Sonderrabatte in Luxuskaufhäusern sind nur der Anfang – Diplomaten und Botschaftsangehörige haben zahlreiche Privilegien, auch vor dem Gesetz: Über 20.000 Verkehrsverstöße listet der CDU-Abgeordnete Peter Trapp für die Hauptstadt auf. Daraus entstünde den Behörden ein Schaden in Höhe von 300.000 Euro: Bußgelder, die niemand erheben darf. Für Diplomaten gelten Sonderrechte. Das regelt das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen aus dem Jahr 1961.
Dafür nimmt das Völkerrecht Irrwege mancher Entsandter in Kauf. Eine Auswahl:
Mit allen Wassern gewaschen
Ein Vertreter Nordkoreas soll in deutschen Gewässern gewildert haben. Wer seine Angel in die Berliner Havel auswirft, braucht eigentlich eine Erlaubnis. Die hatte der Diplomat nicht, ließ sich aber auch nicht von der Wasserpolizei beirren und angelte trotz mündlicher Rüge fort. Im Einsatzbericht sollen die Beamten notiert haben: „Dieses nahm der Botschafter wohlwollend und lächelnd zur Kenntnis und setzte die Straftat fort.“ Die Polizisten rückten schließlich ab, ohne eine Strafe zu kassieren. Normalsterbliche hätte das einmalige „Schwarzfischen“ 200 Euro abverlangt.
Rasen, bis die Polizei kommt
Mit Tempo 220 gerät ein Fahrer im Herbst 2012 der Autobahnpolizei ins Visier. Er überholt rechts und drückt auch auf dem Standstreifen aufs Gaspedal. Das Szenario stammt weder aus einer Verfolgungsjagd im Fernsehkrimi noch aus einem Videospiel. Hier sitzt ein Diplomat hinter dem Steuer. Die Polizeibeamten halten ihn an, können ihm aber nichts. Er darf weiterfahren. Kein Bußgeld, keine Strafe. Ein Verfahren gegen ihn wird zwar eingeleitet, aber an die Behörden seines Heimatlandes weitergeleitet. Dort wird das Verfahren eingestellt.
Verkehrsverstöße ohne Strafe funktionieren auch in Innenstädten
Rasende Diplomaten kennt nicht nur die Autobahnpolizei. Auch in Innenstädten treiben Diplomaten ihr Unwesen – ungesühnt. Ende 2011 endete eine solche Irrfahrt per Schräglage in der Toreinfahrt eines Berliner Wohnhauses. Auf dem Weg dorthin hatte Südkoreas Botschafter seinen Geländewagen rückwärts gegen zwei parkende Autos gesetzt und eine Hecke durchbohrt. Auch zwei weitere Autos und ein Roller stoppten den Diplomaten nicht. Ergebnis: viel Blechschaden, keine Strafanzeige. Der rote Diplomatenpass gewährt Polizisten in so einem Fall nicht mehr als die Personalien aufzunehmen. Nur bei konkreten Gefahren dürfen die Beamten einschreiten.
Grenzen der Rechtsfreiheit
Auch Diplomaten sind Grenzen gesetzt – die Menschenwürde ist unantastbar, für sie – wie für alle anderen. In die Schlagzeilen geriet der Fall eines Botschafters aus Saudi-Arabien. Eine Hausangestellte hatte ihn verklagt. Nach eigenen Angaben wurde die Frau von der Familie des Diplomaten systematisch misshandelt, erniedrigt und auch eingesperrt. Zwischen April 2009 und Oktober 2010 habe sie bis zu 20 Stunden täglich ohne Lohn arbeiten müssen. Der Fall landete vorm Bundesarbeitsgericht. Die Vorinstanzen hatten die Entschädigungsklage der Frau wegen der Immunität des Diplomaten abgelehnt. Erst nachdem dieser ausgereist war und seine Immunität verloren hatte, wurde ein neuer Prozess in der Hauptstadt möglich.
Der ehemalige Botschafter hatte die Vorwürfe stets bestritten. Er habe dem Vergleich, den die Parteien ausgehandelt hatten, aber zugestimmt, „um ein langes Verfahren mit großem Aufwand zu vermeiden“, so sein Anwalt. Aufbringen könne er die Summe aber nicht, ließ der Diplomat ausrichten. Sein Anwalt war gegenüber den Medien damals davon ausgegangen, dass das Königreich Saudi-Arabien die Zahlung übernimmt, „damit das Ansehen des Landes in Deutschland nicht geschädigt“ werde.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.06.2014
- Autor
- red/dpa