Immer mehr Menschen in Deutschland sind verschuldet. Gerade wer wenig Geld hat, braucht häufig anwaltlichen Beistand, um seine Rechte durchzusetzen. Der Staat gewährt finanziell schwachen Menschen deshalb rechtliche Hilfen – eine Übersicht.
Anwaltsgebühren sind transparent
Dabei sind die Kosten für qualifizierte rechtliche Beratung durch eine Anwältin oder einen Anwalt keineswegs unkalkulierbar, im Gegenteil: Die anwaltliche Tätigkeit wird nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bezahlt, sofern nichts anderes vereinbart wird. Je nachdem, ob der Streit vor Gericht landet oder nicht, fallen unterschiedliche Gebühren an.
- Wenn der Rechtsanwalt Sie außergerichtlich vertritt, berechnet er eine Geschäftsgebühr.
- Bei einer Einigung (Vergleich) fällt zusätzlich eine Einigungsgebühr an.
- Wenn der Streit vor Gericht geht, verlangt der Rechtsanwalt eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr
Achtung: Wenn der Anwalt schon eine Geschäftsgebühr berechnet hat, darf er – sobald der Fall vor Gericht geht – nicht mehr die komplette Verfahrensgebühr verlangen.
Tipp: Wer zum Anwalt geht, sollte gleich zu Beginn der ersten Beratung nach den voraussichtlichen Kosten fragen.
Anwaltsgebühren bei der Erstberatung
Für die erste Beratung gelten besondere Regeln. Ein erstes Beratungsgespräch darf höchstens 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und Auslagen kosten. Sie erhalten dabei eine mündliche pauschale, überschlägige Einstiegsberatung für eine erste rechtliche Orientierung. Das gilt, wenn der Rechtssuchende ein Verbraucher ist, also wenn es in der Beratung keine Rechtsfragen betrifft, die einer gewerblichen oder einer selbständigen beruflichen Tätigkeit des Mandanten zuzuordnen sind.
Bei weiteren Beratungsterminen oder für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens für Verbraucher, beträgt die Rechtsanwaltsgebühr höchstens 250 Euro plus Mehrwertsteuer und Auslagen.
Ausnahme: Die Anwaltskosten können höher sein, wenn Sie als Mandant mit dem Rechtsanwalt eine Vergütungsvereinbarung getroffen haben. Das geht aber natürlich nur mit Ihrer Zustimmung.
So werden Anwaltskosten berechnet: Der Gegenstandswert
Im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist genau bestimmt, wie viel ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit nach dem Gesetz verlangen darf. Die Anwaltsgebühr richtet sich nach dem Gegenstandswert (vor Gericht auch Streitwert genannt). Der Gegenstandswert ist die Geldsumme, um die in Ihrem Fall gestritten wird.
Beispiel: Ihr Arbeitgeber hat Ihnen wegen eines Fehlers der Buchhaltung seit zwei Monaten kein Gehalt gezahlt. Ihr Gehalt beträgt 2.700 Euro/Monat brutto. Sie wollen beide Monate gezahlt bekommen. Der Gegenstandswert liegt also bei 5.400 Euro (2 x 2.700).
Dass die Anwaltsgebühr sich nach dem Gegenstandswert richtet, heißt aber nicht, dass Ihr Anwalt von Ihnen 5.400 Euro verlangen darf. Es gibt eine Tabelle, anhand derer man die Gebühr anteilig nach dem Gegenstandswert errechnen kann. So ist zum Beispiel bestimmt, dass bis zu einem Gegenstandswert von 500 Euro, die einfache Anwaltsgebühr 49 Euro beträgt. Bei höherem Gegenstandswert steigen die Kosten anteilig. Wenn der Streit vor Gericht geht, kommen weitere Gebühren hinzu. Außerdem gibt es eine Pauschale für Post- und Telekommunikationsgebühren.
Achtung: Üblicherweise rechnet ein Rechtsanwalt nicht mit dem Faktor 1 der RVG-Gebühr, sondern außergerichtlich mit dem Faktor 1,3. Das kommt daher, dass er auf diese Weise zusätzliche Arbeiten abdeckt, wie etwa das Verfassen von Schriftsätzen an den gegnerischen Anwalt. Im Gesetz ist bestimmt, dass der Anwalt nach seinem Ermessen je nach Umfang und Schwierigkeit der Sache einen Faktor zwischen 0,5 und 2,5 der einfachen Gebühr anwenden darf.
Beispiel: Zur Verdeutlichung führen wir das obere Beispiel weiter.
Gegenstandswert: 5.400 Euro
- RVG-Gebühr: 390 Euro
- außergerichtliche Geschäftsgebühr mit dem Faktor 1,3: = 507 Euro
- Post- und Telekommunikationspauschale: 20 Euro
- Umsatzsteuer: 100,13 Euro
Gesamt: 627,13 Euro
Für eine außergerichtliche Vertretung müssten Sie im Beispielfall also bei einem durchschnittlichen Fall mit 627 Euro Anwaltsgebühren rechnen. Doch wie sieht es aus, wenn der Fall vor Gericht geht?
- Verfahrensgebühr: 627 Euro
- Abzüglich der hälftigen Geschäftsgebühr: -253,50 Euro
- Terminsgebühr: 468 Euro
- Post- und Telekommunikationspauschale: 20 Euro
- Umsatzsteuer: 140,89 Euro
Gesamt: 882,39 Euro
Wenn der Fall vor Gericht geht, müssten Sie also für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung mit insgesamt 1.509,52 Euro Anwaltskosten rechnen.
Tipp: Im Netz gibt es viele kostenlose RVG-Rechner, die Sie nutzen können, um die Kosten für einen Rechtsstreit abzuschätzen.
Die Einigungsgebühr
Nicht jeder Streit kommt vor Gericht. Wenn der Rechtsanwalt für Sie eine außergerichtliche Einigung (Vergleich) erzielt, kann er eine Einigungsgebühr berechnen. Die Einigungsgebühr ist so hoch wie die RVG-Gebühr mit dem Faktor 1,5 multipliziert. Wenn der Gegenstandswert zum Beispiel 500 Euro beträgt, ist die RVG-Gebühr auf 49 Euro festgelegt. Die Einigungsgebühr beträgt dann 73,50 Euro (49 x 1,5).
Darf der Anwalt einen Vorschuss verlangen?
Ja, das ist möglich. Grundsätzlich wird die Anwaltsgebühr zwar erst fällig, wenn der Anwalt den Auftrag erfüllt hat. Es ist aber auch zulässig, wenn der Anwalt einen angemessenen Vorschuss verlangt um sein unternehmerisches Kostenrisiko einzudämmen. Wenn der Vorschuss höher war als die tatsächlichen Anwaltskosten, muss der Rechtsanwalt natürlich den Überschuss an den Mandanten zurückbezahlen.
Strafrecht: So viel kostet ein Strafverteidiger
Im oberen Beispiel ging es um Streitigkeiten im Zivilrecht. Doch wie viel kostet ein Anwalt im Strafrecht? Grundsätzlich ist auch die Vergütung eines Strafverteidigers gesetzlich geregelt. Allerdings gibt es im Strafrecht häufiger Vergütungsvereinbarungen, weil der Arbeitsaufwand im Strafverfahren für Anwältinnen und Anwälte in der Regel besonders hoch ist.
Wenn keine Honorarvereinbarung getroffen wurde, greift das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Hier gibt es für Strafverteidigung einen gesetzlichen Vergütungsrahmen, der von einer Mindestgebühr bis zu einer Höchstgebühr reicht, abhängig von Umfang und Schwierigkeit. Ähnlich wie bei Zivilsachen steigen auch im Strafrecht die Kosten, wenn der Fall vor Gericht geht. So gibt es eine Verfahrensgebühr im Ermittlungsverfahren (vor der Gerichtsverhandlung) und eine Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren. Dazu kommt auch im Strafrecht eine Terminsgebühr.
Wichtig: Wenn im Strafverfahren ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, berechnet sich die Gebühr laut RVG anders als bei einem Wahlverteidiger. Der Pflichtverteidiger wird zunächst aus der Staatskasse vergütet. Im Falle einer Verurteilung muss der Angeklagte die Gebühren aber an den Staat zurückzahlen.
Hilfen für Menschen mit geringem Vermögen
Ein elementarer Bestandteil des Rechtsstaates ist, dass jeder Bürger unabhängig von seinen Vermögensverhältnissen die Chance hat, seine Rechte durchzusetzen – dafür ist anwaltliche Beratung unerlässlich. Der Staat räumt Menschen mit niedrigem Einkommen und Vermögen deshalb Hilfen ein, wenn Sie einen Anwalt benötigen: die Beratungs- und Prozesskostenhilfe.
Beratungshilfe: Unterstützung für außergerichtliche Beratung und Vertretung
Die Beratungshilfe ermöglicht Menschen mit geringen finanziellen Mitteln eine außergerichtliche Beratung und Vertretung durch einen Anwalt oder eine Anwältin ihrer Wahl, zum Beispiel bei Streitigkeiten mit dem Vermieter. Dafür brauchen Sie einen Beratungshilfeschein.
Wie kann ein Beratungshilfeschein beantragt werden?
Der Antrag auf Beratungshilfe wird beim zuständigen Amtsgericht gestellt - mündlich oder schriftlich. Wichtig ist dabei: Der Ratsuchende muss alle Unterlagen mitbringen, mit denen er beweisen kann, dass er die Kosten für den Rechtsbeistand nicht aus eigener Tasche zahlen kann. Das sind Belege über Einkommens- und Vermögensverhältnisse und ein Formular, das auf der Website jedes Amtsgerichts heruntergeladen werden kann. Auch Unterlagen zum rechtlichen Problem sollten mitgebracht werden.
Wichtig: Der Antrag kann auch nachträglich - innerhalb von vier Wochen nach Beginn der Beratungstätigkeit - gestellt werden. Dies birgt jedoch das Risiko, dass der Ratsuchende bei Ablehnung unter Umständen eine Vergütung nach den gesetzlichen Vorschriften zahlen muss.
Wenn das Gericht positiv entscheidet, stellt es einen Beratungshilfeschein aus, mit dem Sie zum Anwalt oder zur Anwältin gehen können. Dieser darf dann nur 15 Euro von Ihnen fordern. Das Gericht kann den Beratungshilfeantrag auch ablehnen, wenn es andere Möglichkeiten der Hilfe gibt oder die Inanspruchnahme mutwillig erscheint.
Hamburg oder Bremen: Hier gelten Sonderregeln
Beratungshilfe kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Wohnsitz in Hamburg oder Bremen liegt. Dort gibt es für die Hilfe andere Stellen: in Hamburg die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle und in Bremen der Bremische Anwaltsverein und die Arbeitnehmerkammer.
Prozesskostenhilfe: Finanzielle Unterstützung für Gerichtsverfahren
Die Prozesskostenhilfe sichert ihnen, etwa bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber, die Hilfe eines Rechtsanwalts bei der Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht. Die Vergütung des Anwalts entfällt entweder ganz oder kann ratenweise abgezahlt werden. Das gilt auch für die Gerichtskosten.
Wie beantragt man Prozesskostenhilfe?
Prozesskostenhilfe muss beim Prozessgericht beantragt werden, also bei dem Gericht, bei dem der Prozess geführt wird. Die Entscheidung, ob Prozesskotenhilfe bewilligt wird, trifft immer das Gericht. Die Kosten können unter Umständen auch nachgefordert werden – allerdings nur, wenn sich die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers bessern. Häufig kann Ihnen ihr Anwalt bei der Beantragung behilflich sein.
Wichtig: Prozesskostenhilfe sollte immer rechtzeitig geltend gemacht werden – denn rückwirkend kann sie nicht gebilligt werden.
Was deckt die Prozesskostenhilfe ab?
Die Prozesskostenhilfe kann für Gerichtskosten in Zivil-, Verwaltungs-, Sozial-, oder Arbeitsrechtsfällen aufkommen. Auch im Familienrecht gibt es staatliche Hilfe, die aber Verfahrenskostenhilfe genannt wird. Abgedeckt sind die Kosten für das Verfahren, also die Gerichtskosten und die (gesetzlichen) Kosten für den eigenen Rechtsanwalt.
Wer hat einen Anspruch?
Ob ein Anspruch auf Beratungs- und Prozesskostenhilfe besteht, richtet sich nach dem persönlichen Einkommen und Vermögen. Beim Besuch eines Anwalts oder einer Anwältin sollten deshalb alle notwendigen Unterlagen wie Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Mietvertrag, Kontoauszüge etc. mitgebracht werden. Der Rechtsanwalt kann dann ggf. prüfen, ob Beratungs- oder Prozesskostenhilfe in Betracht kommt. Die Entscheidung trifft allerdings das jeweilige Gericht. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe kann nach den Regelungen in der Zivilprozessordnung (ZPO) berechnet werden. Er hängt von Einkommen, Vermögen und von den voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreits ab.
Fall gewonnen: Wer muss bezahlen?
Bei einem zivilrechtlichen Verfahren, das vor Gericht verhandelt wird, muss der Verlierer grundsätzlich die Kosten tragen. Wenn Sie Ihren Fall also gewonnen haben, muss der Gegner auch Ihre Anwaltskosten übernehmen. Sie haben dann einen sogenannten Kostenerstattungsanspruch. Das heißt, sie haben Anspruch darauf, dass ihr Gegner Ihnen alle gesetzlichen Anwaltskosten erstattet, die Sie an ihren Anwalt bezahlt haben. Diesen Anspruch können Sie sogar im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen.
Wichtig: Der Gegner wird nur zur Erstattung der gesetzlichen Kosten verdonnert. Wenn Sie mit Ihrem Rechtsanwalt einen Honorarvertrag, eine sogenannte Vergütungsvereinbarung, geschlossen haben, muss der Gegner nicht die volle Rechnung begleichen, sondern nur die gesetzliche Vergütung.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 03.02.2022
- Autor
- red/dpa