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Urheberrecht

„Wir sind das Volk!“ ab jetzt marken­rechtlich geschützt

Erleichterung bei Erik Dassfolck: "Endlich ist der Spruch wieder in der Fleischerei Dassfolck, wo er hingehört!" © Quelle: DAV

Die Partei AfD und die Pegida-Vereinigung haben ihn wieder populär gemacht, doch wer in Zukunft „Wir sind das Volk!“ ruft, muss aufpassen. Der Spruch ist seit letzter Woche marken­rechtlich geschützt. Wir klären die Hinter­gründe und zeigen auf, wie man rechtlich auf der sicheren Seite bleibt.

Es war ein legendärer Ausruf der DDR-Freiheits­be­wegung: Ende der Achtzi­gerjahre erschallte es aus den Innenstädten Ostdeutschlands lautstark: „Wir sind das Volk!“ Seit gut einem Jahr ist die Parole wieder zu hören, diesmal vor allem auf Kundge­bungen der Islamkritiker  von „Pegida“. Auch Anhänger der AfD skandieren sie auf öffent­lichen Veranstal­tungen gerne.

Damit könnte es jetzt vorbei sein: Denn der Ausspruch war seit einigen Wochen Gegenstand einer Gerichts­ver­handlung vor dem Landgericht Dresden. Die Entscheidung der Richter kann dabei weitrei­chende Folgen haben.

Vom Werbeslogan zur Politparole

Der nieder­säch­sische Fleisch­wa­ren­pro­duzent Dassfolck, ein Familien- und Traditi­ons­un­ter­nehmen aus den Schaum­burger Land, hatte 1967 eine Werbekampagne mit dem Slogan „Wir sind Dassfolck!“ durchgeführt. Nach dem Ausscheiden des Vater Karl aus dem Betrieb, hatte Sohn Erik Dassfolck die Leitung des Unternehmens Ende 2012 übernommen – und beim Prüfen von Geschäfts­un­terlagen erst Anfang 2015 entdeckt, dass sein Vater den Werbeslogan im Zuge der damaligen Kampagne urheber­rechtlich schützen ließ. Die endgültige Anerkennung als marken­rechtlich geschützter Slogan klagte die Firma nach dem Fund ein – und bekam Recht (AZ: 4 F D 0817/93).

Konflikt zwischen Markenrecht und Urheberrecht

Unter anderem galt es vor Gericht festzu­stellen, ob der in den Sechzi­ger­jahren urheber­rechtlich geschützte Begriff auch Schutz durch das Markenrecht genießt. Dieses war in seiner aktuellen Form erst Mitte der Neunzi­gerjahre in Deutschland in Kraft getreten. Auch hatte Dassfolck den Slogan damals nicht in das Marken­re­gister eintragen lassen. Das Gericht entschied trotzdem zugunsten des Unternehmens und sprach Dasfolck die vollständigen Marken­rechte an dem Ausspruch zu.

„Ein Werbespruch kann auch ohne Eintrag ins Register Marken­schutz genießen. Ohne Eintrag ist allerdings das Risiko höher, dass Gerichte den marken­recht­lichen Schutz eines Slogans im Zweifelsfall nicht anerkennen,“ erklärt Rechts­anwalt Dr. Gerhard Lundegaard von der Arbeits­ge­mein­schaft Markenrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). „Dass Dassfolck diesen Eintrag versäumt hat, hat den Prozess in die Länge gezogen.“

Überra­schendes Urteil: Schreibweise nicht entscheidend

Eine weitere Streitfrage in der Verhandlung drehte sich darum, inwieweit die Verwendung abweichender Schreib­weisen des Slogans unterlas­sungs­pflichtig ist. Hier zeigt sich Urheber­rechts­experte Lundegaard von der Entscheidung des Gerichts überrascht: „Normalerweise sind die Entschei­dungen in diesem Bereich auf richter­licher Seite eher strikt.“ Das Urteil stellt allerdings klar, dass bei der Abweichung „Wir sind das Volk“ ebenfalls das Markenrecht greift. Auch wenn die Schreibweise unterschiedlich ist, „die Verwechs­lungs­gefahr ist gegeben“, heißt es in dem Urteil. Zumal die Anhänger der beiden Gruppie­rungen „erhebliche Probleme“ mit der Rechtschreibung hätten und den Unterschied nicht erkennen würden, so die Richter.

Im politischen Kontext kann ein Unternehmen sich auf eine Verletzung seines Persön­lich­keits­rechts berufen. Das sogenannte Unterneh­mens­per­sön­lich­keitsrecht wird nach aktueller Rechtsprechung durch § 823 Abs. 1 BGB abgedeckt. Bei der Verwendung von Aussprüchen und Slogans ist ein Verbot zwar eher selten, dass Musiker die Verwendung ihrer Lieder bei politischen Kundge­bungen verbieten, kommt immer wieder vor. Die AfD hatte vor kurzem selbst Erfahrung in diesem Bereich gesammelt, nachdem die Musiker Paul van Dyk und Peter Heppner der Partei die Verwendung ihrer Lieder bei Veranstal­tungen untersagten. Ähnlich scheint sich auch im Fall Dassfolck abzuzeichnen.

Nach dem Urteil: Konsequenzen bei weiterer Verwendung

Grundsätzlich gilt: Eine Marke und deren Nutzung steht ausschließlich ihrem Inhaber zu. Ohne Zustimmung des Marken­in­habers dürfen Dritte die Marke nicht für geschützte Waren oder Dienst­leis­tungen verwenden. Wird der Ausspruch bei einer politischen Kundgebung künftig also verwendet, etwa in Form von Plakaten oder als Teil einer angemeldeten, öffent­lichen Rede, ist das ebenfalls genehmi­gungs­pflichtig. Wer juristisch auf der sicheren Seite bleiben möchte, für den gilt:

1) Kein Abdruck auf politischen Plakaten oder Kleidung ohne Genehmigung

Die mündliche Verwendung des Ausrufes „Wir sind das Volk“ hat keine rechtlichen Konsequenzen, solange die Verwendung klar als private Äußerung zu verstehen ist. Wird der Spruch im Rahmen einer öffent­lichen politischen Rede geäußert, ist er allerdings genehmi­gungs­pflichtig

2) Keine Verwendung bei politischen oder kommer­ziellen Projekten ohne Erlaubnis des Rechte­inhabers

Wer Profit aus einer Marke schlagen möchte, die ihm nicht gehört, riskiert Abmahnungen. Der Marken­inhaber hat bei Wieder­ho­lungs­gefahr einen Unterlas­sungs­an­spruch, der notfalls auch auf dem gericht­lichen Weg eingefordert werden kann.

Im Fall Dassfolck zeigte sich das Unternehmen nach dem Prozess in einer Stellungnahme allerdings versöhnlich. Man werde „gerne jede ernstzu­nehmende Anfrage zur Verwendung unserer geschützten Werbeslogans prüfen und gegebe­nenfalls auch unentgeltlich erlauben, insofern die Verwendung unseren eigenen politischen und ethischen Standards entspricht.“

Datum
Aktualisiert am
01.04.2016
Autor
red
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Themen
Politik Urheber­schaft

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