Nach schwierigen Verhandlungen und über vier Monate nach der Bundestagswahl haben sich die Parteiführungen von CDU, CSU und SPD geeinigt. Der Koalitionsvertrag zwischen den drei Parteien umfasst 13 Kapitel auf 177 Seiten - der Vertrag der schwarz-gelben Regierung von 1961 kam mit wenigen Seiten aus und beschränkte sich auf die wichtigsten Themen. Inzwischen ist es aber selbstverständlich, dass die regierungswilligen Parteien das Ergebnis ihrer Verhandlungen ausführlich in Vertragsform festhalten und von ihren Partei- und Fraktionschefs unterschreiben lassen. Aber wie verbindlich sind diese Vereinbarungen wirklich? Die wichtigsten Antworten:
Sind Koalitionsverträge echte Verträge?
Im Grundgesetz werden Koalitionsverträge nicht ausdrücklich erwähnt. Deshalb ist bis heute unter Juristen umstritten, was genau ein Koalitionsvertrag eigentlich ist und ob es sich dabei überhaupt um einen echten Vertrag handelt.
Aus dem Alltag kennt man vor allem privatwirtschaftliche Verträge: Person A kauft von Person B ein Auto. Damit ist ein Koalitionsvertrag nach Meinung der meisten Juristen nicht vergleichbar. Er bezieht sich auf die rechtliche Umsetzung politischer Ziele durch staatliche Organe.
Deshalb betrachten die meisten Rechtsgelehrten Koalitionsverträge als verfassungsrechtliche Verträge, die politisch, aber nicht rechtlich bindend sind. Das bedeutet im Grunde, dass sie nur so lange gültig sind, bis sich die Parteien etwas anderes überlegen. Dafür spricht auch, dass im Koalitionsvertrag ein wichtiger Bestandteil „gewöhnlicher“ Verträge fehlt: Eine Regelung für den Fall, dass eine Partei den Vertrag bricht.
Koalitionsverträge kann man also durchaus als „echte“ Verträge betrachten – allerdings ohne die rechtliche Bindung, die man von alltäglichen Verträgen kennt.
Müssen sich Politiker an den Koalitionsvertrag halten?
Die Parteien verpflichten sich mit dem Koalitionsvertrag, bestimmte politische Entscheidungen durchzuführen. Die Frage ist aber, wer diese Entscheidungen letztlich trifft.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass Parteien, Fraktionen und der Bundeskanzler sich an die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages halten müssen: Gesetzesänderungen – und damit die Umsetzung des Vertrages – werden in Deutschland vom Parlament beschlossen. Die Abgeordneten des Bundestages sind laut Artikel 38 des Grundgesetzes aber nur ihrem Gewissen unterworfen und niemandem sonst. An „Aufträge und Weisungen“ sind sie nicht gebunden.
Deshalb kann ein Abgeordneter auch nicht durch einen Koalitionsvertrag verpflichtet werden, bestimmte Entscheidungen zu treffen.
Können die Versprechen im Koalitionsvertrag vor Gericht eingeklagt werden?
Abgesehen davon, dass es bisher niemand versucht hat, sind sich die Experten relativ einig: Koalitionsverträge sind nicht rechtlich binden und damit gerichtlich weder einklagbar noch vollstreckbar.
Trotzdem verpflichten die Koalitionsverträge die Parteien zum Handeln – nicht rechtlich, aber durch politischen Druck: Wenn eine Partei ohne Grund die Versprechen bricht, die festgeschrieben wurden, riskiert sie das Ende der Koalition und damit den Machtverlust. Zudem macht die Partei sich öffentlich unglaubwürdig – mit entsprechenden Konsequenzen bei der nächsten Wahl.
Ein Bruch des Koalitionsvertrages ist also für Parteien keine gute Idee, auch wenn sie dafür nicht verklagt werden können.
- Datum
- Aktualisiert am
- 07.02.2018
- Autor
- pst