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RedTube und die Folgen

Abmahn­anwälte: Probleme und Lösungs­ansätze

Massenhafte Abmahnungen sind ein Problem - doch keineswegs ist es nicht zu lösen. © Quelle: Shaffer/ corbisimages.com

Spätestens seit den versandten Massen­ab­mah­nungen wegen des Streamings eines Pornofilms auf der Webseite RedTube sieht sich die Anwalt­schaft mit einem Urteil konfrontiert: Abmahn­anwälte wollen uns doch nur abzocken! Es gibt ein Problem, ja. Aber das betrifft bei weitem nicht alle Urheber­rechts­anwälte. Und es gibt Lösungs­ansätze, um einige Missstände auszuräumen.

Der Fall RedTube führte zu einer medialen Bericht­erstattung, die Abmahn­anwälte teils pauschal als geldgierig darstellte. Tatsächlich hätte es zu dieser Massen­ab­mahnung eigentlich nicht kommen dürfen. Das Vorgehen bei Abmahnungen: Zunächst beauftragt der vermeintlich Geschädigte einen Anwalt, der sich an ein Gericht wendet, um an die Daten der Nutzer zu kommen, die eine Urheber­rechts­ver­letzung begangen haben sollen. Im Antrag dieses konkreten Falls hieß es, die Abzumah­nenden hätten Inhalte illegal gedown­loaded. Doch ging es de facto nicht um Downloads, sondern ums Streaming eines Pornofilms. Das Landgericht Köln erteilte dennoch den Beschluss, kassierte ihn inzwischen aber wieder, nachdem einige der Beklagten Beschwerde eingelegt hatten. Somit zeichnet sich der Fall RedTube vor allem dadurch aus, dass zum ersten Mal die Frage in dieser Lautstärke gestellt wurde, inwieweit Streaming bereits eine Abmahn­qualität hat.

Abmahnung: Ein Instrument gegen Rechts­verstöße

Generell aber gilt: Abmahnungen sieht unser Rechtssystem vor. Jedem Rechteinhaber steht es zu, einen Anwalt zu beauftragen, der sich darum kümmern soll, dass eine bestimmte Urheberrechtsverletzung in Zukunft unterlassen wird. Das ist keinesfalls illegitim, das ist legal und entspricht unserer Rechtsordnung. Kein Musiker sieht seinen eigens geschriebenen, komponierten und eingespielten Song gerne in einem Film oder findet ihn auf fremden Webseiten zum Gratisdownload wieder – ohne dafür entlohnt worden zu sein.

Um einige Missver­ständnisse auszuräumen, aber auch, um die Problematik sowie Lösungs­an­sätzen zu diskutieren, hat die Deutsche Anwalt­auskunft ein ausführ­liches Gespräch mit Ulrich Schellenberg geführt. Er ist Rechts­anwalt und Vizeprä­sident des Deutschen Anwalt­verein (DAV) und sagt: „Abmahnungen im Allgemeinen sind nichts Unanständiges."

1. Problematik: Die Hürden für Massen­ab­mah­nungen sind zu niedrig

Wenn ein Anwalt ein, zwei oder drei Urheber­ver­let­zungen verfolgt, ist das völlig in Ordnung. Proble­matisch wird es dann, wenn es zu einer massen­haften und gewerbs­mäßigen Tätigkeit wird – wie im Fall RedTube. Das sollte man hinter­fragen, findet Ulrich Schellenberg: „Das ist etwas, dass sich ab einer bestimmten Größen­ordnung mit dem klassischen Bild des Anwalts beißt.“ Daher müsse das Prinzip der Massen­ab­mah­nungen hinterfragt werden. „Die anwaltliche Tätigkeit ist immer darauf ausgelegt, eine einzel­fall­spe­zi­fische Prüfung vorzunehmen“, so Schellenberg. Das hieße nicht, dass man nicht gleich­ge­lagerte Fälle gleich behandeln könne – im Ausnah­mefall. Laut Schellenberg sollte sich jeder Urheber­rechts­anwalt darüber im Klaren sein, dass er jeden Fall im Einzelnen erst einmal prüfen sollten. Allein deshalb schon, um sich im Nachhinein nicht dem Vorwurf einer Täuschung ausgesetzt zu sehen.

Damit einher geht ein anderes Problem, bei dem sich Ulrich Schellenberg wünscht, eine „rote Linie“ zu ziehen. „ Anwälte dürfen sich nicht als verlängerte Werkbank anderer sehen, es also zur Geschäftsidee erhoben haben, mit relativ geringem Aufwand, einen maximalen Gewinn an Honoraren zu kassieren.“ Bei seinen Lösungs­an­sätzen, nimmt Ulrich Schellenberg auch die Anwalt­schaft in die Pflicht.

2. Rolle der Anwalt­schaft: Offensiv und selbst­bewusst

„Die Initiative muss von der Anwalt­schaft ausgehen“, sagt Rechts­anwalt Schellenberg. „Wir haben ein ganz eigenes, originäres Interesse, dass einige Fragen geklärt werden.“ Man könne das zwar nur mit Hilfe des Gesetz­gebers tun, doch müssten die Anwälte vorangehen, da die öffentliche Wahrnehmung des Berufes auch davon abhänge. Gleichsam zeigt der DAV-Vizeprä­sident Verständnis für die Anwältinnen und Anwälte. Dass man sich bei dem Thema schwertue, habe auch mit den zivilrecht­lichen Normen zu tun, die gelten: „Wenn jemand in seinem Urheberrecht verletzt ist und sich anwalt­licher Hilfe bedient, dann kann ich das nicht ablehnen, das will ich auch nicht ablehnen“, so Schellenberg. Doch wenn dann keine Einzel­fall­prüfung mehr vorgenommen wird, werde es zum Problem.

3. Lösungs­ansätze: Wie gewerbs­mäßige Massen­ab­mah­nungen verhindert werden können

So die Politik gewillt ist, weiter gegen die Massen­ab­mahn­praxis vorzugehen, gibt es einige kleinere Stellschrauben, an denen sehr effektiv gedreht werden könnte. Rechts­anwalt Ulrich Schellenberg pocht im Gespräch mit der Deutschen Anwalt­auskunft besonders auf die Prüfung des Einzelfalls und schlägt vor, dass künftig jede Abmahnung persönlich unterschrieben und nicht durch eine Faksimile-Unterschrift gültig wird, wie es derzeit erlaubt ist. „Es besteht schon eine deutliche Einschränkung, wenn sie unter 10.000 Abmahnungen Ihre Unterschrift setzen müssen“, sagt Schellenberg.

Zudem arbeiten einige Anwälte, die Massen­ab­mah­nungen verschicken, mit im Vorfeld entworfenen Muster­schreiben. „Die finde ich schwierig“, sagt Schellenberg. Auch hieran könnte man die Gesetze anpassen, wenngleich er einräumt, dass in der Praxis Standard­schreiben durchaus Sinn ergeben, partiell. Im Idealfall habe aber jeder Anwalt für jeden Einzelfall eine eigene Akte. Und sei es eine digitale. Doch hat die maschinelle Verein­fachung eher dazu geführt, dass im Falle eines Massen­ver­fahrens eine anwaltliche Prüfung mitunter nicht immer korrekt erfolgt.

Inzwischen hat der Gesetzgeber bereits erste Schritte unternommen – mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäfts­praktiken. Teilweise bereits in Kraft, regelt es unter anderem die Kosten bei wettbe­werbs­recht­lichen Abmahnungen, deckelt aber auch den Gegenstandswert der ersten Abmahnung gegenüber Verbrauchern bei 1000 Euro. Der Deutsche Anwalt­verein mit seinen 67.000 Mitgliedern hat den Gesetz­ge­bungs­prozess begleitet und begrüßt diese ersten Schritte. In einer in der vergangenen Woche veröffent­lichten Stellungnahme schlägt der Ausschuss Geistiges Eigentum des DAV darüber hinaus vor, dass der abmahnende Anwalt eine von dem Vertretenen unterschriebene (Individual-)Vollmacht für das Vorgehen gegen die abzumahnende Person vorlegt. „Eine solche Vorschrift würde dazu führen, dass der Vertretene die Abmahn­tä­tigkeit des Vertreters besser kontrol­lieren könnte“, so Rechts­an­wältin Dr. Astrid Auer-Reinsdorff, ebenfalls DAV-Vizeprä­si­dentin.

4. Zusammen­fassung: Problem ja, aber nichts unlösbares

Zusammen­fassend lässt sich also festhalten: Abmahnungen sind ein wichtiges Mittel, um Recht durchzu­setzen. Das sieht unsere Rechts­ordnung vor und ist daher keinesfalls unanständig. Dennoch ist die Massen­ab­mahn­praxis unter Umständen proble­matisch – vor allem dann, wenn wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen. Doch sind es drei zentrale Bereiche, die nach Ansicht von Ulrich Schellenberg und dem Ausschusses Geistiges Eigentum des DAV dazu führen würden, die Massen­ab­wahl­praxis einzudämmen beziehungsweise zu erschweren – und somit auch die Reputation der Anwalt­schaft zu verbessern:

  1. Die Einzelfallprüfung, belegt durch persönlich unterschriebene Abmahnungen,
  2. das Verbot von Musterschreiben in Abmahnungen, die dem gleichen Zweck dienen, sowie
  3. eine Vollmacht des Vertretenen für den Anwalt und
  4. die persönliche Erreichbarkeit des Rechtsanwalts (Straße, Hausnummer, Telefonnummer, Emailadresse).

Diese gelte es zu diskutieren, so der DAV.

Lesen Sie hier, wann eine Abmahnung ungültig ist und wie Sie sich verhalten sollten, wenn Sie abgemahnt werden.

Datum
Aktualisiert am
27.06.2014
Autor
ndm
Bewertungen
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Themen
Abmahnung Anwalt Gebühren Internet

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