Das Thema Flüchtlinge bewegt die Menschen in der Europäischen Union aktuell so stark wie kaum ein anderes. Dabei scheint es vielen, als kämen unzählige Flüchtlinge hierher. Doch tatsächlich gelangen nur sehr wenige der weltweit fast 60 Millionen Flüchtlinge in die EU, wie der statistische Jahresbericht des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR zeigt.
2014 stellten 627.000 Asylsuchende Asylanträge in den 28 EU-Ländern - ein Anstieg um 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Darunter waren 90 Prozent Erstanträge, fast die Hälfte davon beschieden die Behörden positiv. Von diesen Anträgen fielen 203.000 auf Deutschland, das in absoluten Zahlen an der Spitze steht. Setzt man sie ins Verhältnis zur Einwohnerzahl, hatte Schweden die meisten Asylanträge. Mit 2,5 Asylsuchenden pro tausend Einwohner belegte Deutschland in Europa Platz acht.
Wie sieht das Asylrecht in der EU aus?
Legale Wege, um in die EU zu gelangen, gibt es für Menschen aus außereuropäischen Ländern wenige. Wer einreisen will, benötigt ein Visum, doch für Asylsuchende gibt es dafür weder rechtliche Grundlagen noch ein Verfahren. Das ist einer der Gründe, warum viele von ihnen die oft tödlichen Fahrten über das Mittelmeer unternehmen.
Seit 1999 hat die EU ein gemeinsames Asylsystem. Dabei legen Verordnungen und Richtlinien etwa die Kriterien fest, nach denen jemand als Flüchtling anerkannt wird. Asylsuchende dürfen in der EU in der Regel nur ein Asylverfahren durchlaufen. Dieses muss nach der Dublin III-Verordnung in dem Land stattfinden, das sie beispielsweise auf ihrer Flucht zuerst betreten haben.
Warum streiten die Länder der EU über die Verteilung von Flüchtlingen?
In der Realität funktioniert das Dublin III-Verfahren nicht wirklich. Die Folge: Asylsuchende sind sehr ungleich auf die einzelnen EU-Länder verteilt, vor allem Deutschland und Schweden nehmen Asylsuchende auf. Daher plant die EU-Kommission, das Dublin-System zwar beizubehalten, es in Notlagen aber zu modifizieren und Asylsuchende dann nach festen Quoten zu verteilen. Die Quoten sollen sich beispielsweise nach der Einwohnerzahl oder dem wirtschaftlichem Vermögen des Landes richten.
Flüchtlinge weltweit
In seinem aktuellen statistischen Jahresbericht Global Trends schreibt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), weltweit seien über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Hälfte von ihnen seien Kinder. Dabei verlassen die vor allem vor Kriegen und Bürgerkriegen fliehenden Menschen zwar ihre Heimatregion, bleiben aber häufig im Heimatland. In Syrien etwa gibt es aktuell 7,6 Millionen sogenannte Binnenvertriebene, 3,8 Millionen Syrer haben das Land verlassen. Viele von ihnen sind in die benachbarte Türkei geflohen. Diese hat 2014 mit 1,59 Millionen Menschen weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Laut Global Trends Report sind Flüchtlinge global gesehen sehr unterschiedlich auf die Länder verteilt: „Knapp neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent) befanden sich 2014 in Ländern, die als wirtschaftlich weniger entwickelt gelten.“
Asylrecht in Deutschland
Eine ähnlich heftige Debatte um Asylsuchende wie derzeit gab es in Deutschland bereits Anfang der 90er Jahre. Diese lösten die steigenden Asylanträge von Menschen aus, die vor dem Balkankrieg hierher geflohen waren. Die Debatte begleiteten gewaltsame, oft tödliche Attacken auf Flüchtlinge und Migranten. Nach diesen Angriffen beschloss die Politik 1993, Artikel 16 des Grundgesetzes zu ändern: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Dieses Grundrecht wurde eingeschränkt, Artikel 16 a geschaffen.
Danach bekommt hierzulande kein Asyl, wer aus einem „sicheren Herkunftsland“ oder „sicheren Drittstaat“ einreist. Asyl entfällt auch, wenn ein anderer EU-Staat nach der Dublin-III-Verordnung zuständig ist. Da alle Länder um Deutschland „sichere Drittstaaten“ sind, können Asylsuchende nur im Flugzeug einreisen. Sie durchlaufen im Transitbereich ein verkürztes Asylverfahren, das „Flughafenverfahren“. Während es läuft, werden sie im Transitbereich festgehalten.
Was sind sichere Herkunftsländer und sichere Drittstaaten?
Asylsuchende erhalten keinen Schutz in Deutschland, wenn sie über einen sicheren Drittstaat, also die EU-Staaten, die Schweiz oder Norwegen, einreisen. Ihr Asylantrag wird inhaltlich gar nicht erst geprüft. Stammt jemand aus einem sicheren Herkunftsstaat, kann er in der Regel kein Asyl erhalten. Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien beispielsweise hat die Politik im Jahr 2014 als sichere Herkunftsländer klassifiziert.
Diesen September hat die Bundesregierung den Kosovo, Albanien und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern bestimmt.
Warum kommen aktuell so viele Asylsuchende nach Deutschland?
In den letzten Monaten sind die Zahlen der Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, stark angestiegen. Dennoch handelt es sich bei ihnen nach wie vor um einen sehr geringen Teil der weltweit knapp 60 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind (siehe oben). Die Bundesregierung erwartet, dass in diesem Jahr rund 800.000 Asylsuchende nach Deutschland kommen.
Die Zunahme hat verschiedene Ursachen: So dauern die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten an, der Krieg etwa in Syrien treibt nach wie vor viele Syrer in die Flucht. In der Folge hat die Migration über die Ägäis und den Balkon stark zugenommen.
Dazu kommt: Asylsuchende müssen sich nach der Dublin III-Verordnung der EU in dem EU-Land registrieren lassen, das sie als erstes betreten. Dort müssen sie auch ihren Asylantrag stellen. Meist sind das also die Länder am Mittelmeer wie Griechenland oder Italien. Doch das finanziell ohnehin gebeutelte Griechenland etwa kann die Flüchtlinge nicht aufnehmen und lässt sie unregistriert weiter reisen.
Umgekehrt wendet auch Deutschland die Dublin III-Verordnung zumindest bei Asylsuchenden aus Syrien nicht mehr an, es schickt diese Flüchtlinge also nicht zurück in das Land, das diese als erstes betreten haben. Viele Asylsuchende wissen darum und wollen daher lieber in Deutschland ihren Asylantrag stellen.
Auf welche rechtlichen Regeln können sich Asylsuchende in Deutschland berufen?
„Im Wesentlichen können sich Asylsuchende auf die in Deutschland und EU-weit greifende Genfer Flüchtlingskonvention stützen“, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Rolf Stahmann von der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Diese Konvention spricht ausdrücklich nicht von Asyl, sondern vom Flüchtlingsstatus.“ Danach ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet.
Auch gibt es internationalen subsidiären oder nationalen Schutz, der für den greift, dem im Herkunftsstaat Menschenrechtsverletzungen wie die Folter oder Todesstrafe drohen. Der nationale Schutz greift bei extremer Lebensgefahr, wenn jemand etwa krank ist und im Herkunftsstaat medizinisch nicht adäquat versorgt werden kann. Nach den genannten rechtlichen Regeln lag die Gesamtschutzquote im Juni 2015 bei fast 42 Prozent. Die Quote zeigt, wie viele Asylsuchende zu einem bestimmten Zeitpunkt hierzulande Schutz erhalten.
Wie ein Asylverfahren abläuft und weitere Informationen zum Thema Flüchtlinge erhalten Sie hier.
- Datum
- Aktualisiert am
- 22.02.2016
- Autor
- ime