Lieber Robert P.,
vielen Dank für Ihre Frage! Geschwindigkeitsbegrenzungen wie beispielsweise „80 bei Nässe“ sind im regnerischen Deutschland weit verbreitet. In der Regel stehen die Schilder dort, wo bei feuchter Fahrbahn Aquaplaning droht – das Fahrzeug also die Bodenhaftung verlieren kann.
Dass viele Autofahrer nicht genau wissen, was ein solches Schild bedeutet, kann man vor allem auf der Autobahn häufig beobachten. Denn was „nass“ ist, empfindet jeder Verkehrsteilnehmer anders. Manche Fahrer steigen schon bei leichtem Nieselregen auf die Bremse. Andere ignorieren das Tempolimit auch dann noch, wenn es wie aus Kübeln schüttet.
Die StVO bietet keine genaue Definition von „Nässe“
Bei einer genauen Definition hilft auch ein Blick in die Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht weiter. Diese legt lediglich fest, dass das "Zusatzzeichen zum Zeichen 274" dem Fahrzeugführenden verbietet, „bei nasser Fahrbahn die angegebene Geschwindigkeit zu überschreiten.“
Was eine nasse Fahrbahn ist, verrät die StVO leider nicht. In solchen Fällen ist es in Deutschland Sache der Rechtsprechung, eine genau Definition zu liefern. Im Fall des Zusatzschildes „bei Nässe“ hat das der Bundesgerichtshof bereits 1977 höchstrichterlich erledigt (AZ: 4 StR 560/77). Die Karlsruher Richter entschieden damals, dass bei „Nässe“ im Gegensatz zu bloßer „Feuchtigkeit“ die Fahrbahn „insgesamt mit einem Wasserfilm überzogen sein“ muss. Diese Festlegung ist seitdem die Grundlage für die Entscheidung anderer Gerichte.
Regen allein macht die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht wirksam
Das heißt: Für eine Wirksamkeit des Zusatzzeichens „bei Nässe“ reicht nicht allein die Tatsache, dass es regnet. Gerade im Sommer kann bei heißer Fahrbahndecke der Regen sofort verdampfen, sodass sich gar kein Wasserfilm bildet. Auch vereinzelte Wasserlachen oder stehendes Wasser in Spurrillen reicht nicht aus.
Entscheidend ist, dass die Fahrbahn in ihrer gesamten Breite tatsächlich feucht ist. Als deutliches Zeichen für eine nasse Fahrbahn gilt häufig die Tatsache, dass andere Fahrzeuge eine sichtbare Gischt aufwirbeln. Wenn dadurch auch noch die Sicht eingeschränkt ist, gebietet es unabhängig von allen Verkehrszeichen schon der gesunde Menschenverstand, das Tempo zu reduzieren. Ein deutlich sichtbarer Wasserfilm sollte zudem auch an Stellen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung für Autofahrer immer ein Alarmzeichen sein.
Tempolimit mit Schneeflocke gilt immer
Ganz anders als beim Schild „bei Nässe“ sieht es übrigens bei der kleinen Schneeflocke aus, die ebenfalls häufig als Zusatzzeichen unter Tempolimits auftaucht. Eine solche Geschwindigkeitsbegrenzung gilt immer, egal ob es gerade schneit oder das Thermometer 30 Grad anzeigt.
Laut einer aktuellen Entscheidung des Oberlandsgerichts Hamm weise das Schneeflocken-Zeichen lediglich darauf hin, dass durch das Tempolimit mögliche Gefahren bei winterlichen Straßenverhältnissen gemindert werden sollen (AZ: 1 RBs 125/14). Anders als der Zusatz „bei Nässe“ ist die Schneeflocke also keine Einschränkung, sondern eher eine Begründung der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Ich wünsche Ihnen bei allen Witterungsverhältnissen eine gute Fahrt!
Ihr Swen Walentowski
- Datum
- Aktualisiert am
- 07.12.2018
- Autor
- Swen Walentowski