
Es war ein legendärer Ausruf der DDR-Freiheitsbewegung: Ende der Achtzigerjahre erschallte es aus den Innenstädten Ostdeutschlands lautstark: „Wir sind das Volk!“ Seit gut einem Jahr ist die Parole wieder zu hören, diesmal vor allem auf Kundgebungen der Islamkritiker von „Pegida“. Auch Anhänger der AfD skandieren sie auf öffentlichen Veranstaltungen gerne.
Damit könnte es jetzt vorbei sein: Denn der Ausspruch war seit einigen Wochen Gegenstand einer Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Dresden. Die Entscheidung der Richter kann dabei weitreichende Folgen haben.
Vom Werbeslogan zur Politparole
Der niedersächsische Fleischwarenproduzent Dassfolck, ein Familien- und Traditionsunternehmen aus den Schaumburger Land, hatte 1967 eine Werbekampagne mit dem Slogan „Wir sind Dassfolck!“ durchgeführt. Nach dem Ausscheiden des Vater Karl aus dem Betrieb, hatte Sohn Erik Dassfolck die Leitung des Unternehmens Ende 2012 übernommen – und beim Prüfen von Geschäftsunterlagen erst Anfang 2015 entdeckt, dass sein Vater den Werbeslogan im Zuge der damaligen Kampagne urheberrechtlich schützen ließ. Die endgültige Anerkennung als markenrechtlich geschützter Slogan klagte die Firma nach dem Fund ein – und bekam Recht (AZ: 4 F D 0817/93).
Konflikt zwischen Markenrecht und Urheberrecht
Unter anderem galt es vor Gericht festzustellen, ob der in den Sechzigerjahren urheberrechtlich geschützte Begriff auch Schutz durch das Markenrecht genießt. Dieses war in seiner aktuellen Form erst Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland in Kraft getreten. Auch hatte Dassfolck den Slogan damals nicht in das Markenregister eintragen lassen. Das Gericht entschied trotzdem zugunsten des Unternehmens und sprach Dasfolck die vollständigen Markenrechte an dem Ausspruch zu.
„Ein Werbespruch kann auch ohne Eintrag ins Register Markenschutz genießen. Ohne Eintrag ist allerdings das Risiko höher, dass Gerichte den markenrechtlichen Schutz eines Slogans im Zweifelsfall nicht anerkennen,“ erklärt Rechtsanwalt Dr. Gerhard Lundegaard von der Arbeitsgemeinschaft Markenrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Dass Dassfolck diesen Eintrag versäumt hat, hat den Prozess in die Länge gezogen.“
Überraschendes Urteil: Schreibweise nicht entscheidend
Eine weitere Streitfrage in der Verhandlung drehte sich darum, inwieweit die Verwendung abweichender Schreibweisen des Slogans unterlassungspflichtig ist. Hier zeigt sich Urheberrechtsexperte Lundegaard von der Entscheidung des Gerichts überrascht: „Normalerweise sind die Entscheidungen in diesem Bereich auf richterlicher Seite eher strikt.“ Das Urteil stellt allerdings klar, dass bei der Abweichung „Wir sind das Volk“ ebenfalls das Markenrecht greift. Auch wenn die Schreibweise unterschiedlich ist, „die Verwechslungsgefahr ist gegeben“, heißt es in dem Urteil. Zumal die Anhänger der beiden Gruppierungen „erhebliche Probleme“ mit der Rechtschreibung hätten und den Unterschied nicht erkennen würden, so die Richter.
Im politischen Kontext kann ein Unternehmen sich auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts berufen. Das sogenannte Unternehmenspersönlichkeitsrecht wird nach aktueller Rechtsprechung durch § 823 Abs. 1 BGB abgedeckt. Bei der Verwendung von Aussprüchen und Slogans ist ein Verbot zwar eher selten, dass Musiker die Verwendung ihrer Lieder bei politischen Kundgebungen verbieten, kommt immer wieder vor. Die AfD hatte vor kurzem selbst Erfahrung in diesem Bereich gesammelt, nachdem die Musiker Paul van Dyk und Peter Heppner der Partei die Verwendung ihrer Lieder bei Veranstaltungen untersagten. Ähnlich scheint sich auch im Fall Dassfolck abzuzeichnen.
Nach dem Urteil: Konsequenzen bei weiterer Verwendung
Grundsätzlich gilt: Eine Marke und deren Nutzung steht ausschließlich ihrem Inhaber zu. Ohne Zustimmung des Markeninhabers dürfen Dritte die Marke nicht für geschützte Waren oder Dienstleistungen verwenden. Wird der Ausspruch bei einer politischen Kundgebung künftig also verwendet, etwa in Form von Plakaten oder als Teil einer angemeldeten, öffentlichen Rede, ist das ebenfalls genehmigungspflichtig. Wer juristisch auf der sicheren Seite bleiben möchte, für den gilt:
1) Kein Abdruck auf politischen Plakaten oder Kleidung ohne Genehmigung
Die mündliche Verwendung des Ausrufes „Wir sind das Volk“ hat keine rechtlichen Konsequenzen, solange die Verwendung klar als private Äußerung zu verstehen ist. Wird der Spruch im Rahmen einer öffentlichen politischen Rede geäußert, ist er allerdings genehmigungspflichtig
2) Keine Verwendung bei politischen oder kommerziellen Projekten ohne Erlaubnis des Rechteinhabers
Wer Profit aus einer Marke schlagen möchte, die ihm nicht gehört, riskiert Abmahnungen. Der Markeninhaber hat bei Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch, der notfalls auch auf dem gerichtlichen Weg eingefordert werden kann.
Im Fall Dassfolck zeigte sich das Unternehmen nach dem Prozess in einer Stellungnahme allerdings versöhnlich. Man werde „gerne jede ernstzunehmende Anfrage zur Verwendung unserer geschützten Werbeslogans prüfen und gegebenenfalls auch unentgeltlich erlauben, insofern die Verwendung unseren eigenen politischen und ethischen Standards entspricht.“
- Datum
- Aktualisiert am
- 01.04.2016
- Autor
- red