
Ein Rechtsstreit kann sich sehr lange hinziehen: So dauert der Streit zwischen zwei Komponisten, darunter der Komponist und Produzent Moses Pelham, und der Band Kraftwerk bereits mehr als zehn Jahre. Es geht dabei um zwei Sekunden – solange dauert die Sequenz, die besagte Komponisten von Kraftwerk kopiert, und für ihr Musikstück genutzt hatten. Das Bundesverfassungsgericht hat nun in dem Rechtsstreit entschieden – und ihn damit weiter in die Länge gezogen.
Der Fall: Streit um Sampling einer Zwei-Sekunden-Sequenz
Im zugrunde liegenden Fall hatten zwei Komponisten und ihre Musikproduktionsgesellschaft Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie wollten damit ihr Grundrecht auf Kunstfreiheit geltend machen. Die beiden Komponisten und eine Sängerin hatten sich bei einem ihrer Songs des Samplings bedient. Es handelte sich um das Stück „Nur mir“, das sie 1997 veröffentlichten. Es enthielt eine Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ der Band Kraftwerk aus dem Jahr 1977. Die Komponisten hatten sie nur geringfügig verändert und sie ihrem Musikstück als fortlaufend wiederholte Rhythmusfigur zugrunde gelegt.
Zwei Gründungsmitglieder der Band Kraftwerk hatten dagegen geklagt. Das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg gaben ihnen Recht. Die Musikproduktionsgesellschaft wurde dazu verurteilt, keine Tonträger mit der entsprechenden Version von „Nur mir“ mehr herzustellen und zu vertreiben. Bestehende Tonträger musste sie vernichten lassen. Außerdem sollte sie Schadensersatz zahlen.
BGH: Ausschnitte aus Musikstücken dürfen nur mit Erlaubnis des Urhebers verwendet werden
Der Bundesgerichtshof hatte die Entscheidung bestätigt. Den Richtern zufolge dürfen auch kleine Ausschnitte aus Musikstücken nur dann verwendet werden, wenn der Hersteller des Tonträgers es erlaubt. Alles andere verletzte das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers. Tonsequenzen direkt aus anderen Stücken zu übernehmen sei nur erlaubt, wenn man sie nicht in gleichwertiger Art nachspielen könne. Das sei bei der Sequenz aus „Metall auf Metall“ aber möglich gewesen.
Komponisten fordern Kunstfreiheit
Die Komponisten von „Nur mir“ sehen durch dieses Urteil ihre Kunstfreiheit verletzt. Das Sampling verursache dem Urheber des Originals keine merklichen wirtschaftlichen Nachteile. Deshalb sei die künstlerische Entfaltungsfreiheit wichtiger als das Interesse des Tonträgerherstellers am Schutz seines geistigen Eigentums.
Es sei zwar erlaubt, eine Sequenz aus dem Original selbst einzuspielen. Das hätte aber nicht den Zweck erfüllt, den die Komponisten verfolgten. Beim Sampling gehe es konkret um den Bezug auf das gesampelte Werk. Die Komponisten waren der Meinung, dass es so für Musikschaffende unmöglich sei, sich mit älterer Musik künstlerisch auseinanderzusetzen.
Bundesverfassungsgericht: Kunstfreiheit beachten, Fall neu verhandeln
Sie wandten sich mit einer Verfassungsbeschwerde ans Bundesverfassungsgericht. Dieses gab der Verfassungsbeschwerde statt und verwies den Fall an den BGH zurück. Der Fall muss nun neu verhandelt werden. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts waren der Meinung, dass der BGH in seinem Urteil die Kunstfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt habe. Das gelte insbesondere, da die Sequenz, um die es geht, sehr kurz sei. Das Musikstück der Komponisten sei ein neues, eigenständiges Kunstwerk. Die Band Kraftwerk hätte dadurch keinen wirtschaftlichen Schaden erlitten.
- Datum
- Aktualisiert am
- 02.06.2016
- Autor
- vhe