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Tag der Menschen­rechte

„Anwälte können Druck auf Politiker ausüben“

Murat Kurnaz setzt sich aktiv für die Menschenrechte ein. © Quelle: DAV

Murat Kurnaz ist jahrelang in Guantanamo gefoltert worden, seine Menschen­rechte wurden schwer verletzt. Ein Gespräch mit Murat Kurnaz aus Anlass des Interna­tionalen Tages der Menschen­rechte über Guantanamo, seinen Anwalt Bernhard Docke und die Lage der Menschen­rechte.

Murat Kurnaz ist 1980 als Sohn türkischer Einwanderer in Bremen geboren und dort aufgewachsen. Kurz nach dem 11. September 2001 reiste er nach Pakistan, um mehr über den Koran zu lernen, wie er sagt. In Pakistan verhafteten ihn Sicher­heits­kräfte, brachten ihn nach Afghanistan und übergaben ihn dem US-Militär. Dieses internierte ihn Anfang 2002 in Guantanamo, denn die US-Militärs verdäch­tigten ihn, zu den islamis­tischen Taliban zu gehören. Dass er in terroris­tische Aktivitäten verwickelt war, wurde nie nachge­wiesen. Auch die US-Regierung rückte bereits 2002 von diesem Verdacht ab. Sie bot der deutschen Regierung daher an, den „Bremer Taliban“, wie ihn manche Medien hierzulande nannten, nach Deutschland ausreisen zu lassen. Das lehnte die damalige Bundes­re­gierung unter Gerhard Schröder aber mehrfach ab und verwies auf die türkische Regierung. Denn Kurnaz ist türkischer Staats­bürger. Erst 2006 durfte Kurnaz nach Deutschland zurück­kehren. Zwei Untersu­chungs­aus­schüsse haben sich mit seinem Fall beschäftigt. Über seine Leidens­ge­schichte in Guantanamo hat er das mittlerweile verfilmte Buch „Fünf Jahre meines Lebens“ geschrieben.

Deutsche Anwalt­auskunft: Herr Kurnaz, Sie sehen sich als Menschen­rechts­aktivst – was tun Sie für die Menschen­rechte? Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Murat Kurnaz: Ich versuche, die Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tionen, die mir damals geholfen haben, zu unterstützen. Vor allem arbeite ich mit Amnesty Interna­tional zusammen. Mit Amnesty mache ich zum Beispiel Podiums­dis­kus­sionen, bei denen es aber nicht nur um Guantanamo geht. Dabei geht es zum Beispiel auch um Folter allgemein oder um Folter in Gefäng­nissen. Ich werde auf diese Podien eingeladen, weil ich ein Mensch bin, der Folter erlebt und überlebt hat.

Anwalt­auskunft: 2009 hat Barack Obama versprochen, Guantanamo zu schließen. Das ist nicht passiert. Guantanamo gibt es seit mittlerweile zwölf Jahren. Noch immer sind dort über 160 Menschen inhaftiert – ohne verurteilt zu sein. Warum hat Obama das Lager nicht geschlossen?

Kurnaz: In Guantanamo hat man alles, was ein Mensch braucht, um zu überleben und um psychisch stabil zu bleiben, abgeschafft. Man darf dort nur atmen und so viel essen, dass man am Leben bleibt. Das Schlimme an Guantanamo ist eben, dass dort Menschen einsitzen, die von keinem Gericht verurteilt worden sind und dort gefoltert werden. Obama hat das Versprechen damals vor den Wahlen gemacht. Wie sich jetzt zeigt, hat er nur auf Wähler­stimmen geschaut und hat kein wirkliches Interesse daran, Guantanamo zu schließen.

Anwalt­auskunft: Haben Anwälte Zugang zu den Inhaftierten in Guantanamo?

Kurnaz: Mittlerweile dürfen Anwälte alle paar Monate ihren Mandanten in Guantanamo einen Besuch abstatten, aber das bringt natürlich gar nichts. Denn die Anwälte haben nur sehr eingeschränkte Befugnisse.

Anwalt­auskunft: Als Sie in Guantanamo inhaftiert waren, hat sich Ihr Anwalt, Bernhard Docke, sehr für Ihre Freilassung und Ihre Rückkehr nach Deutschland eingesetzt. Spielt er in Ihrem Leben nach wie vor eine wichtige Rolle?  

Kurnaz: Er ist ein Anwalt, der seinen Job sehr gut macht. Er hat vieles aus Mensch­lichkeit für mich getan und hat nicht nur als Anwalt gehandelt. Es war ihm persönlich wichtig, mir zu helfen. Mittlerweile sind wir sogar befreundet. Ich sehe ihn sogar öfter als meinen eigenen Vater. Wir nehmen auch oft gemeinsam an Podien zum Thema Menschen­rechte teil.

Anwalt­auskunft: Was können Anwälte generell für die Menschen­rechte tun?

Kurnaz: Anwälte können zum Beispiel Druck auf Politiker ausüben. Das ist für die Menschen­rechte das effektivste.

Anwalt­auskunft: Wo sehen Sie global gesehen im Moment die größten Probleme beim Thema Menschen­rechte?

Kurnaz: Es gibt so viele Probleme, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Es gibt so viele Kriege auf der Welt, bei denen Gräueltaten geschehen und bei denen zum Beispiel die Politiker einfach weggucken. Was mich auch sehr berührt, ist, wenn Kinder in Kriegen getötet werden. Das ist schlimmer als Guantanamo und die Folter von Erwachsenen.

Anwalt­auskunft: Wo sehen Sie in Deutschland die größten Probleme bei den Menschen­rechten?

Kurnaz: Beim Thema Ausländer gibt es vieles, was geändert werden müsste. Ich finde es zum Beispiel sehr schade, dass Leute wie ich, die hier geboren und aufgewachsen sind, Probleme haben, die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit zu bekommen. Das wird einem sehr schwer gemacht. Trotzdem - im Vergleich mit anderen Ländern sieht es beim Thema Menschen­rechte in Deutschland sehr gut aus.

Anwalt­auskunft: Kommen wir noch einmal auf Guantanamo und die Vorgeschichte zurück: Warum sind Sie 2001, wenige Wochen nach dem 11. September, nach Pakistan gereist?

Kurnaz: Kurz vor meiner Abreise hatte ich geheiratet. Meine Frau kam aus einer religiösen Familie. Und so wollte ich einfach mehr über meinen Glauben erfahren, denn ich wusste sehr wenig darüber. Mir war bei der Reise kein Risiko bewusst, auch deshalb nicht, weil das US-Militär zum Zeitpunkt meiner Abreise Afghanistan noch gar nicht angegriffen hatte. Ich dachte, dass Pakistan damit nichts zu tun hat, das war leider zu kurz gedacht.

Anwalt­auskunft: Sie sind in Pakistan verhaftet, nach Afghanistan und von amerika­nischen  Soldaten nach Guantanamo auf Kuba gebracht worden. Das war 2002. In dem Jahr hat die US-Regierung gemerkt, dass sie keine Verbin­dungen zu den Taliban haben und hat der deutschen Regierung daher mehrmals angeboten, Sie nach Deutschland ausreisen zu lassen. Warum mussten Sie trotzdem bis 2006 im Gefängnis in Guantanamo bleiben?

Kurnaz: Die deutsche Regierung wollte mich nicht zurück haben. Es lag nicht daran, dass ich kein deutscher Staats­bürger bin - obwohl einige Politiker damals so argumentiert haben. Sie meinten, meine Aufent­halts­er­laubnis für Deutschland sei abgelaufen und ich hätte sie nicht verlängert. Deshalb dürfe ich nicht wieder nach Deutschland einreisen. Die deutsche Regierung hat einfach behauptet, ich sei ein Sicher­heits­risiko. Und das, obwohl der Bundes­nach­rich­ten­dienst und das Bundesamt für Verfas­sungs­schutz, die mich im September 2002 in Guantanamo verhört haben, genauso wie die Amerikaner von meiner Unschuld überzeugt waren.

Datum
Aktualisiert am
04.03.2014
Autor
ime
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570
Themen
Persön­lich­keits­rechte Politik

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