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Direkte Demokratie

Wie verbindlich sind Volksent­scheide?

Bis die Bürger abstimmen dürfen, muss ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen werden. © Quelle: J.Patrik Fischer/Wikipedia, CC BY-SA 3.0

Mit Volks- und Bürger­ent­scheiden können die Bürger verhindern, dass Flughäfen erweitert oder Seilbahnen gebaut werden. Aber wie lange sind solche Entschei­dungen eigentlich gültig?

Die Bürger von Hamburg-Mitte haben am Sonntag entschieden: Sie wollen keine Seilbahn über die Elbe. In einem Bürger­ent­scheid haben sich die Gegner des Projektes durchgesetzt. Im Abstimmen haben die Hamburger eine gewisse Routine, auch auf Landesebene. Laut Angaben des Vereins „Mehr Demokratie“ kam es seit 1946 in dem Stadtstaat zu sieben Volksent­scheiden – den meisten im deutsch­land­weiten Vergleich. In Ländern wie Rheinland-Pfalz und Hessen kam dieses Instrument noch nie zur Anwendung.

Keine Volksab­stim­mungen auf Bundesebene

Die Ursache dafür liegt auch darin, dass für direkte Demokratie in Deutschland die Bundes­länder zuständig sind. Volksab­stim­mungen auf Bundesebene, wie man sie zum Beispiel aus der Schweiz kennt, sind in Deutschland nicht möglich. Das Grundgesetz sieht länder­über­greifende Volksab­stim­mungen ausschließlich für Fragen zur Neuglie­derung des Bundes­ge­bietes vor – also zum Beispiel bei der Fusion von Bundes­ländern.

Auf Landesebene sind direkte Entschei­dungen der Bürger zwar vorgesehen, die Verfahren unterscheiden sich aber erheblich. „Die Regelungen zu Volksent­scheiden sind ein typisches Beispiel für den deutschen Födera­lismus“, sagt Rechts­anwalt Robert Hotstegs vom Deutschen Anwalt­verein (DAV), der selbst zahlreiche Bürger­initiativen berät. „Insgesamt gibt es 17 unterschiedliche Systeme – alleine das Land Bremen leistet sich zwei verschiedene“, so Hotstegs.

Neben Verfahren, bei denen lediglich die Meinung des Volkes eingeholt wird, sind in allen Bundes­ländern auch Volksent­scheide vorgesehen, die politische Entschei­dungskraft haben – allerdings nur zu bestimmten Themen. Fragen über den Finanz­haushalt der Länder sind beispielsweise in der Regel ausgeschlossen.

Der Volksent­scheid ist in jedem Bundesland anders

Bevor die Bürger an die Wahlurne gerufen werden, müssen Initiativen in der Regel einen weiten Weg zurücklegen. Vor einem Entscheid steht ein mehrstufiges Verfahren, in dem Unterschriften gesammelt werden müssen und zum Teil auch das Landes­par­lament befragt wird. Die Hürde, um eine Entscheidung des Volkes zu erzwingen, ist dabei unterschiedlich hoch. Wo in Brandenburg 3,9 Prozent der Unterschriften der wahlbe­rech­tigten Bevölkerung ausreichen, sind in Hessen 20 Prozent erforderlich. Während Bürger­initiativen in Sachsen-Anhalt sechs Monate Zeit zur freien Sammlung der Unterschriften haben, müssen sich die Bürger in Bayern innerhalb von 14 Tagen in einer Amtsstube in die Listen eintragen.

Auch auf kommunaler Ebene, also in den einzelnen Städten und Gemeinden, sind direkte Entschei­dungen der Bürger zu Sachfragen in allen Ländern vorgesehen – meist unter dem Namen Bürger­ent­scheid. Dazu zählt auch die Hamburger Seilbahn-Entscheidung, die ausschließlich im Bezirk Hamburg-Mitte und nicht im ganzen Bundesland abgehalten wurde. Die Regeln für Bürger­ent­scheide ähneln denen von Volksent­scheiden auf Landesebene, allerdings sind die Hürden in der Regel niedriger. So reichen beispielsweise in München die Unterschriften von drei Prozent der Bevölkerung, um einen Bürger­ent­scheid anzube­raumen.

Entschei­dungen der Bürger sind nicht ewig gültig

Die Instrumente direkter Mitbestimmung der Bürger sind also vorhanden. Aber welche Konsequenzen hat es überhaupt, wenn das Volk eine politische Entscheidung erzwingt oder ablehnt? Muss beispielweise das Tempelhofer Feld in Berlin auf ewige Zeiten eine grüne Wiese bleiben, weil die Bürger entschieden haben, dass es nicht bebaut werden soll?

„Die Ergebnisse von Volksent­scheiden sind in der Regel Entschei­dungen des Landes­par­laments gleich­ge­stellt“, sagt Rechts­anwalt Hotstegs vom Deutschen Anwalt­verein.

Das bedeutet, dass sie einen gesetzlich genau so bindenden Charakter haben. Und wie Gesetze später verändert werden können, sind auch Volksent­scheide nicht immer unbeschränkt gültig. „Eine unbegrenzte Gültigkeit wäre auch mit der Verfassung nicht vereinbar, Volk und Parlament müssen schließlich auf neue Entwick­lungen reagieren können“, sagt Rechts­anwalt Robert Hotstegs. Und so sehen die Bundes­länder Regelungen vor, nach denen die Parlamente Volksent­scheide auch aufheben können. In manchen Ländern sogar ohne das Volk erneut daran zu beteiligen. In der Vergan­genheit kam es schon häufiger dazu, dass Landes­par­lamente Entschei­dungen der Bürger wieder kassierten. So stimmte beispielweise die Mehrheit der Schleswig-Holsteiner 1998 gegen die Einführung der neuen Rechtschreibung. Weniger als ein Jahr später beschloss der Landtag das Gegenteil.

Fristen bei Bürger­ent­scheiden

Auch Bürger­ent­scheide in Städten und Gemeinden haben in der Regel die gleiche Wirkung wie Entschei­dungen des Rates. Allerdings gibt es in vielen Bundes­ländern Fristen, innerhalb derer der Rat das Ergebnis des Entscheides nicht abändern darf. In Rheinland-Pfalz beträgt diese Frist beispielsweise drei Jahre, in Bayern nur ein Jahr. Innerhalb dieser Frist müsste der Rat einen neuen Bürger­ent­scheid anberaumen. Als die Münchner Bürger im Jahr 2012 entschieden, dass am Flughafen keine dritte Startbahn gebaut werden soll, hätte der Stadtrat also nur ein Jahr später beschließen können, sie trotzdem zu bauen.

In den meisten Fällen respektiert die Politik jedoch die Entscheidung des Volkes und trifft keine gegenteiligen Entschei­dungen, so auch in München. Häufig findet aber eine Einflussnahme auf anderem Weg statt. So wurde beispielsweise der Berliner Volksent­scheid über den Rückkauf des Stromnetzes im Jahr 2013 vom Senat so terminiert, dass er nicht gemeinsam mit der Bundes­tagswahl sondern wenige Wochen später stattfand. Die Wahlbe­tei­ligung war entsprechend geringer. Am Ende fehlten für einen erfolg­reichen Entscheid 21.000 Stimmen.

Datum
Aktualisiert am
29.08.2014
Autor
pst
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Themen
Politik

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