Vorteile psychoativer Substanzen wiegen für die meisten Menschen für Gefährdungen auf
Gegen eine Legalisierung von Cannabis sprechen Gründe. Es sind ganz überwiegend dieselben Gründe, die gegen eine Legalisierung von Whisky, Bier, Valium, Serotonin-Abbauhemmern, Kaffee, Nikotin, vergorenen Früchten oder zahllosen anderen Substanzen sprechen: Der Mensch wird durch übermäßigen Konsum solcher Substanzen kurzfristig arbeitsunfähig, emotional enthemmt, in seinem Sozialverhalten schwerer berechenbar; langfristig möglicherweise abhängig, psychisch geschädigt, gefährlich für andere, in seiner (Arbeits-)Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, körperlich krank.
Für Milliarden von Menschen – um nicht zu sagen: praktisch alle – wiegen die Vorteile psychoaktiver Substanzen die Nachteile und Gefährdungen auf: Drei Gläser Riesling erscheinen dem Europäischen Gourmet alle Gefährdungen des Alkoholismus wert; und die Leichtigkeit des Cannabisrauschs vergeht einer Milliarde Dauerkonsumenten weltweit nicht dadurch, dass allenthalben auf derselben Welt auch Elend, Kriminalität und Krankheit durch Rauschmittelsucht existieren. Die pharmazeutische Industrie überschüttet die Welt mit psychoaktiven Substanzen; die Grenzen zwischen illegalem und legalem Markt erscheinen vielfach willkürlich und zufällig.
Cannabis: Langzeitfolgen weniger schwerwiegend als bei legalen Drogen
Cannabis ist im Vergleich zu den meisten bekannten Rauschdrogen minder gefährlich. Bis auf Ausnahmen, die deutlich weniger häufig sind als die krankhafte Sucht nach Vanilleeis oder Erdnusskernen, gibt es keine Tendenz zur Dosissteigerung. Körperliche Abhängigkeit tritt nicht ein. Gefährlich wirkende Folgen des unmittelbaren Konsums (zum Beispiel Aggressivitätssteigerung) kommen kaum vor; Langzeitfolgen chronisch übersteigerten Konsums (Verflachung der Persönlichkeit; Arbeitsunfähigkeit; in seltenen Fällen psychotische Erkrankungen) liegen weit unterhalb der Folgen, die durch legale Drogen verursacht werden.
Prohibition oft kontraproduktiv
Prohibition hat sich im Laufe der Strafrechtsgeschichte als das unwirksamste und am meisten kontraproduktive Mittel der „Bekämpfung“ von – so genanntem „übermäßigen“ – Rauschmittelkonsum erwiesen. Sie erzeugt ihrer Natur nach einen „Schwarzmarkt“; dieser verspricht exzeptionelle Gewinnspannen für jeden, der das – faktisch geringe – Strafbarkeitsrisiko in Kauf zu nehmen bereit ist.
Die so genannte „Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ durch Illegalisierung des Marktes für Rauschmittel erzeugt in widersinniger Weise genau das, was sie zu „bekämpfen“ vorgibt. Die martialische Aufrüstung eines „War on Drugs“, der mit unendlichem Aufwand an Personal und Geld seit Jahrzehnten geführt wird, hat keineswegs zum Rückgang des Marktes, vielmehr zu seiner steten Ausweitung geführt.
Die Prohibitionspolitik bezüglich Cannabis hat eine Vermischung mit anderen, unvergleichlich gefährlicheren Drogen in einem gemeinsamen illegalen Markt zur Folge und erzeugt so selbst viele jener Gefahren, die sie verhindern will: Unkontrollierte Beimischung von gefährlichen oder gesundheitsschädlichen anderen Substanzen, Bezugsquellen-Identität, ständiges Angebot zum „Aufstieg“ in härtere Drogen. Überdies führt sie dazu, dass es an vernünftiger Aufklärung über einen verantwortungsvollen Gebrauch fehlt. Die Botschaft, jeglicher Konsum von Cannabis sei die Vorstufe zu Verelendung und Drogensucht, ist falsch; sie wird von den Adressaten (insbesondere Jugendlichen) nicht geglaubt.
Legalisierung von Cannabis-Produkten: Schritt zur Rationalisierung der Drogenpolitik
Mindestens 2.500.000 Menschen in Deutschland konsumieren nach zurückhaltenden Schätzungen regelmäßig (!) Cannabis als Rauschmittel. Zahlreiche Länder haben in den letzten Jahren den Gebrauch von cannabinoiden Rauschmitteln legalisiert, ohne dass sich irgendwo die zuvor vorhergesagten Szenarien einer massiven Ausweitung des Drogenmarkts und der sozialen Folgen von Rauschmittelabhängigkeit nachweisen ließen.
Die Prohibition von Cannabis scheint ganz überwiegend ideologisch motiviert. Die bekannten Argumentationen mit der angeblichen „kulturellen Fremdheit“ (versus der angeblich gut beherrschten jahrhundertelangen Kultur des Alkoholtrinkens) sind eher fern liegend. Eine Legalisierung von Cannabisprodukten – Verkauf durch lizensierte Händler, Zulassung der Herstellung für den privaten Gebrauch – wäre ein Schritt zur Rationalisierung der Drogenpolitik insgesamt.
- Datum
- Aktualisiert am
- 31.08.2016
- Autor
- Prof. Dr. Thomas Fischer