Diskretion war noch nie eine Stärke der Politik, das ist nicht erst seit dem spektakulären Fall Edathy bestens bekannt. Der Umgang mit Dienstgeheimnissen über den einst hoch geschätzten SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy zeigt allerdings die ganze Instinktlosigkeit, mit der selbst geheime Informationen von Ohr zu Ohr getragen werden. Selbstverständlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, doch das wird schnell brüchig, wenn zu viele Leute involviert sind. Auch einige Ermittler, verstreut über die ganze Republik, konnten angesichts des Datenmaterials erahnen, womit sich Edathy in seiner Freizeit beschäftigte.
Schnell wird klar: Spätestens seit November dürfte es so viele Mitwisser gegeben haben, dass man sich getrost fragen kann, warum die Sache überhaupt erst im Februar ans Licht kam. Selbst Edathy gehörte womöglich irgendwann zu diesem illustren Kreis. Vieles deutet darauf hin, dass er von der anstehenden Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume wusste.
Warum muss der oberste Dienstherr überhaupt informiert werden?
Der Fall offenbart ein Problem, das die Justiz noch eine ganze Weile beschäftigen wird, denn es ist keinesfalls neu und schon gar keine Besonderheit der Affäre Edathy. Die Verquickung mit der Politik beschäftigt die Justiz seit langem. Deshalb ist es nur nachvollziehbar, dass der Deutsche Richterbund (DRB) seine Forderung nach größerer Unabhängigkeit der Ankläger von politischen Einflüssen nun noch einmal bekräftigt hat.
Für die breite Öffentlichkeit dürfte dabei noch immer eine Überraschung sein, dass die als „objektivste Behörde der Welt“ gepriesene Staatsanwaltschaft keineswegs so unabhängig ist, wie sie immer tut. Im Gegenteil: Die Politisierung geheimer Informationen ist in der Struktur der Strafverfolgungsbehörden angelegt. Die Kette der Berichts- und Rechtfertigungspflicht führt bis zum zuständigen Minister – und damit also zwangsläufig in den politischen Raum, der in Sachen Informationsverarbeitung offenbar anderen Regeln unterliegt als der Rest der Republik.
Insbesondere bei prominenten Fällen ist es üblich, dass der oberste Dienstherr über das Vorgehen der Strafverfolger informiert wird. Wozu? Damit er im Falle des öffentlichen Aufschreis gewarnt ist und handeln kann, schließlich trägt er die politische Verantwortung. Doch damit nicht genug: Spiegelbildlich zum Rechtfertigungszwang gibt es das externe Weisungsrecht des Ministers. Dass er dies nicht missbrauchen darf, versteht sich von selbst. Aber mit Mannesmann, Zumwinkel, Mollath oder Wulff häufen sich die Fälle, in denen zumindest der Verdacht besteht, die Politik hätte die Strafverfolger in die gewollte Richtung gelenkt.
Ein Geheimnis muss besser gewahrt werden
Für Kritiker des Systems ist schon die bloße Möglichkeit der Weisung eine Zumutung für den Rechtsstaat. Nach dem Blick in die Informationskanäle des Berliner Regierungsviertels dürfte inzwischen vielen Menschen dämmern, warum dies so ist. Der Deutsche Richterbund hat noch eine ganz andere Befürchtung: Die Arbeit der Staatsanwälte werde in der Öffentlichkeit diskreditiert, solange die Frage nach der politischen Einflussnahme im Raum stehe. „Allein der böse Schein schadet dem Ansehen der Justiz“, kritisierte der DRB-Vorsitzende Christoph Frank. Er forderte den Bundesjustizminister Heiko Maas auf, rasch eine Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes auf den Weg zu bringen.
Wird das Weisungsrecht abgeschafft, stellt sich allerdings auch die Frage, warum die zuständigen Minister überhaupt informiert werden müssen. Fast undenkbar erscheint es jedoch, dass die Politik diesen Informationsvorsprung freiwillig aufgibt. Das bedeutet allerdings, dass sie sich wieder bewusst werden muss, was ein Geheimnis wert ist und warum es gewahrt werden sollte. Sonst wird sich die Debatte über die Verquickung von Justiz und Politik zu Recht hartnäckig halten.
Quelle: Anwaltsblatt April 2014 (Anwbl. 04/2014, S. 339)
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.06.2014
- Autor
- Corinna Budras