
Die Abgeordneten des Bundestages sind laut Artikel 38 des Grundgesetzes „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Der Bezug auf das „ganze Volk“ - also nicht auf einen bestimmten Wahlkreis, eine Partei oder Fraktion - begründet das freie Mandat.
Doch ist der Abgeordnete auch Vertreter einer Partei, über die er in der Regel sein Mandat erhält. Ein Imperatives Mandat aber, das seine Rechte den Interessen von Partei oder Lobbygruppen unterordnet, lässt das Grundgesetz nicht zu.
Das freie Mandat bedeutet allerdings nicht, dass Abgeordnete ohne Rücksicht auf Partei oder Fraktion abstimmen können. Es wird zwar jede Art von Fraktionszwang abgelehnt, nicht aber die Fraktionsdisziplin. So werden die Rechte der Abgeordneten durch die Geschäftsordnungen der Fraktionen begrenzt - auch um die Handlungsfähigkeit des Parlaments sicherzustellen.
Die Fraktionsgeschäftsordnungen lassen das Abweichen von der Fraktionsmehrheit bei der Stimmabgabe aber grundsätzlich zu. Abweichler können nach Ansicht von Verfassungsrechtlern dennoch sogar aus Partei und Fraktion ausgeschlossen werden, wenn sie der Gemeinschaft als nicht mehr zumutbar erscheinen, verlieren aber keinesfalls ihr Mandat.
In die Schlagzeilen gerät der Fraktionszwang häufig erst, wenn er aufgehoben wird. Bereits bei der Reform des Abtreibungsrechts 1974 nahmen die Fraktionsführungen von den Mehrheitsmeinungen abweichende Gesetzentwürfe hin. Auch beim neuen Transplantationsgesetz von 1997 war die Abstimmung freigegeben, ebenso 2011 bei der Abstimmung über die ethisch heikle Frage der Präimplantationsdiagnostik (PID). Genauso wird es auch im kommenden Herbst bei der gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe sein.
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- dpa/red