
Landesverrat: Geheimnisverrat mit negativer Absicht
Was genau versteht man unter Landesverrat? Die Antwort findet sich im Strafgesetzbuch unter § 94. Demnach macht sich des Landesverrates schuldig, wer „…ein Staatsgeheimnis einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder sonst an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.“
Das heißt: Wer vertrauliche Informationen, die die deutsche Regierung betreffen, an andere weitergibt oder veröffentlicht und das mit der festen Absicht, Deutschland zu schaden, begeht Landesverrat. Im Falle von Netzpolitik.org ging es um die Veröffentlichung von sensiblen Informationen, also um sogenannten publizistischen Landesverrat. Die Journalisten hatten Passagen aus Dokumenten des Verfassungsschutzes auf ihrem Blog veröffentlicht. Die Ermittlungen wurden nach kurzer Zeit eingestellt.
DAV: Landesverrat gefährdet kritische Berichterstattung
Die Norm zur Ermittlung gegen Landesverrat, von der die Bundesanwaltschaft bei ihren Ermittlungen Gebrauch gemacht hat, wird seit Langem kritisiert. Der Vorwurf: Sie ermöglicht es dem Staat, gegen kritische Journalisten und negative Berichterstattung vorzugehen. Mit Demokratie und Pressefreiheit scheint das nicht vereinbar.
DAV fordert Abschaffung des Gesetzes gegen publizistischen Landesverrat
Wie wichtig kritischer Journalismus ist wenn es darum geht, Regierungen und Geheimdienste zu kontrollieren, hat sich den vergangenen Jahren vielfach gezeigt. Ein Beispiel ist die Aufdeckung des größten Abhörskandals der Welt durch die Dokumente von Edward Snowden. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert deshalb, dass der Straftatbestand des publizistischen Landesverrats abgeschafft wird. „Es besteht ein fundamentales Interesse der Öffentlichkeit, über solche Vorgänge aufgeklärt zu werden, insbesondere dann, wenn es um millionenfache Eingriffe in die Grundrechte geht“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg, Präsident des DAV.
Dass die Weitergabe von Staatsgeheimnissen unter Strafe steht, ist zwar grundsätzlich richtig. Nach Ansicht des DAV muss es den Medien aber möglich sein, sensible Informationen zu veröffentlichen, wenn sie bereits durchgesickert sind. Nur so können sie ihrer wichtigen Aufgabe – eine kritische Berichterstattung – gerecht werden.
Pressefreiheit braucht Quellenschutz
In den USA zum Beispiel können Journalisten nicht bestraft werden, wenn sie bereits durchgesickerte Informationen veröffentlichen. Dass die Pressefreiheit auch in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert hat, zeigt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Demnach müssen Journalisten ihre Informanten auch dann nicht preisgeben, wenn ihnen Informationen zugespielt werden, die aus einer Straftat stammen. Dazu zählen Akten, die aus Archiven gestohlen wurden oder Daten, die Hacker verbotenerweise beschafft haben.
Es muss sichergestellt werden, dass nicht nur das Privileg des Quellenschutzes gewährt wird, sondern die Presse auch die daraus gewonnenen Informationen verwerten kann. Ulrich Schellenberg resümiert: „Es kann nicht sein, dass der Bürger immer gläserner wird, während der Staat immer mehr versucht, geheim zu bleiben.“
- Datum
- Aktualisiert am
- 03.05.2017
- Autor
- vhe