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Vorläufige Festnahme

Polizei­ge­wahrsam: Welche Rechte haben Polizisten und Verhaftete?

Bei einer vorläufigen Festnahme beziehungsweise im Polizeigewahrsam sollten Sie Ihre Rechte kennen. © Quelle: Ginter/fotolia.com

Es genügt, wenn jemand einem gesuchten Straftäter ähnlich sieht oder stark alkoho­lisiert auf der Straße unterwegs ist: Polizisten haben dann das Recht, die betreffende Person in Gewahrsam zu nehmen beziehungsweise vorläufig festzu­nehmen. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass es wirklich zu einem Prozess kommt oder eine Strafe droht. Dennoch: Wer in Gewahrsam genommen wird, sollte seine Rechte kennen.

„Wir brauchen Beweise, sonst haben wir in 24 Stunden keine Handhabe mehr, um den Verdächtigen weiter in Gewahrsam zu halten“, ruft der übermüdete Kommissar seinen Kollegen zu und knallt seine Kaffeetasse auf den Schreibtisch. Der Druck ist hoch, die Zeit läuft. Szenen wie diese finden sich häufig in Kriminal­filmen und –romanen. Mit dem Instrument des Polizei­ge­wahrsams lässt sich wunderbar Spannung aufbauen. Doch nicht nur Krimiautoren leistet der Gewahrsam wertvolle Dienste. Er ist eines der wichtigsten Mittel, das das Polizei­auf­ga­ben­gesetz Polizisten an die Hand gibt.

Der Polizei­ge­wahrsam erfüllt zwei Funktionen, die sich mit den Zielen der Polizei­arbeit im Allgemeinen decken: Gefahren verhüten und Verbrechen aufklären. Auch wenn er natürlich durch rechtliche Grenzen eingefasst ist, kann der Polizei­ge­wahrsam von Fall zu Fall sehr unterschiedlich gestaltet sein.

Gefahr im Verzug: präventiver Gewahrsam möglich

So können Polizisten jederzeit eingreifen, wenn Gefahr im Verzug ist. Ein Beispiel: Ein stark alkoho­li­sierter Mann ist auf der Straße unterwegs. Das Risiko ist hoch, dass es zu einem Verkehrs­unfall kommt. Dann kann die Polizei ihn in präventiven Gewahrsam nehmen, damit nichts passiert.

Auch um Straftaten aufzuklären dürfen Polizei­beamte auf den Gewahrsam zurück­greifen. Wenn eine Person verdächtig erscheint, darf sie vorläufig festge­nommen werden, damit die Polizei ihre Identität feststellen kann. „Es ist eine Möglichkeit für die Polizei, auf Pause zu drücken und heraus­zu­finden, was eigentlich passiert ist“, fasst Michaela Landgraf zusammen, Rechts­an­wältin für Strafrecht aus München und Vorstands­mitglied des Münchner Anwalt­vereins. Wenn den Polizisten vermummte Gestalten auffielen, die hektisch eine Bankfiliale verließen, könnten sie diese erst einmal in Gewahrsam nehmen um zu prüfen, ob ein Tatverdacht bestehe.

Anfangs­verdacht ausreichend

Möglich ist das auch, wenn zum Beispiel nach einem Vergewaltiger gefahndet wird und die Polizei einen Mann sieht, auf den die Täterbe­schreibung passt. Ein solcher Anfangs­verdacht genügt zwar – eine bloße Mutmaßung ist allerdings als Grundlage eines solchen repressiven Gewahrsams nicht ausreichend. So darf ein Polizist zum Beispiel niemanden nur deswegen festnehmen, weil er dunkel gekleidet ist und irgendwie gefährlich aussieht.

In Gewahrsam: Festge­nommener muss unverzüglich Richter vorgeführt werden

Angenommen, eine Person ist in Gewahrsam genommen, was passiert dann? „Nach einer Festnahme – das ist gleich­be­deutend mit Gewahrsam – rotieren Polizei und Strafver­fol­gungs­be­hörden im Hintergrund“, erklärt Rechts­an­wältin Landgraf. Die Polizei habe dann 24 Stunden Zeit, um die Sachlage und die Identität des Festge­nommenen zu prüfen.

In dieser Zeit müssen die Staats­an­walt­schaft informiert, Aktenma­terial gesichtet und juristische Texte geprüft werden. Wer in Gewahrsam genommen wird, muss außerdem unverzüglich einem Richter vorgeführt werden.

Bestätigt sich der Anfangs­verdacht gegen den Festge­nommenen, wird durch den Ermitt­lungs­richter Untersu­chungshaft angeordnet oder, wenn das notwendig sein sollte, der Festge­nommene in eine psychia­trische Klinik überstellt. Ergeht nach Ablauf der 24 Stunden kein richter­licher Beschluss und besteht keine Verfah­rens­gewalt, muss der Festge­nommene auf freien Fuß gesetzt werden. In absoluten Notfällen kann der Verhaftete auch für 48 Stunden festge­halten werden.

Vorläufige Festnahme? Namen nennen ist Pflicht

Egal wo man sich in Deutschland aufhält – es gibt immer Rechte und Pflichten. Das gilt auch für die Gewahr­samszelle auf dem Polizei­revier. Der Verhaftete ist im Grunde aber nur zu einer Sache verpflichtet: „Wer sich in Polizei­ge­wahrsam befindet, hat lediglich die Pflicht, Angaben zu seiner Person zu machen“, sagt Strafrechts­expertin Landgraf. Das bedeute, seinen Namen, sein Geburtsdatum und seine Adresse anzugeben.

Polizei­ge­wahrsam: Das sind Ihre Rechte

Mit Blick auf die Rechte sind drei Aspekte besonders wichtig:

1) Das Recht zu schweigen

Verdächtige haben das Recht, bei der Polizei die Aussage zu verweigern. „Nichts zu sagen wird in Deutschland weder positiv noch negativ bewertet. Im Gewahrsam ist Schweigen aber meistens Gold“, erklärt Rechts­an­wältin Landgraf. Manch ein Festge­nommener würde sich aus Nervosität selbst belasten oder sich in Widersprüche verstricken, die später einen Nachteil ergeben könnten. Strafver­teidiger rieten deshalb in solchen Fällen, lieber nichts zu sagen.

2) Das Recht, einen Anwalt anzurufen

Apropos Anwalt: Wer in Polizei­ge­wahrsam sitzt, hat das Recht einen Strafver­teidiger zu kontak­tieren. Der DAV bietet für jede Stadt einen Strafver­tei­di­ger­not­dienst. Wer einen Anwalt braucht, erreicht darüber einen Experten – das ganze Jahr hindurch und rund um die Uhr.

3) Das Recht, einen Angehörigen zu kontak­tieren

„Wen sollen wir kontak­tieren?“, fragen die Polizisten in der Regel den Festge­nommenen. Wer vorläufig festge­nommen ist, darf einen Angehörigen darüber informieren beziehungsweise informieren lassen, wo er sich aufhält. Das können zum Beispiel die Eltern sein oder der Ehepartner.

In Gewahrsam beim Ordnungsamt

Theoretisch darf nicht nur die Polizei Menschen in Gewahrsam nehmen, sondern auch das Ordnungsamt. Wie weit die Befugnisse der Ordnungs­be­hörden gehen, hängt jedoch von der Kommune ab. Rechts­an­wältin Landgraf zufolge ist es in München bislang kaum vorgekommen, dass das Ordnungsamt jemanden in Gewahrsam genommen hat. Die Ordnungs­beamten sind dort unter anderem für Bußgeld­be­scheide bei Ordnungs­wid­rig­keiten zuständig. Sobald es in den strafrecht­lichen Bereich hineingeht, wird die Polizei hinzugezogen.

In Köln ist das ähnlich. Dort ist das Ordnungsamt an manchen Tagen zwar bis nachts besetzt und kann zum Beispiel bei Ruhestö­rungen einschreiten. Sobald aber zum Beispiel die Lage eskaliert, rufen die Beamten die Polizei. Nur wenige Ordnungsämter haben die räumlichen Kapazitäten und entsprechend geschultes Personal, um Menschen in Gewahrsam zu nehmen. In der Praxis bedeutet Gewahrsam also meist Polizei­ge­wahrsam.

Datum
Aktualisiert am
24.05.2016
Autor
vhe
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Themen
Anwalt Fahndung Name Polizei Verdacht

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