängnis.

Gewalt gegen Einsatz­kräfte: Auch der Versuch strafbar

Die genannten Gesetze gelten für Berufs­helfer und für organi­sierte ehrenamtliche Helfer wie die freiwillige Feuerwehr. Sie müssen als Helfer erkennbar sein. Privat­personen, die zum Beispiel erste Hilfe leisten, sind von dem Gesetz nicht geschützt. Wer Helfer tätlich angreift, macht sich unter Umständen ebenfalls der Körper­ver­letzung schuldig.

Diese muss nicht erfolgreich sein, um strafbar zu sein: „Bei Körper­ver­letzung ist schon der Versuch strafbar“, sagt Rechts­an­wältin Reisert. Greife ein Unfallzeuge einen Rettungs­sa­nitäter an, mache er sich in jedem Fall strafbar – auch wenn der Sanitäter nicht verletzt wird und letztlich doch seinen Job machen kann.

Gefäng­nis­strafe für Vortäuschen von Notfall

Die Behinderung von Hilfeleistung muss sich nicht zwangs­läufig konkret gegen Menschen richten, um als Straftat zu gelten. Eine Notsituation vorzutäuschen, und damit womöglich wertvolle Ressourcen beim Rettungs­dienst zu blockieren, ist ebenfalls strafbar. Hier droht eine Haftstrafe von einem Jahr. Die mutwillige Zerstörung von Notruf­geräten ist ebenfalls eine Straftat.

Dabei darf nicht vergessen werden: Vorsätzliche Behinderung von Einsatz­kräften oder sogar Gewalt gegen den Rettungs­dienst sind extreme Ausnah­me­si­tua­tionen. Wer Rettungs­kräfte angreift, handelt in der Regel aus einer medizi­nischen Beeinträch­tigung heraus oder ist psychisch krank.

Fazit: Jede Art der Behinderung von Einsatz­kräften ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern kann auch zu empfind­lichen Strafen führen. Rechts­an­wältin Reisert informiert: „Rettungs­kräfte machen einen sehr wichtigen und oft keinen leichten Job. Häufig sehen oder erleben sie Dinge, die sie trauma­ti­sieren.“ Man sollte Ihnen nicht noch das Leben schwer machen, indem man sie bei der Arbeit behindert, Rettungswege versperrt oder Gewalt gegen den Rettungs­dienst anwendet. Zudem ist es wichtig, Hilfe zu leisten und sich Verletzten gegenüber respektvoll zu verhalten – auch in eigenem Interesse.

Datum
Aktualisiert am
28.04.2017
Autor
vhe
Bewertungen
21704 4
Themen
Auto Autounfall Polizei Straftat

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