
Die Zahl der Haushalte in Deutschland, die mehreren Gläubigern Geld schulden und diese Schulden über einen längeren Zeitraum nicht zurückzahlen können, ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Wie das Bundesarbeitsministerium im September 2016 bekannt gibt, fielen 2015 insgesamt 1,97 Millionen Haushalte in diese Kategorie. 2006 waren e noch 1,64 Millionen gewesen. Führen hohe Schulden bei mehreren Gläubigern automatisch zu einer Privatinsolvenz?
Privatinsolvenz nur letzter Ausweg bei Schulden
Bevor es überhaupt zu einer Privatinsolvenz kommt, müssen zunächst andere Schritte abgeschlossen sein. „Im Gegensatz zu Unternehmern können private Schuldner nicht einfach zu einem Insolvenzgericht gehen und dort einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen“, informiert Rechtsanwältin Anna Kuleba, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht und Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Zuvor muss versucht werden, mit den Gläubigern eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Erst wenn diese scheitert, kommt es zu einem Verbraucherinsolvenzverfahren.“
Vor dem Privatinsolvenzverfahren steht das sogenannte außergerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren. Das bieten Schuldnerberatungsstellen oder spezialisierte Rechtsanwälte. Diese helfen dem Schuldner dabei, sämtliche Gläubiger zu erfassen und diesen eine Regulierung der Schulden anzubieten. Erst wenn sich die Gläubiger und der Schuldner nicht einigen können, kann beim zuständigen Insolvenzgericht ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt werden. Hierfür gibt es bestimmte Formulare, die zwingend verwendet werden müssen.
Mitspracherecht bei Wahl des Treuhänders
Restschuldbefreiung bedeutet, dass der Schuldner nach Beendigung der Wohlverhaltensphase von den restlichen Verbindlichkeiten befreit wird. Die Wohlverhaltensperiode beginnt mit der Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens. In dieser Zeit hat der Schuldner einen Treuhänder an seiner Seite, der sich um die Verwaltung der Schulden kümmert. Er wird vom Gericht bestellt.
Rechtsanwältin Kuleba weist darauf hin, dass der Schuldner bei der Wahl des Treuhänders ein Mitspracherecht hat: „§ 288 der Insolvenzordnung zufolge können der Schuldner und die Gläubiger gemeinsam dem Insolvenzgericht eine Person als Treuhänder vorschlagen. In der Regel wird aber der vorherige Insolvenzverwalter als Treuhänder bestellt.“
Privatinsolvenz: Dauer der Wohlverhaltungsperiode kann verkürzt werden
Die Wohlverhaltungsperiode im Rahmen der Privatinsolvenz beträgt in der Regel sechs Jahre. Seit der Gesetzesreform 2014 kann die Frist auf drei Jahre verkürzt werden. „Das ist jedoch nur möglich, wenn im Insolvenzverfahren nach Ablauf von drei Jahren die Gläubiger mit einer Quote von 35 Prozent befriedigt werden können“, erklärt Anwältin Kuleba. Möglich sei es auch, die Frist auf fünf Jahre zu verkürzen. Dazu müsse der Schuldner die Kosten des Insolvenzverfahrens beglichen haben, also die Gerichtskosten sowie die Vergütung des Insolvenzverwalters und Treuhänders.
Unpfändbarer Grundbetrag zur freien Verfügung bei Privatinsolvenz
Wieviel von seinem Einkommen ein Schuldner während des Insolvenzverfahrens und der Wohlverhaltensperiode behalten darf, regelt die Pfändungstabelle. Demnach kann jeder Schuldner pro Monat über einen unpfändbaren Grundbetrag von 1.073,88 Euro von seinem Einkommen verfügen. Wenn der Betroffene für eine andere Person Unterhalt zahlen muss, kommen 404,16 Euro dazu, bei zwei Personen noch einmal 225,17 Euro.
Für diesen Geldbetrag kann der Schuldner ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto, auch P-Konto genannt, einrichten lassen. Es funktioniert wie ein normales Girokonto, der Schuldner kann also seine Geldgeschäfte wie gewohnt durchführen. Das Guthaben auf dem Konto darf den bei einer Privatinsolvenz zulässigen Grundbetrag jedoch nicht übersteigen.
Auch bei Privatinsolvenz kann nicht alles gepfändet werden
Wie sieht es mit Haushalts- und Wertgegenständen aus? „Für den Lebensbedarf notwendige Gegenstände sind nicht pfändbar “, sagt die Anwältin als Osnabrück. „Welche Gegenstände das genau sind, kommt natürlich auf den Einzelfall an.“ So könne der Schuldner zum Beispiel sein Auto behalten, wenn er es brauche um zur Arbeit zu fahren. Auch Fernseher und Computer gelten in der Regel als unpfändbar, da jeder Mensch die Möglichkeit haben müsse, sich zu informieren.
Als pfändbar gelten Rechtsanwältin Kuleba zufolge hingegen alle Gegenstände, die für den gewöhnlichen Lebensunterhalt und Haushalt nicht notwendig sind, zum Beispiel Wertgegenstände wie Schmuck. Ein sehr teures Auto kann bei einer Privatinsolvenz ebenfalls gepfändet und gegen ein günstigeres Modell ausgetauscht werden.
BGH-Urteil: Riester-Rente bei Privatinsolvenz nicht pfändbar
Wer über Jahre hinweg Geld in eine Riester-Rente eingezahlt hat und dafür staatliche Zulagen bekommen hat, muss sich um dieses Kapital im Fall einer Privatinsolvenz keine Sorgen machen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) im November 2017 klargestellt. Voraussetzung ist nach dem Urteil allerdings, dass staatliche Zulagen gezahlt wurden und die Altervorsorgebeiträge den Höchstbetrag nicht übersteigen.
Anlass für das Urteil war der Fall einer überschuldeten Frau aus Stuttgart, welche 2010 einen Riester-Vertrag für ihr Altersversorgung abgeschlossen hatte. Nachdem sie insgesamt 333 Euro an Rentenversicherungsbeiträgen eingezahlt hatte, setzte sie den Vertrag aus und wurde beitragsfrei gestellt. Als die Frau 2014 Privatinsolvenz anmeldete, kündigte der Insolvenzverwalter den Riester-Vertrag und verlangte die Auszahlung des Rückkaufwerts der Versicherung zur Begleichung der Schulden. Nach Ansicht der Schuldnerin sei das Altersvorsorgevermögen einschließlich der Erträge der Riester-Rente pfäundungsfrei, da diese nicht auf andere Personen übertragbar seien.
Diese Sicht teilte der BGH - für das angesparte Riester-Guthaben bestehe Pfändungsschutz. Im vorliegenden Fall müsse allerdings das Landgericht Stuttgart noch prüfen, ob die Schuldnerin tatsächlich einen Zulagenantrag gestellt hatte und somit die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage vorlagen. Nur dann sei das Riester-Guthaben pfändungsfrei.
Erben bei Privatinsolvenz: Nur Hälfte abgeben
Wer Privatinsolvenz angemeldet hat und erbt, wird dadurch einen Teil seiner Schulden los. Denn erbt der Schuldner während des Insolvenzverfahrens, fällt die Erbschaft in die Insolvenzmasse. Das heißt, sie wird an die Gläubiger weitergegeben. Während der Wohlverhaltensperiode geht die Hälfte einer Erbschaft an die Gläubiger zur Begleichung der Schulden.
Obliegenheiten in der Wohlverhaltensphase
Die Wohlverhaltensphase im Rahmen der Privatinsolvenz trägt diesen Namen nicht umsonst: In dieser Zeit hat ein Schuldner gewissen Pflichten, Obliegenheiten genannt. Demnach muss er einer angemessenen Arbeit nachgehen. Ist er arbeitslos, muss er sich um eine Arbeit bemühen, soweit ihm das möglich ist. Alle Änderungen, die seine persönlichen Verhältnisse und sein Vermögen betreffen, muss er seinem Treuhänder mitteilen. Dazu zählt ein Jobwechsel, ein Umzug, aber auch eine Erbschaft.
Restschuldbefreiung kann versagt werden
Dass ein Schuldner nach dem Auflauf von sechs Jahren von seinen restlichen Schulden befreit wird, ist jedoch nicht selbstverständlich. „Der Gesetzgeber räumt damit ´redlichen` Schuldnern die Möglichkeit ein, finanziell schnell wieder auf die Beine zu kommen“, erklärt Anna Kuleba. „Die Restschuldbefreiung kann auch versagt werden.“ Dazu müssen jedoch bestimmte Gründe vorliegen.
So verspielt ein Schuldner die Möglichkeit auf Restschuldbefreiung, wenn er in der Vergangenheit falsche Angaben zu seinem Vermögen gemacht hat, um einen Kredit oder Leistungen von öffentlichen Stellen wie Bafög oder Hartz IV zu erhalten. Negativ wirkt sich ebenfalls aus, wenn der Schuldner seinen Obliegenheiten nicht nachkommt und zum Beispiel umzieht, ohne dem Treuhänder seine neue Adresse mitzuteilen. Oder aber, wenn er schon im Insolvenzantrag über die Höhe seines Vermögens gelogen hat.
Die Restschuldbefreiung kann auch versagt werden, wenn der Schuldner nicht arbeitet und sich auch nicht um eine Arbeit bemüht, obwohl er es könnte. Letztlich kommt es auf den Einzelfall an, ob die Restschuldbefreiung gewährt wird oder nicht.
Restschuldbefreiung bei Privatinsolvenz umfasst keine Bußgelder
Vorsicht: Eine Restschuldbefreiung umfasst keine Deliktforderungen. Das sind zum Beispiel Bußgelder wegen Ordnungswidrigkeiten, vorsätzlich pflichtwidrig nicht gezahlter Unterhalt oder bestimmte Steuerschulden. Dafür muss ein Schuldner unter Umständen aufkommen, auch wenn ihm im Rahmen der Privatinsolvenz eine Restschuldbefreiung gewährt wurde.
- Datum
- Aktualisiert am
- 17.11.2017
- Autor
- vhe