Was bedeutet die One-Love Armbinde?
Zum Verständnis: Der Spielführer einer Fußballmannschaft ist an der sogenannten Kapitänsbinde erkennbar, die am Oberarm getragen wird. Das Merkmal der One-Love Armbinde ist, dass sie mit einem Herz bedruckt ist, dessen Inneres in Regenbogenfarben strahlt. Zusammen mit dem Schriftzug „One-Love“ sowie der Ziffer „1“ soll die Armbinde Ausdruck von Werten der Vielfalt und Offenheit sein: Menschenrechte, Diversität, Frauenrechte, gegen Diskriminierung, Rassismus und Homophobie. Die Idee entstammt dem niederländischen Fußballverband KNVB. Die Länder Niederlande, Deutschland, Belgien, Schweiz, Wales, England und Dänemark wollten die Binde beim größten Fußballturnier der Welt am Persischen Golf tragen.
Warum verbietet die FIFA das Tragen der One-Love Binde?
Die FIFA (Fédération Internationale de Football Association), also der internationale Fußballverband, organisiert die WM. Um Einheitlichkeit bei den Turnieren herzustellen, gibt die FIFA Regularien aus, denen die teilnehmenden Mannschaften zustimmen müssen. Als offiziellen Grund für das Verbot nennt die FIFA den Verstoß gegen das Ausrüstungsreglement – dort heißt es:
„Bei FIFA-Endrunden muss der Spielführer jedes Teams die von
der FIFA bereitgestellte Spielführerbinde tragen.“ (13.8.1)
Ihren eigenen Statuten zufolge bekennt sich die FIFA zu der Einhaltung und dem Schutz der Menschenrechte, sowie die Nicht-Diskriminierung, Gleichstellung und Neutralität (Art. 3, 4). Da dieses Bekenntnis dem Appell der One-Love Unterstützer augenscheinlich nicht entgegensteht, stellt sich die Frage, wieso die FIFA so handelt. Die signalisierten Werte sind für viele Menschen in Europa und der Welt Ausdruck eines gemeinschaftlichen Fußballfestes.
Welche Möglichkeiten hat die FIFA, die Armbinde zu verbieten und Spieler zu sanktionieren?
Bei Verstoß werde mit sportlichen Konsequenzen gedroht – laut Statut stehen mehrere Sanktionsmöglichkeiten zur Wahl (Art. 14.2., 55, 55.2.b, 55.3.g). DFB - Präsident Bernd Neuendorf zufolge wurde seitens der FIFA die Gelbe Karte als Mindeststrafe kommuniziert, sollte die Binde dennoch getragen werden. Aus Sorge vor Nachteilen im Turnier entschieden sich der DFB und seine Mitstreiter, auf den Armreif zu verzichten.
Das Verbot führt zur Frage, welche Legitimität das FIFA-Machtwort tatsächlich hat. Neben der offiziellen Begründung (die FIFA stellt die Armbinde), könne die One-Love Binde auch als politisches Statement interpretiert werden. Homosexualität steht in Katar unter Strafe – nicht-Muslimen droht bis zu sieben Jahren Gefängnis, Muslimen sogar die Todesstrafe. Sexuelle Vielfalt, wie sie die Regenbogenfarben der One-Love Binde symbolisieren, könnte ohne viel Fantasie als politischer Protest verstanden werden.
Nach den geltenden Regeln könne die FIFA die Binde zunächst verbieten, erklärt Rechtsanwalt Karl Hamacher, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) :
„Das Turnierreglement der FIFA für die WM in Katar sieht im Wortlaut vor, dass Slogans mit politischem, religiösem oder persönlichem Inhalt nicht zur Schau gestellt werden dürfen (27.1) Sämtliche Ausrüstungs- und Bekleidungsgegenstände müssen darüber hinaus von der FIFA bewilligt werden (27.3, 27.4).
Kurzum: die FIFA wendet die Regularien an, auf die sich die teilnehmenden Verbände geeinigt haben.
Kann der DFB gegen das Verbot rechtlich vorgehen?
Zumindest wurde der Versuch angekündigt – die Adresse wäre der internationale Sportsgerichtshof (CAS), der ein Ad-hoc Gremium für die WM einsetzt, das innerhalb von 48 Stunden über Anträge in Rechtsstreitigkeiten urteilt.
Allerdings:
Ein rechtliches Vorgehen gegen diese Bestimmungen setzt zunächst voraus, dass die „One Love“-Armbinde kein Slogan mit politischem Inhalt ist. Das könnte durchaus streitig sein, wenn man die Aussage nicht als politisches Statement, sondern als bloße Wiedergabe der Grundwerte des Fußballs ansieht. Der DFB hätte folglich ein Argument“, differenziert Sportrechtler Hamacher.
Allerdings sei eine solche Auffassung nicht zwingend, denn:
„Vertritt man die gegenteilige Auffassung, dass es sich um ein politisches Statement handelt, könnte man argumentieren, dass es Regelungen wie die der FIFA bei fast allen Sportgroßveranstaltungen gibt. Jede Weltmeisterschaft der vergangenen Jahre bezog sich auf ähnliche Regelungen, um politische und/oder religiöse Differenzen aus dem Spielgeschehen und aus dem Event rauszuhalten. Das ist sicherlich auch ein beachtliches Interesse, was man der oben aufgeführten Argumentation entgegenhalten könnte.“
Dadurch soll die WM auch wirklich Bühne für Fußball sein – Ein Aspekt, der Manchen bereits entschieden zu kurz kommt. Übrigens: Richtlinien im Verband sind nicht nur dann gültig, wenn sie von der FIFA kommen – auch im örtlichen Sportverein sind die geltenden Regeln bezüglich politischen Statements zu achten.
…Mund zu und „No-Discrimination“
Trotzdem werden Stimmen laut, die sich mehr Contra wünschen – zugehaltene Münder beim Gruppenfoto der DFB-Mannschaft und Politikerinnen, die sich mit der One-Love Binde im Stadion ablichten lassen, würden der FIFA kaum Paroli bieten. Die wiederum bietet Ersatz für das verbotene Stück Stoff – mit der „No-Discrimination“ - Binde.
Die Weltmeisterschaft in Katar ist erst eine Woche alt. Die Debatten sind wichtig und sollten geführt werden – ohne diejenigen zu vergessen, deren Besuch in Katar womöglich dem Ballspiel gilt.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 28.11.2022
- Autor
- red/dav