Versichern kann man sich in Deutschland gegen so gut wie jedes Risiko. Ob das immer sinnvoll ist, kommt auf das eigene Sicherheitsbedürfnis und die persönliche Lebenssituation an. Gegen Invalidität nach einem Unfall möchte sich wohl jeder gerne absichern. Aber Vorsicht: Eine Unfallversicherung zahlt nicht automatisch bei einem Unfall – im Gegenteil, die Kriterien der Versicherer werden teilweise sehr eng ausgelegt.
Unfallversicherung: Für die meisten sinnvoll
„Die Unfallversicherung ist sicherlich eine der Versicherungen, die sehr sinnvoll und erschwinglich ist“, sagt Arno Schubach, Rechtsanwalt für Versicherungsrecht und Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgruppe Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Denn bei Unfällen sei das Invaliditätsrisiko sehr groß.
Eine Unfallversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu haben, schließt sich dabei nicht aus. Mit der Berufsunfähigkeitsversicherung ist das Einkommen abgesichert – es soll sichergestellt werden, dass die Versicherten ihren Lebensstandard halten können. „Die Kosten, die eine Invalidität nach sich zieht, kann man aus den Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung aber nicht finanzieren“, ergänzt Rechtsanwalt Schubach. Deshalb seien beide Versicherungen parallel zueinander empfehlenswert.
Versicherungssumme bei der Unfallversicherung abhängig vom Lebensstandard
In welcher Höhe die Versicherungssumme einer Unfallversicherung abgeschlossen werden sollte, hängt vom individuellen Lebensstandard ab. Jeder sollte überschlagen, welche Kosten im Falle der Invalidität drohen könnten, wenn man zum Beispiel Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung ist. „Eine Grundsumme von 200 000 Euro inklusive Progression, bei der die Versicherung im Höchstfall mit 500 000 Euro oder mehr einspringt, halte ich für empfehlenswert und auch erschwinglich“, sagt der Rechtsanwalt aus Frankfurt. Bei einem höheren Lebensstandard könnten auch Versicherungssummen ab 500 000 Euro bis hin zu 1 Million Euro oder sogar mehr sinnvoll sein.
Progression: Niedrigere Progression sinnvoll
In den meisten Fällen werden Unfallversicherungen nicht nur über eine Grundsumme, sondern auch über eine Progression abgeschlossen. Kommt es zu einem Unfall, steigt bei einer progressiven Unfallversicherung die Leistung mit zunehmendem Invaliditätsgrad überproportional, teilweise auf ein Vielfaches der Versicherungssumme.
Arno Schubach zufolge ist es in den meisten Fällen ratsam, in die Grundsumme zu investieren und eine niedrige Progression zu wählen. „Um von einer hohen Progression zu profitieren, müssten Versicherte zu einem extrem hohen Grad oder gar zu 100 Prozent invalide sein“, erklärt der Rechtsanwalt. Es komme sehr selten vor, dass Versicherte nach einem Unfall unter einem Invaliditätsgrad von mehr als 50 Prozent litten – es sei denn, sie verlören beide Augen, beide Beine oder blieben querschnittsgelähmt.
Meist bekämen Versicherte mit einer vergleichsweise höheren Grundsumme mehr heraus, als wenn die Grundsumme niedrig und stattdessen aber die Progression höher gestaffelt ist.
Unfallversicherung: Nur plötzliche, von außen kommenden Ereignisse abgesichert
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wann eine Unfallversicherung zahlt. Denn anders als gedacht zählt in diesem Kontext nicht alles als Unfall, was landläufig so bezeichnet wird. Damit die Versicherung einspringt, muss ein Unfall im Sinne der Bedingungen vorliegen. Das bedeutet, man erleidet durch ein plötzlich von außen kommendes Ereignis einen Gesundheitsschaden. Wenn jemand zum Beispiel lange Zeit auf einem Traktor Rüttelbewegungen ausgesetzt war und dann einen Bandscheibenvorfall erleidet, gilt das nicht als „plötzlich“.
Ob plötzlich oder nicht, ist allerdings nicht das Hauptproblem wenn es darum geht, Ansprüche gegen Versicherungen geltend zu machen. Problematischer ist das „äußere Ereignis“. Zieht man sich beispielsweise beim Joggen einen Bänderriss zu, ohne dass irgendwas anderes passiert, wäre der Unfall nicht versichert. Tritt man hingegen auf eine Kante und passiert dann etwas, wäre das ein Versicherungsfall.
Unfallanzeige: Ursachen benennen äußerst wichtig
Wie bei allen Versicherungsfällen stellt sich in so einem Fall die Frage nach dem Beweis. Diesen zu erbringen kann sehr schwierig sein. Typischerweise kann während eines Prozesses das Gericht den Versicherungsnehmer anhören. Rechtsanwalt Schubach erklärt: „Meistens ist eher das Problem, dass der Versicherte den ‚äußeren Einfluss‘ gar nicht bemerkt und seine Unfallanzeige abgegeben hat, ohne anzugeben, etwa über eine Wurzel oder eine Kante gestolpert zu sein.“
Die meisten kämen erst einmal nicht auf den Gedanken, dass sie auch die Ursache für ihren Laufunfall benennen müssten. Theoretisch ist es zwar möglich, die Unfallanzeige im Nachhinein zu ändern und Details hinzuzufügen. Ob das Gericht den Versicherten dann für zuverlässig hält, ist aber fraglich.
Unfallversicherung zahlt nur bei dauerhafter Beeinträchtigung
Wichtig ist zudem: Eine Unfallversicherung springt nicht ein, wenn der Versicherte sich „lediglich“ vorübergehende Blessuren zugezogen hat. Sie zahlt nur bei Invalidität, also bei dauerhafter Beeinträchtigung. Wenn der Versicherte keinen Dauerschaden behält, bekommt er auch kein Geld.
Man kann in der Unfallversicherung sich aber auch für andere Szenarien absichern lassen: zum Beispiel die Übergangsleistung für den Fall, dass man infolge eines Unfalls mehr als ein halbes Jahr lang schwer beeinträchtigt ist. Tagegeld wäre eine weitere Option für die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Das sind allerdings alles Leistungen, bei denen man sich sehr genau überlegen muss, ob es sinnvoll ist, dafür eine Prämie zu zahlen. Die wichtige Kernleistung in der Unfallversicherung ist schließlich die Invalidit
- Datum
- Aktualisiert am
- 04.04.2016
- Autor
- kgl/red