Lieber Ron K.,
vielen Dank für Ihre Frage! Immer wieder führen Autofahrer vor Gericht an, dass sie ein Verkehrsvergehen nur deshalb begangenen hätten, weil sie ein Schild nicht erkennen konnten – sei es durch angehafteten Schnee im Winter, Verschmutzungen oder eine wuchernde Pflanze.
Grundsätzlich gilt für Verkehrszeichen der sogenannte „Sichtbarkeitsgrundsatz“. Verschiedene Gerichtsurteile haben immer wieder bestätigt: Verkehrszeichen wie Tempolimits oder Überholverbote sind nur dann gültig, wenn der Autofahrer sie auch auf den ersten Blick wahrnehmen kann.
Schilder müssen erkennbar sein
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm gilt das auch dann, wenn das Verkehrszeichen korrekt angebracht ist, aber durch eine vorübergehende Beeinträchtigung nicht zu erkennen ist. In diesem Fall hatte ein Autofahrer geklagt, nachdem er ein zugewuchertes Tempolimit übersehen hatte und anschließend geblitzt wurde. Das Gericht entschied, dass nicht sichtbare Schilder ihre Wirksamkeit verlieren – unabhängig von der Ursache der mangelnden Sichtbarkeit (AZ: 3 RBs 336/09).
Auch ein völlig zugeschneites Schild kann somit wirkungslos sein. Ein Freibrief für winterliche Raser und Falschparker ergibt sich daraus allerdings nicht. Denn wer sich darauf beruft, ein Schild nicht gesehen und gekannt zu haben, muss dies im Einzelfall immer genau nachweisen.
Nicht jede Ausrede zählt
Autofahrerinnen und Autofahrer, die ein zugeschneites Tempolimit in einer fremden Stadt übersehen haben, mögen vergleichsweise gute Chancen haben, wenn sie sich darauf berufen. Anders sieht es aus, wenn der Fahrer das Schild auf dem täglichen Weg zur Arbeit schon häufig passiert hat: Hier dürfte sich das Gericht nur schwer davon überzeugen lassen, dass das Tempolimit unbekannt war.
Zudem sieht die Straßenverkehrsordnung ein gewisses Mitdenken der Autofahrerenden durchaus vor. Dazu gehört es beispielsweise auch, sich beim Parken nach möglichen Verbotsschildern umzusehen und schlecht erkennbare Zeichen eventuell genauer zu überprüfen. Hier zieht die Ausrede schließlich nicht, das Schild im Vorbeifahren übersehen zu haben. Zudem ist allen Autofahrern bekannt, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften bei 50 km/h liegt - ob das entsprechende Schild zugeschneit ist oder nicht.
Auch verschneite Schilder können eindeutig sein
Gerade bei verschneiten Verkehrszeichen ist zudem die Form des Schildes wichtig. Denn viele Zeichen lassen sich trotz des Schnees noch an ihrer einzigartigen Form erkennen – zum Beispiel das achteckige Stoppschild oder das umgedrehte „Vorfahrt achten“- Dreieck. Hier lässt sich auch bei starkem Schneefall nur schwer nachweisen, dass man das Schild nicht erkennen konnte – selbst wenn es stark verdreckt oder zugeschneit war.
Mit besten Grüßen
Ihr Swen Walentowski
- Datum
- Aktualisiert am
- 14.01.2021
- Autor
- Swen Walentowski