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Geheim­nis­verrat

Braucht es in Deutschland ein Whistle­blower-Gesetz?

Wer Geheimnisse verrät, etwa aus seinem Unternehmen, die aber die öffentliche Allgemeinheit etwas angehen, muss dennoch mit Folgen rechnen. Denn ist Deutschland gint es kein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern. © Quelle: Kiyama/gettyimages.de

In Deutschland existiert kein Gesetz zum Schutz von Whistle­b­lowern. Es könnte Menschen vor rechtlichen Konsequenzen schützen, die zwar Geheimnisse verraten, die allerdings von so großem öffent­lichen Interesse sind, dass darüber Missstände behoben werden. In anderen Ländern gibt es solche Gesetze, warum also nicht hierzulande? Und welche Probleme bringt das mit sich?

Whistle­blower sind Personen, die für die Allgemeinheit wichtige Informa­tionen aus - meist - einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffent­lichkeit bringen. Der weltweit wohl bekannteste unter ihnen ist der ehemalige Geheim­dienst­mit­ar­beiter Edward Snowden. Er machte vor zwei Jahren die Überwachung der weltweiten Internet­kom­mu­ni­kation der NSA öffentlich. Seit Monaten hält er sich in Russland auf, da er hier Asyl gewährt bekam.

Typischerweise gehören zu jenen Missständen, den Whistle­b­lowern öffentlich machen, Verbrechen wie Korruption, Insider­handel, Menschen­rechts­ver­let­zungen, Datenmiss­brauch oder allgemeine Gefahren, von denen der Whistle­blower an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammen­hängen erfährt. Im Allgemeinen betrifft dies vor allem Vergänge in der Politik, in Behörden und in Wirtschafts­un­ter­nehmen.

Welche Gesetze schützen Whistle­blower in Deutschland?

Edward Snowden ist ein extremes Beispiel. Whistle­blower agieren oft anonym und decken Missstände auf, die zwar nicht unbedingt Millionen Menschen betreffen, wohl aber von öffent­lichem Interesse sind. In Deutschland gibt es allerdings kein Gesetz, das diese Menschen explizit schützt.

In der Praxis relevant wird das in den allermeisten Fällen für Angestellte, die von illegalen Praktiken ihrer Vorgesetzten im Unternehmen erfahren und darüber nachdenken, mit diesen Informa­tionen – und Beweisen – an die Öffent­lichkeit zu gehen. Das allerdings verträgt sich oftmals nicht mit Bestim­mungen im Arbeits­vertrag, in denen es heißt, dass Betriebs­ge­heimnisse gewahrt bleiben müssen. Ein Spannungs­ver­hältnis, das nach aktueller Rechtslage kaum aufzulösen ist.

„Für Arbeit­nehmer ist in Deutschland in so einer Situation schwer zu erkennen, was er darf und was er muss“, sagt Professor Björn Gaul, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Er rät, Missstände zunächst intern anzusprechen – allerdings nur, wenn der Vorgesetzte selbst von den Machen­schaften nicht betroffen ist. Die Gefahr eines folgenden Mobbings ist dann aber nicht gebannt.

Ist dem so, sollten Arbeit­nehmer sich an die Geschäfts­führung oder den Betriebsrat wenden. „Eine Strafanzeige bei der Polizei oder sich an die Öffent­lichkeit wenden, ist im Zweifel erst die letzte Option“, so Rechts­anwalt Gaul.

Whistle­blower enthüllt „Panama Papers“

Bereits vor einem Jahr hat ein Whistle­blower der „Süddeutschen Zeitung“ die nun als „Panama Papers“ bekannt gewordenen Dokumente zugespielt. Die Dokumente stammen aus der Kanzlei Mossack Fonseca in Panama und sollen belegen, dass die Kanzlei für zahlreiche Politiker und Prominente weltweit Briefkas­ten­firmen in Steueroasen gegründet hat. Solche Gründungen sind legal, wenn die Gewinne versteuert werden. Doch bei vielen dieser Briefkas­ten­firmen könnte dies fraglich sein. Briefkas­ten­firmen dienen häufig der Steuer­hin­ter­ziehung und der Verschleierung von Geldflüssen.

EuGH-Urteil gibt Whistle­b­lowern Hoffnung

Der Europäische Gerichtshof für Menschen­rechte hat allerdings vor einigen Jahren ein Urteil gesprochen, dass Whistle­blower auch in Deutschland Hoffnung gibt. Damals hatte eine Altenpflegerin geklagt, die ihren Job verlor, nachdem sie Missstände in einem Pflegeheim angezeigt hatte. In Deutschland verlor sie in letzter Instanz, in Straßburg hat sie schließlich Recht bekommen. Zurück vor einem deutschen Gericht, einigte man sich dann außerge­richtlich. Der Kraftakt durch die Instanzen dauerte aber fünf Jahre.

Daraus abzuleiten, dass man durchaus zu den Behörden oder den Medien gehen könne, wenn eine Angele­genheit von öffent­lichem Interesse ist, bleibt hierzulande aber dennoch riskant. Denn wer definiert das öffentliche Interesse? Zudem macht man sich gegebe­nenfalls schaden­er­satz­pflichtig, sollte jemand zu Unrecht beschuldigt worden sein – von einer Abmahnung oder auch Kündigung ganz zu schweigen.

Das erlebte etwa die Veteri­när­me­di­zinerin Margrit Herbst. Sie suchte 1994 den Weg an die Öffent­lichkeit und berichtete, dass auf einem Schlachthof, auf dem sie die Fleisch­hygiene kontrol­lierte, bei einigen Rindern der Verdacht auf BSE bestehe. Die Folge: Mit der Begründung der Verletzung der Verschwie­gen­heits­pflicht, kündigte letztlich der Arbeitgeber Frau Herbst fristlos.

Diese Entscheidung wurde anschließend zunächst erst- und zweitin­stanzlich bestätigt. Später entschied ein Gericht zwar, dass sie nicht schadens­er­satz­pflichtig sei und ein Wieder­auf­nah­me­ver­fahren führte zumindest dazu, dass die Schlacht­hof­be­treiber eine Wieder­ein­stellung prüfen sollten. Eingestellt wurde sie letztlich aber dennoch nicht.

Anzeige­pflichten führen zusätz­lichen zur unüber­sicht­lichen Gesetzeslage

Neben dem vermeint­lichen Widerspruch vom Aufdecken öffentlich interes­santer Missstände auf der einen und der Verschwie­gen­heits­pflicht gegenüber dem Arbeitgeber auf der anderen Seite, bestehen aber auch Anzeige­pflichten von Bürgerinnen und Bürgern.

So sieht das Strafge­setzbuch (§ 18 StGB) eine Anzeige­pflicht bei drohendem Kapital­ver­brechen vor. Die Anzeige­pflicht trifft grundsätzlich jedermann, ist also nicht auf bestimmte Berufs­träger begrenzt. Allerdings regelt § 139 StGB Einschrän­kungen für die Anzeige von Angehörigen und für bestimmte Berufs­ge­heim­nis­träger. Mit Ausnahmen für Geistliche müssen jedoch Mord oder Totschlag, Völkermord oder erpres­se­rischer Menschenraub von jedermann angezeigt werden.

Auch das Geldwä­sche­gesetz sieht eine Anzeige­pflicht bei Geldwäsche vor. Verpflichtet zur Anzeige sind hierzu Institute und Unternehmen sowie Berufs­träger. Dazu zählen etwa Rechts­anwälte und Notare.

Doch machen auch diese Bestim­mungen die Rechtslage für juristische Laien zumindest nicht übersicht­licher.

Daniel Domscheit-Berg: „Es liegt an der Uneinigkeit der Politik“

In Großbri­tannien, Australien, in Japan aber auch in den USA gibt es beispielsweise Whistle­blower-Gesetze, die zumindest Arbeit­nehmer schützen, die vermeintliche Betriebs­ge­heimnisse öffentlich machen. Der deutsche Gesetzgeber tut sich damit allerdings schwer.  

Daniel Domscheit-Berg ist ehemaliger Sprecher der Enthül­lungs­plattform Wikileaks und ein Befürworter eines solchen Schutz­ge­setzes. Im Ortstermin der Deutschen Anwalt­auskunft fragt er sich auch, warum es ein solches Gesetz noch nicht gibt. Er vermutet: „Ganz viel davon liegt in der Unfähigkeit, sich politisch zu einigen.“ Man könne in den letzten Jahren beobachten, dass die politischen Parteien mehr gegeneinander als miteinander arbeiten. „Ganz viel bleibt dabei auf der Strecke.“

In der Vergan­genheit wurden immer mal wieder Gesetzes­entwürfe zum Schutz von Whistle­b­lowern von verschiedenen Fraktionen in den Bundestag eingebracht. Eine Mehrheit gab es bisher für keinen der Vorschläge.

Datum
Aktualisiert am
05.04.2016
Autor
ndm
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631
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