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Faktencheck

Ist das deutsche Grundgesetz eine echte Verfassung?

Grundgesetz Deutschland Verfassung
Das GG: eine Verfassung?

In Deutschland ist es in den letzten Jahren immer mehr in Mode gekommen, die Legitimität von deutschen Institu­tionen und Staats­organen anzuzweifeln. Zum 67. Geburtstag des deutschen Grundge­setzes räumt die Anwalt­auskunft mit der Behauptung auf, das deutsche Grundgesetz sei keine rechtmäßige Verfassung.

Seine Verkündung kann als Geburts­stunde der Bundes­re­publik Deutschland gesehen werden: Heute vor 67 Jahren, am 23. Mai 1949, wurde das Grundgesetz verkündet, einen Tag später trat es als Verfassung des neugegründeten deutschen Staates in Kraft. Bis heute bildet das Grundgesetz die rechtliche und politische Grundordnung der Bundes­re­publik und ist die geltende Verfassung der Deutschen.

Doch letztge­nannte Tatsache wird mittlerweile von einer wachsenden Zahl von Menschen in Frage gestellt. Im Internet finden sich auf unterschied­lichen Plattformen Bürger, die nicht mehr an die Legitimität und Rechts­staat­lichkeit des Landes glauben. Oft entstehen solche Theorien durch im Netz verbreitete Halbwahr­heiten. Viel diskutiert wird beispielsweise die Frage, ob Deutschland ein Staat, oder tatsächlich nur eine eingetragene Firma sei. 

Anhänger dieser Thesen glauben nicht mehr an die Rechtmä­ßigkeit von Gesetzen und Staats­organen. Den Geburtstag des Grundge­setztes nutzen wir als deshalb als Gelegenheit, um mit drei populären Thesem rund um das Grundgesetz aufzuräumen.

1. These: Das Grundgesetz ist keine Verfassung, weil es nicht diesen Titel trägt. 

Als das Grundgesetz geschaffen wurde, wurde der Begriff „Verfassung“ bewusst vermieden. Denn das Grundgesetz war in der Form, in der es 1949 verabschiedet wurde, als Provisorium gedacht. Deutschland war damals ein geteiltes Land und sollte es bis zum 3. Oktober 1990 auch bleiben. Das am 23. Mai 1949 verkündete Grundgesetz besaß faktisch nur für „West-Deutschland“, also die damalige Bundes­re­publik Deutschland Geltung. Die DDR gab sich am 30. Mai 1949 eine eigene Verfassung.

Der Wunsch nach der Wieder­ver­ei­nigung fand sich in der Präambel des damaligen Grundge­setzes, also der Fassung von vor 1989, wieder. Dort war zu lesen: „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbst­be­stimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“ Außerdem stand darin, dass das Grundgesetz geschaffen wurde „um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben.“ 

Im Zuge der Wieder­ver­ei­nigung wurde das Grundgesetz dann zur Verfassung des gesamten Deutschland erklärt. So endet die aktuelle Präambel auch mit dem Satz: „Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“ Die Bemerkung der „Übergangszeit“ verschwand ebenfalls.

Dass der Begriff „Verfassung“ nicht zum Einsatz kommt, hat übrigens keinerlei Einfluss auf die Legitimität des Grundge­setzes. Auch in anderen Staaten, etwa in den Nieder­landen oder in Finnland, heißt die gültige Verfassung so.

2. These: Das Grundgesetz ist keine Verfassung, weil es nicht vom Volk gewählt wurde. 

Häufig wird von Skeptikern das Argument vorgebracht, dass das Grundgesetz schon allein deswegen keine Rechtmä­ßigkeit als Verfassung besäße, weil es nicht vom Volk gewählt, beziehungsweise angenommen wurde.

Diese These beruht auf einer völligen Fehlauf­fassung: Nirgends wird eine Verfassung als etwas beschrieben, was per Volksent­scheid angenommen werden muss, um gültig zu sein. Würde diese Regel gelten, hätte Deutschland noch nie eine gültige Verfassung besessen. Denn weder die Reichs­ver­fassung von 1871, noch die Weimarer Verfassung von 1919 wurden vom Volk angenommen, beziehungsweise in einer Art Volksab­stimmung ratifiziert.

Darüber hinaus wurde das Grundgesetz sehr wohl allen Länder­par­la­menten zur Entscheidung vorgelegt, welche sich wiederum aus vom Volk gewählten Abgeordneten zusammen­setzten. Bayern stimmte als einziges Bundesland dem Grundgesetz damals nicht zu. Da jedoch zwei Drittel der Länder zur Annahme des Grundge­setzes ausreichten, trat es auch in Bayern in Kraft.

3. These: Das Grundgesetz sagt selbst, dass es keine Verfassung ist, sondern nur eine Übergangs­lösung.

Ursprung dieser, unter Zweiflern hochpo­pulären, Theorie ist der Artikel 146 des Grundge­setzes. Er lautet in seiner derzeit gültigen Fassung:

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Diesen Wortlaut interpre­tieren Skeptiker gerne dementsprechend als Eingeständnis, dass es sich hier lediglich um eine Art Übergangs­lösung handle. Und eine legitime Verfassung erst noch verabschiedet werden müsse.

Doch diese Aussage ist im Artikel selbst so nicht zu finden. Artikel 146 gibt keine Handlungs­emp­fehlung vor. Er besagt nicht, dass das Grundgesetz durch eine vom Volk bestimmte Verfassung abgelöst werden soll oder muss. Es besagt nur, dass das Grundgesetz durch eine vom Volk bestimmte Verfassung abgelöst werden kann.

Anders ausgedrückt besagt Artikel 146 also lediglich: „Sobald Gesetz B in Kraft tritt, verliert Gesetz A seine Gültigkeit.“ Damit wird aber in keiner Weise impliziert, dass Gesetz A bis zu diesem Zeitpunkt keine Legitimität besitzt.

Zusammen­fassend kann also nur noch einmal wiederholt werden: Das Grundgesetz ist die gültige, vollkommen rechtmäßige Verfassung der Bundes­re­publik Deutschland.

Datum
Aktualisiert am
21.08.2023
Autor
psu
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