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Flüchtlinge

Flücht­lings­schutz auch für Menschen aus "sicheren Herkunfts­staaten"

How can people get asylum when they are staying in Germany? © Quelle: hydebrink/fotolia.com

Wer aus einem sogenannten „sicheren Herkunftsstaat“ kommt, erhält in der Regel kein Asyl in Deutschland. Doch es kann Ausnahmen geben, etwa dann, wenn Menschen in solchen Staaten politisch verfolgt werden. Das zeigt der Fall einer Frau aus Mazedonien. Ihr hat ein Gericht nun den Status als Flüchtling zuerkannt.

Seit einiger Zeit diskutiert die Europäische Union, ob sie die Türkei zum „sicheren Herkunftsstaat“ erklären soll. Für Menschen, die von dort flüchten müssen, würde dies bedeuten: Sie hätten kaum Chancen, in Deutschland Asyl zu erhalten und damit hier zu bleiben.

Denn hinter den „sicheren Herkunfts­staaten“ steht die Idee, dass es in diesen Ländern in der Regel keine „asylre­levante Verfolgung“ von Menschen gibt, dass die Menschen dort also beispielsweise politisch nicht verfolgt werden und relativ sicher leben können. Eine Vorstellung, die Flücht­lings­hil­fe­or­ga­ni­sa­tionen wie Pro Asyl und Asylrechts­experten seit langem kritisieren und als unrealistisch ablehnen.

Dennoch arbeitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach dieser Vorstellung und lehnt daher regelmäßig die Asylanträge von Menschen aus „sicheren Herkunfts­staaten“ als „offensichtlich unbegründet“ ab. Das Amt prüft zwar die Asylanträge dieser Menschen nach wie vor einzeln. Aber das Asylver­fahren ist insgesamt verkürzt, der Ablehnungs­be­scheid schneller da - und damit die rechtliche Grundlage, um die Menschen rascher in ihr Herkunftsland abschieben zu können.

Davon betroffen sind aktuell besonders Menschen aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien, denn diese Länder gelten seit 2014 als „sichere Herkunfts­staaten“. Vor kurzem hat die Bundes­re­gierung angekündigt, auch Albanien, den Kosovo und Montenegro dazu bestimmen zu wollen.

Klägerin aus Mazedonien erhält Flücht­lings­status

Doch entgegen der derzeitigen Praxis des BAMF können auch aus „sicheren Herkunfts­staaten“ stammende Menschen Anspruch auf Asyl und einen Status als Flüchtling haben, wie das Verwal­tungs­gericht Oldenburg diesen September klarge­stellt hat (AZ: 6 A 32/15). Danach können diese Menschen einen Flücht­lings­status erhalten, wenn sie in ihrem Herkunftsstaat politisch verfolgt werden.  

Den Verwal­tungs­richtern lag der Fall einer in Deutschland aufgewachsene Frau vor, die  Mitgründerin eines Vereins für die Rechte der Roma ist und sich in Mazedonien für Minder­hei­ten­rechte eingesetzt hatte. Dabei hatte sie zum Beispiel Gewalt staatlicher Stellen dokumentiert und als Wahlbe­ob­achterin gearbeitet. Dies gefiel offenbar der örtlichen Polizei nicht. Nicht nur wurde der Ehemann mehrfach geschlagen, es kam über Jahre auch nach dem Ende der Arbeit für den Verein immer wieder zu Nachstel­lungen. Diese gipfelten in einem folgen­schweren Übergriff, bei dem die seinerzeit Schwangere das ungeborene Kind verlor, weil sie nicht bei einem von Sicher­heits­kräften geplanten Wahlbetrug mithelfen wollte.

Ende 2012 kam sie nach Deutschland. Den Asylantrag lehnte das zuständige BAMF aus rein formalen und allgemeinen Gründen ab, ohne den Einzelfall betrachtet zu haben. Das Verwal­tungs­gericht gewährte der jungen Mutter von damals zwei Kindern im Jahr 2013 zunächst vorläufigen Abschie­bungs­schutz.

Klage gegen abgelehnten Asylantrag erfolgreich

Ihre Klage gegen ihren abgelehnten Asylantrag war erfolgreich: Das Gericht verpflichtete die Bundes­re­publik Deutschland, der Klägerin den Status als Flüchtling zuzuer­kennen. Es hatte keine Zweifel an den umfang­reichen und detail­lierten Berichten, die im gesamten Verfahren von der Gegenseite nicht bestritten wurden. Zur mündlichen Verhandlung erschien nicht einmal ein Vertreter der Behörde.

„Das Verfahren beweist, dass die sorgfältige Prüfung des Einzel­falles jedes Asylan­trages unbedingt erforderlich ist. Allein die Herkunft aus einem bestimmten Staat darf kein Grund sein, das Schutz­niveau zu senken“, kommentiert der Rechts­anwalt Thomas Oberhäuser, Vorsit­zender der Arbeits­ge­mein­schaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV), das Urteil. „Die Anerkennung als Flüchtling ist auch bei den sogenannten ‚sicheren Herkunfts­staaten‘ möglich.“

Das Urteil ist noch nicht rechts­kräftig, das BAMF könnte beantragen, die Berufung zum Oberver­wal­tungs­gericht zuzulassen. Doch der Rechts­anwalt der Klägerin, Henning J. Bahr, ist trotzdem zuversichtlich: „Ein solcher Antrag dürfte wenig Aussicht auf Erfolg haben“. Das BAMF habe er dazu aufgefordert, einzulenken, indem das Amt das Urteil anerkennt und dem Ehemann und den Kindern ebenfalls Schutz gewährt. Deren Verfahren hat das Verwal­tungs­gericht zunächst ausgesetzt.

„Wenn die Gerichte bei angeblich 'sicheren' Herkunfts­staaten wie Mazedonien Schutz zuerkennen, ist die Einschätzung des Gesetz­gebers, dass es dort ungefährlich ist, sehr zweifelhaft“, so Rechtanwalt Bahr. „Auch in diesen Staaten gibt es immer wieder asylre­levante Verfolgung.“

Datum
Aktualisiert am
22.02.2016
Autor
ime
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Themen
Asyl Einwanderer Migration

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