Was bedeutet der Status des Freigängers?
Als Freigänger dürfen Gefangene regelmäßig und ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten arbeiten gehen. Im bayerischen Strafvollzugsgesetz heißt es dazu, dass der Freigang einen „sinnvollen Arbeitseinsatz der Gefangenen außerhalb der Anstalt ermöglichen“ soll.
Im Fall von Uli Hoeneß tat sich sein voriger Arbeitgeber, der FC Bayern München, nicht allzu schwer, eine sinnvolle Funktion für ihn zu finden: Hoeneß arbeitet künftig im Nachwuchsbereich des Rekordmeisters, um die Jugendmannschaften zurück zum Erfolg zu führen.
Welche Bedingungen sind an einen Freigang geknüpft?
„Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang sind nur zulässig, wenn der Gefangene für diese Maßnahme geeignet ist, insbesondere ein Missbrauch nicht zu befürchten ist“, heißt es im Gesetz. Gemeint sind damit eine mögliche Fluchtgefahr oder neue Straftaten. Beides steht aus Sicht der Haftanstalt bei Uli Hoeneß nicht zu befürchten.
Wie lange darf ein Freigänger täglich arbeiten?
„Hier gilt meist das, was im Arbeitsleben ansonsten auch gilt“, sagt Rüdiger Deckers, stellvertretender Vorsitzender des Strafrechtsauschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Üblich sei eine Wochenarbeitszeit von bis zu 40 Stunden, so der Rechtsanwalt.
Bei Freigängern gibt es jedoch einen gewichtigen Unterschied zu anders Beschäftigten: Nach getaner Arbeit geht es zurück ins Gefängnis, in dem Hoeneß auch weiterhin seine Nächte verbringen muss. Abends, gegen 18 Uhr, muss der ehemalige Bayern-Präsident wieder in seinem temporären Zuhause erscheinen. Und noch etwas unterscheidet sich zu seinem alten Leben: Überstunden kann er nicht machen. Hoeneß hat sich strikt an die (auch zeitlichen) Vorgaben der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg zu halten.
Wo darf ein Freigänger arbeiten?
Meistens werden Freigänge dann gewährt, wenn es eine geeignete Arbeitsstelle außerhalb der Anstalt gibt. Welche Arbeitsstelle geeignet ist, entscheidet der Einzelfall. Dass es sich beim FC Bayern um eine solche handelt, steht wohl außer Frage, zumal Hoeneß sein (fast) komplettes Berufsleben beim Rekordmeister angestellt war.
Neben dem Arbeitsplatzumfeld wird auch die Entfernung zur JVA betrachtet. Gut 60 Kilometer liegen zwischen Landsberg am Lech und der Säbener Straße, der Geschäftsstelle des FC Bayern.
Wie viel Geld darf man als Freigänger verdienen?
Rechtsanwalt Deckers: „Das Gehalt muss nicht begrenzt werden, das fließt auf das Anstaltskonto ein, das jeder Häftling hat.“ Allerdings gebe es eine wichtige Einschränkung: „Vom erwirtschafteten Einkommen erhält der Freigänger zunächst nur das sogenannte Hausgeld, das laut bayerischem Strafvollzugsgesetz bei etwa 100 Euro im Monat liegt.“ Der Rest werde mit der Haftentlassung und zur Überbrückung ausgezahlt. „Zumindest dann, wenn nicht Gläubiger, wie etwa das Finanzamt, auf ihr Geld warten und es gepfändet wird“, sagt Strafrechtsexperte Rüdiger Deckers.
Wird Hoeneß bevorzugt behandelt?
Rund um die Bekanntgabe des Freigangs von Uli Hoeneß mehrten sich Stimmen, die eine Bevorzugung des Prominenten witterten. Rein formal aber scheint dem nicht so. Denn aus dem Vollstreckungsplan des Freistaats Bayern beziehungsweise dem bayerischen Strafvollzugsgesetz geht hervor, dass Vollzugslockerungen frühestens nach Ablauf von sechs Monaten möglich sind – und das voraussichtliche Haftende nicht weiter als 18 Monate entfernt liegen darf.
Beides kann bei Herrn Hoeneß zutreffen, wenn man davon ausgeht, dass er nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt bekommt. Seit Juni 2014 in Haft, wird seine Haft dann im März 2016 beendet sein – da er Ersttäter ist und seine Steuerschuld beglichen hat.
Rechtsanwalt Rüdiger Deckers verwundert die Freigang zu diesem Zeitpunkt aus eigener Erfahrung dennoch: „Nach sieben Monaten Freigang zu erhalten ist für den bayerischen Vollzug überaus ungewöhnlich, da dieser aus meiner eigenen Erfahrung zu den strengsten in Deutschland gehört.“ Er ergänzt: „Da sind für Herrn Hoeneß Ostern und Weihnachten auf einen Tag gefallen.“
Zudem sei es für gewöhnlich so, dass es zunächst nach und nach Vollzugslockerungen gebe, etwa einige Tage Hafturlaub. So über Weinachten und Neujahr auch bei Uli Hoeneß geschehen: „Dennoch muss sich der Verurteilte nach den ersten Lockerungen in der Regel zunächst bewähren – und man geht nicht schon nach sehr kurzer Zeit zum Freigang über“, sagt Deckers.
Eine Einschränkung macht Strafverteidigerin Michaela Landgraf, Vorstand im Münchner Anwaltverein: „Ohne den Vollzugsplan von Herrn Hoeneß zu kennen, ist es vorstellbar, dass bereits bei dessen Ausarbeitung eine Halbstrafe in Betracht gezogen wurde. In diesem Fall ist ein Freigang nach sieben Monaten Haft durchaus nachvollziehbar.“
Die Rechtsanwältin ergänzt: „Im Strafrecht gibt es Ermessensspielräume, wonach stets im Einzelfall und unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte ein solcher Freigang abgewogen wird.“
Wurde bereits über Hoeneß’ Haftreduzierung entschieden?
Nein, höchstwahrscheinlich nicht, auch wenn einige Medien anderes in den letzten Tagen verbreitet haben. „Erst wird über Vollzugslockerungen entschieden und anschließend über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung“, so Rüdiger Deckers vom Strafrechtsausschuss des DAV. Hierzu müssen Hoeneß und seine Anwälte einen Antrag stellen, dies erfolgt gewöhnlich aber erst zwei bis drei Monate vor dem angestrebten Haftende.
Unabhängig davon sagt Rüdiger Deckers aber auch: „Auch wenn es darüber bestimmt noch keine Entscheidung der Vollstreckungskammer gibt, ist der nun gewährte Freigang eine günstige Voraussetzung für eine vorzeitige Haftentlassung – diese wäre allerdings nach Verbüßung von nur der Hälfte der ausgeurteilten Freiheitsstrafe ungewöhnlich für die Strafvollstreckung in Bayern.“
Denn diese werde in Bayern bei einer Freiheitsstrafe oberhalb von zwei Jahren äußerst selten gewährt, so der Rechtsanwalt für Strafrecht. Entscheiden wird darüber die zuständige Strafvollstreckungskammer, wenn der Halbstrafenzeitpunkt naht.
Von einer in Bayern „restriktiv gehandhabten Regelung“ der Halbstrafenregelung spricht auch die Münchner Rechtsanwältin Michaela Landgraf im Interview mit der Deutschen Anwaltauskunft. Sie fügt allerdings an, dass sie sehr wohl angewendet und in jedem Fall sorgsam abgewogen werde.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 21.12.2016
- Autor
- ndm