Whistleblower sind Personen, die für die Allgemeinheit wichtige Informationen aus - meist - einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit bringen. Der weltweit wohl bekannteste unter ihnen ist der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden. Er machte vor zwei Jahren die Überwachung der weltweiten Internetkommunikation der NSA öffentlich. Seit Monaten hält er sich in Russland auf, da er hier Asyl gewährt bekam.
Typischerweise gehören zu jenen Missständen, den Whistleblowern öffentlich machen, Verbrechen wie Korruption, Insiderhandel, Menschenrechtsverletzungen, Datenmissbrauch oder allgemeine Gefahren, von denen der Whistleblower an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammenhängen erfährt. Im Allgemeinen betrifft dies vor allem Vergänge in der Politik, in Behörden und in Wirtschaftsunternehmen.
Welche Gesetze schützen Whistleblower in Deutschland?
Edward Snowden ist ein extremes Beispiel. Whistleblower agieren oft anonym und decken Missstände auf, die zwar nicht unbedingt Millionen Menschen betreffen, wohl aber von öffentlichem Interesse sind. In Deutschland gibt es allerdings kein Gesetz, das diese Menschen explizit schützt.
In der Praxis relevant wird das in den allermeisten Fällen für Angestellte, die von illegalen Praktiken ihrer Vorgesetzten im Unternehmen erfahren und darüber nachdenken, mit diesen Informationen – und Beweisen – an die Öffentlichkeit zu gehen. Das allerdings verträgt sich oftmals nicht mit Bestimmungen im Arbeitsvertrag, in denen es heißt, dass Betriebsgeheimnisse gewahrt bleiben müssen. Ein Spannungsverhältnis, das nach aktueller Rechtslage kaum aufzulösen ist.
„Für Arbeitnehmer ist in Deutschland in so einer Situation schwer zu erkennen, was er darf und was er muss“, sagt Professor Björn Gaul, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Er rät, Missstände zunächst intern anzusprechen – allerdings nur, wenn der Vorgesetzte selbst von den Machenschaften nicht betroffen ist. Die Gefahr eines folgenden Mobbings ist dann aber nicht gebannt.
Ist dem so, sollten Arbeitnehmer sich an die Geschäftsführung oder den Betriebsrat wenden. „Eine Strafanzeige bei der Polizei oder sich an die Öffentlichkeit wenden, ist im Zweifel erst die letzte Option“, so Rechtsanwalt Gaul.
Whistleblower enthüllt „Panama Papers“
Bereits vor einem Jahr hat ein Whistleblower der „Süddeutschen Zeitung“ die nun als „Panama Papers“ bekannt gewordenen Dokumente zugespielt. Die Dokumente stammen aus der Kanzlei Mossack Fonseca in Panama und sollen belegen, dass die Kanzlei für zahlreiche Politiker und Prominente weltweit Briefkastenfirmen in Steueroasen gegründet hat. Solche Gründungen sind legal, wenn die Gewinne versteuert werden. Doch bei vielen dieser Briefkastenfirmen könnte dies fraglich sein. Briefkastenfirmen dienen häufig der Steuerhinterziehung und der Verschleierung von Geldflüssen.
EuGH-Urteil gibt Whistleblowern Hoffnung
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat allerdings vor einigen Jahren ein Urteil gesprochen, dass Whistleblower auch in Deutschland Hoffnung gibt. Damals hatte eine Altenpflegerin geklagt, die ihren Job verlor, nachdem sie Missstände in einem Pflegeheim angezeigt hatte. In Deutschland verlor sie in letzter Instanz, in Straßburg hat sie schließlich Recht bekommen. Zurück vor einem deutschen Gericht, einigte man sich dann außergerichtlich. Der Kraftakt durch die Instanzen dauerte aber fünf Jahre.
Daraus abzuleiten, dass man durchaus zu den Behörden oder den Medien gehen könne, wenn eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, bleibt hierzulande aber dennoch riskant. Denn wer definiert das öffentliche Interesse? Zudem macht man sich gegebenenfalls schadenersatzpflichtig, sollte jemand zu Unrecht beschuldigt worden sein – von einer Abmahnung oder auch Kündigung ganz zu schweigen.
Das erlebte etwa die Veterinärmedizinerin Margrit Herbst. Sie suchte 1994 den Weg an die Öffentlichkeit und berichtete, dass auf einem Schlachthof, auf dem sie die Fleischhygiene kontrollierte, bei einigen Rindern der Verdacht auf BSE bestehe. Die Folge: Mit der Begründung der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, kündigte letztlich der Arbeitgeber Frau Herbst fristlos.
Diese Entscheidung wurde anschließend zunächst erst- und zweitinstanzlich bestätigt. Später entschied ein Gericht zwar, dass sie nicht schadensersatzpflichtig sei und ein Wiederaufnahmeverfahren führte zumindest dazu, dass die Schlachthofbetreiber eine Wiedereinstellung prüfen sollten. Eingestellt wurde sie letztlich aber dennoch nicht.
Anzeigepflichten führen zusätzlichen zur unübersichtlichen Gesetzeslage
Neben dem vermeintlichen Widerspruch vom Aufdecken öffentlich interessanter Missstände auf der einen und der Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Arbeitgeber auf der anderen Seite, bestehen aber auch Anzeigepflichten von Bürgerinnen und Bürgern.
So sieht das Strafgesetzbuch (§ 18 StGB) eine Anzeigepflicht bei drohendem Kapitalverbrechen vor. Die Anzeigepflicht trifft grundsätzlich jedermann, ist also nicht auf bestimmte Berufsträger begrenzt. Allerdings regelt § 139 StGB Einschränkungen für die Anzeige von Angehörigen und für bestimmte Berufsgeheimnisträger. Mit Ausnahmen für Geistliche müssen jedoch Mord oder Totschlag, Völkermord oder erpresserischer Menschenraub von jedermann angezeigt werden.
Auch das Geldwäschegesetz sieht eine Anzeigepflicht bei Geldwäsche vor. Verpflichtet zur Anzeige sind hierzu Institute und Unternehmen sowie Berufsträger. Dazu zählen etwa Rechtsanwälte und Notare.
Doch machen auch diese Bestimmungen die Rechtslage für juristische Laien zumindest nicht übersichtlicher.
Daniel Domscheit-Berg: „Es liegt an der Uneinigkeit der Politik“
In Großbritannien, Australien, in Japan aber auch in den USA gibt es beispielsweise Whistleblower-Gesetze, die zumindest Arbeitnehmer schützen, die vermeintliche Betriebsgeheimnisse öffentlich machen. Der deutsche Gesetzgeber tut sich damit allerdings schwer.
Daniel Domscheit-Berg ist ehemaliger Sprecher der Enthüllungsplattform Wikileaks und ein Befürworter eines solchen Schutzgesetzes. Im Ortstermin der Deutschen Anwaltauskunft fragt er sich auch, warum es ein solches Gesetz noch nicht gibt. Er vermutet: „Ganz viel davon liegt in der Unfähigkeit, sich politisch zu einigen.“ Man könne in den letzten Jahren beobachten, dass die politischen Parteien mehr gegeneinander als miteinander arbeiten. „Ganz viel bleibt dabei auf der Strecke.“
In der Vergangenheit wurden immer mal wieder Gesetzesentwürfe zum Schutz von Whistleblowern von verschiedenen Fraktionen in den Bundestag eingebracht. Eine Mehrheit gab es bisher für keinen der Vorschläge.
- Datum
- Aktualisiert am
- 05.04.2016
- Autor
- ndm