Anwältin/Anwalt suchen!

Merkzettel

Es befinden sich noch keine Anwälte in Ihrer Merkliste.

Strafen

Kreative Urteile: Welche Möglich­keiten haben Richter?

Richter in Deutschland sind an das Strafgesetzbuch gebunden. © Quelle: kzenon/panthermedia.net

Sie müssen sich mit Schildern an die Straße stellen, Särge in der Wohnung platzieren oder sich von ihren Opfern bestehlen lassen – Straftäter in den USA werden hin und wieder zu für europäisches Verständnis unkonven­tio­nellen Strafen verurteilt. Richter geben ihnen damit teilweise die Möglichkeit, einer Haftstrafe zu entgehen beziehungsweise diese zu reduzieren. Auch hierzulande haben Richter einen gewissen Freiraum, wenn es um das Strafmaß geht. Sind solche unkonven­tio­nellen Strafen auch in Deutschland möglich?

Welches Vergehen wie bestraft wird, regelt in Deutschland das Strafge­setzbuch (StGB). Es gibt für jede Straftat einen Rahmen vor, zum Beispiel „in besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheits­strafe nicht unter zwei Jahren.“ Richter müssen sich daran orientieren. Mit dem Strafrecht soll der Rechts­frieden in Deutschland aufrecht­erhalten werden. Das heißt: Straftäter sollen angemessen bestraft werden – auch als Abschreckung für weitere potenzielle Straftäter.

Pranger­strafen und „Auge um Auge“: in Deutschland verboten

Sogenannte Pranger­strafen sind im Strafge­setzbuch nicht vorgesehen, sie sind in Deutschland verboten. Es kann also kein Richter jemanden zwingen, sich mit einem Schild, auf dem er sich als Straftäter outet, an eine Straße zu stellen. „Hintergrund ist, dass es für Straftäter auch möglich sein soll, sich nach Ableisten der Strafe zu rehabi­li­tieren und danach unbelastet weiter­zuleben“, erklärt Stefan Caspari, Richter am Landgericht Dessau und Mitglied der Strafrechts­kom­mission des Deutschen Richter­bundes (DRB). „Das ist schwierig, wenn sie im wahrsten Sinne des Wortes öffentlich angeprangert werden.“

Ebenfalls bekannt aus den USA: Strafen, die scheinbar auf ausglei­chende Gerech­tigkeit abzielen und Straftäter zur Einsicht zwingen sollen. So erlaubte ein Richter Opfern von Raubüber­fällen, sich aus der Wohnung des Täters Gegenstände zu nehmen, die den gleichen Wert wie das Diebesgut hatten. Was auf den ersten Blick, gerecht scheinen mag, ist hierzulande nicht gestattet. Richter Caspari informiert: „Niemand kann als Strafe dazu verurteilt werden, einen Schaden wieder gutzumachen.“

Abschre­ckende Maßnahmen sind in Deutschland auch nicht erlaubt – zum Beispiel ein Sarg, den sich ein Drogen­ab­hängiger in seine Wohnung stellen muss, damit er nicht rückfällig wird. In den USA wurde ein Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen, weil er eben dieser Maßnahme zustimmte.

Jugend­strafrecht erlaubt Spielräume

Bei jugend­lichen Straftätern haben Richter kleine Spielräume, Strafen an die Vergehen der Täter anzupassen. „Unkonven­tionelle und kreative Urteile, die thematisch mit der Straftat in Verbindung stehen, sind nur im Jugend­strafrecht in gewissem Maße möglich“, erklärt Stefan Caspari. „So kann man einem jugend­lichen Straftäter zum Beispiel auftragen, dem Opfer einen Entschul­di­gungsbrief zu schreiben.“

Auflagen und Weisungen ermöglichen Kreativität

Das Erwach­se­nen­strafrecht sieht so etwas nicht vor. Möglich sind Geldstrafen oder Haftstrafen. Schreibt das Strafrecht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren vor, kann diese auf Bewährung ausgesetzt werden. Und hier eröffnen sich für Richter Möglich­keiten, den Straftäter mit unkonven­tio­nellen Tätigkeiten zur Einsicht zu bewegen.

„Entscheidet sich der Richter, eine Strafe zur Bewährung auszusetzen , kann er den Bewährungs­be­schluss mit Auflagen und Weisungen spicken“, erklärt Michaela Landgraf, Anwältin für Strafrecht und Vorstands­mitglied des Münchner Anwalt­vereins . „Hier ist Raum für kreative Maßnahmen, die thematisch mit der Straftat in Verbindung stehen.“

Auflagen zur Wieder­gut­machung

„Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen“, schreibt §56b Strafge­setzbuch vor. Demnach kann ein Richter dem Verurteilten zum Beispiel auferlegen, an eine soziale Einrichtung zu spenden, die sich für Opfer einer Straftat einsetzt. Das kann bei einer Verurteilung wegen sexueller Belästigung zum Beispiel ein Frauenhaus sein. Dem Verurteilten kann auch auferlegt werden, gemein­nützigen Leistungen zu erbringen – die berühmten Sozial­stunden.

Es gilt allerdings: Die Auflagen müssen zumutbar sein und zu der Lebens­führung des Verurteilten passen. Ihm kann zum Beispiel kein Sozial­dienst auferlegt werden, der es ihm zeitlich unmöglich macht, seinen Beruf auszuüben. Verboten sind auch Auflagen, die den Täter öffentlich bloßstellen wie die genannten Pranger­strafen.

Weisungen zur Verhin­derung weiterer Straftaten

Weisungen hingegen sollen dem Verurteilten davon abhalten, wieder straffällig zu werden. §56c StGB besagt: „Das Gericht erteilt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Weisungen, wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen.“ Eine Weisung kann darin bestehen, sich regelmäßig bei Gericht oder der Polizei zu melden, von einer bestimmten Person oder Personen­gruppen Abstand zu halten oder regelmäßig Unterhalt zu zahlen.

Bestimmte Weisungen können dem Verurteilten nur auferlegt werden, wenn er zustimmt. Stefan Caspari erklärt: „Dazu zählt die Weisung, sich einer medizi­nischen Behandlung zu unterziehen oder eine Entzie­hungskur zu machen. Sich für eine bestimmte Zeit in ein Heim – zum Beispiel einer psychia­trischen Einrichtung – zu begeben, kann ein Richter einem Straftäter ebenfalls nur auferlegen, wenn dieser einver­standen ist.“

Wahl zwischen Wieder­gut­machung und Haft nicht möglich

Ob eine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht und wie lange die Strafe ist, entscheidet also der Richter. Gleiches gilt für Auflagen und Weisungen, die mit einer Bewährungs­strafe einhergehen. „Zwischen einer Haftstrafe und einer Bewährungs­strafe mit Auflage zu wählen, geht in Deutschland nicht“, informiert der DRB-Strafrechts­experte. „Eine Haftstrafe kann auch nicht reduziert werden, wenn man bestimmte Maßnahmen zur Wieder­gut­machung unternimmt. Das ist, wenn überhaupt, nur durch gute Führung möglich.“ Wenn der Verurteilte jedoch während der Zeit seiner Bewährung wieder straffällig wird oder seine Auflagen verletzt, drohe ihm eine Haftstrafe.

Einsicht zeigen im Täter-Opfer-Ausgleich

Verurteilte Straftäter, die ihre Tat nachträglich bereuen, können an einem Täter-Opfer-Ausgleich teilnehmen und so die Wahrschein­lichkeit erhöhen, eine geringere Strafe zu erhalten. Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist auch noch zwischen erster und zweiter Instanz möglich, wenn also bereits eine Verurteilung erfolgt ist und dagegen Berufung eingelegt wurde.

Dabei vermittelt ein neutraler Schlichter zwischen Tätern und Opfern. Schlichter sind in der Regel speziell geschulte Mediatoren. Ziel ist, dass beide Seiten einen Ausgleich erreichen. Das kann eine materielle Entschä­digung oder eine Entschul­digung sein.

Rechts­an­wältin Landgraf weist jedoch darauf hin: „Die Täter haben so die Möglichkeit zu zeigen, dass sie das Unrecht ihrer Tat eingesehen haben. Wichtig ist jedoch: Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist nur möglich, wenn auch das Opfer dazu bereit ist, und setzt auf Seiten des Täters ein Geständnis voraus.“

Zwischen einer Haftstrafe und einem Täter-Opfer-Ausgleich zu wählen ist ebenfalls nicht möglich. Wie Michaela Landgraf erklärt, kommt es aber vor, dass zu unbedingten Freiheits­strafen verurteilende Richter dem uneinsichtigen Täter im Verfahren andeuten, bei der Teilnahme an einem solchen Programm wäre im Berufungs­ver­fahren eine Bewährungs­strafe möglich.

„Der Grund ist die Sozial­prognose , also die Wahrschein­lichkeit, dass ein Täter wieder straffällig wird. Sie muss positiv sein, damit eine Gefäng­nis­strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann“, erklärt die Expertin aus München. Rechts­an­wältin Landgraf informiert weiter: „Die Sozial­prognose wird zum Zeitpunkt der jeweiligen Aburteilung getroffen. Zeigt sich also nach einer nicht rechts­kräftig gewordenen Verurteilung zu einer Gefäng­nis­strafe in erster Instanz dann in der zweiten Instanz, dass der Täter sich redlich bemüht hat, das Unrecht seiner Tat wieder gutzumachen, und vielleicht sogar erfolgreich einen Täter-Opfer-Ausgleich abgeschlossen hat, so ist es durchaus möglich, schluss­endlich in der Berufungs­instanz doch noch eine Bewährungs­strafe zu erhalten.“

Datum
Aktualisiert am
27.08.2015
Autor
vhe
Bewertungen
3282 1
Themen
Gericht Haft Jugend­strafe Verbrechen Vergehen

Zurück

Anwältin/Anwalt finden!
Wirtschaft
Paket nicht angekommen: Wer haftet für meine Bestellung?
Leben
Unterschrift: Diese Regeln gelten
Beruf
Das Recht von Arbeitnehmern an Feiertagen
Beruf
Elternzeit: Was Sie jetzt wissen müssen
Geld
Rentenbescheid und Rentenauskunft: Was tun bei Fehlern?
zur
Startseite