Grauer Kapitalmarkt: Teilweise nebulöse Produkte
Zunächst ist wichtig: Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz, das seit dem 1. Juli 2015 gilt, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) es auf unseriöse Anlageprodukte im sogenannten grauen Kapitalmarkt abgesehen. Als grauen Kapitalmarkt bezeichnet man den Teil des Finanzmarktes, der nicht komplett staatlich reguliert ist. In diese Kategorie werden üblicherweise Produkte und Anbieter eingestuft, die zwar nicht illegal sind – dann würden sie zum „schwarzen Kapitalmarkt“ zählen –, aber auch nicht seriös und sicher genug, um zum „weißen Kapitalmarkt“ zählen zu können.
Als zum weißen Kapitalmarkt zugehörig gelten Finanzprodukte und Emittenten – als solche bezeichnet man die Unternehmen, die Finanzprodukte ausgeben –, die von staatlichen Institutionen geprüft und als seriös eingestuft werden. Zudem zeichnen sie sich in der Regel als besonders transparent aus. Das heißt: Die Chancen und vor allem die Risiken, die mit einem Investment einhergehen, werden deutlich kommuniziert.
Kleinanlegerschutzgesetz soll grauen Kapitalmarkt erhellen
An dieser Stelle setzt das Kleinanlegerschutzgesetz an. Es betrifft die Prospektpflicht bestimmter Anlageprodukte: Der Anbieter muss dort aktuelle und ausführliche Informationen insbesondere zu Verlustrisiken veröffentlichen. Die BaFin prüft, ob die Prospekte den Anforderungen entsprechen. Ist das nicht der Fall, droht ein Vertriebsverbot. Dabei listet die BaFin auf ihrer Internetseite auf, welche Produkte verboten sind.
Begriffserklärungen
Beteiligungen an Treuhandvermögen: Wer sich an einem Treuhandvermögen beteiligt, überlässt einem anderen – dem Treuhänder – eine Geldsummer zur Verwaltung. Dieser wiederum verpflichtet sich, das Vermögen möglichst gewinnbringend anzulegen. Zu Treuhandvermögen können geschlossene Fonds oder Crowdfunding-Projekte zählen.
Unternehmensbeteiligungen: Wer sich finanziell an einem Unternehmen beteiligt, wird zum Anteilseigner dieses Unternehmens. Er ist dann auch am Gewinn oder am Verlust des Unternehmens beteiligt. Mit einer Unternehmungsbeteiligung geht auch ein Mitspracherecht bei Unternehmensentscheidungen einher.
Namensschuldverschreibung: Eine Namensschuldverschreibung ist ein festverzinsliches Wertpapier. Es gehört zur Gruppe der Schuldverschreibungen, zu der zum Beispiel auch Anleihen gehören. Der Unterschied zu anderen Schuldverschreibungen ist, dass eine Namensschuldverschreibung persönlich auf den Käufer ausgestellt ist.
Die Anforderungen gelten für Beteiligungen an Treuhandvermögen, Unternehmensbeteiligungen, Namensschuldverschreibungen und Genussscheine. Genussscheine sind Wertpapiere. Wer sie kauft, erwirbt damit ein Recht auf eine jährliche Zahlung aus dem Gewinn des ausgebenden Unternehmens. Nach Ende der Laufzeit erhalten die Anleger die investierte Summe zurück. Erwirtschaftet das Unternehmen keinen Gewinn, schüttet es auch keine Gelder aus. Erwirtschaftet der Emittent Verluste oder muss er sogar Insolvenz anmelden, ist es wahrscheinlich, dass die Anleger ihr Geld nicht mehr zurückbekommen.
Genussscheine waren es auch, die die Anleger im Prokon-Skandal um ihr Geld brachten. Heißt das, dass private Kleinanleger von Genussrechten generell die Finger lassen sollten? Nein, sagt Rechtsanwältin Daniela Bergdolt von der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Genussrechte beziehungsweise Genussscheine sind per se keine schlechten Anlageprodukte. Riskant werden sie durch unseriöse oder gar kriminelle Emittenten.“
„Anlegerschutz sieht anders aus“
Ob das Kleinanlegerschutzgesetz Verbraucher wirklich davor bewahren kann, unseriösen Anbietern zum Opfer zu fallen, bezweifelt die Expertin. „Das Gesetz ist nur eine kleine Nachbesserung der zuvor bestehenden Gesetzgebung“, sagt Daniela Bergdolt. „Wirksamer Anlegerschutz sieht anders aus.“
Wie kann umfassender Verbraucherschutz gewährleistet werden? „Kleinanleger wären nur dann wirksam geschützt, wenn die Beweislast umgekehrt würde“, erklärt die Anwältin. „Aktuell ist es so: Wenn ein Verbraucher mit einem Investment Geld verliert, muss er beweisen, dass er falsch beraten wurde, um seine Rechte geltend zu machen. Das ist naturgemäß sehr schwierig. Viel sinnvoller wäre es, wenn die Bank oder der Finanzdienstleister beweisen müssten, dass sie den Verbraucher richtig beraten und über die Risiken eines Investments aufgeklärt haben.“
Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg – auch wenn zum Beispiel im Arzthaftungsrecht eine solche Regelung bereits etabliert ist. „Finanzdienstleister haben eine sehr starke Lobby“, informiert Daniela Bergdolt. „Sie ist vor finanziell bedeutend schlagkräftiger als die Lobby der Anleger.“
Kleinanlegerschutz auch für Crowdfunding?
Wenn es um Anlegerschutz geht, rücken auch Crowdfunding- beziehungsweise Crowdinvesting-Projekte immer mehr in den Fokus von Verbraucherschützern. Crowdinvesting ist eine Art der Finanzierung von Projekten oder Unternehmen, bei der eine große Anzahl an meist privaten Investoren Geld für ein Projekt bereitstellt. Crowd steht in diesem Zusammenhang für Menge. Organisiert werden diese Projekte in der Regel über spezielle Online-Plattformen. Die Investoren können sich häufig auch mit kleinen Beiträgen beteiligen. Crowdinvesting ist eine beliebte Strategie zur Finanzierung von Unternehmensgründungen sowie von kreativen und unkonventionellen Projekten.
„Crowdinvesting-Projekte sind bis zu einer bestimmten Größe vom Kleinanlegerschutzgesetz ausgenommen und bislang nicht reguliert“, erklärt Daniela Bergdolt. „Das sind Projekte, bei denen das Gesamtvolumen unter 2,5 Millionen Euro liegt und bei dem pro Anleger maximal 1.000 Euro investiert werden können.“ Damit sollen Unternehmensgründungen, die sich häufig über Crowdfunding investieren, nicht gefährdet werden.
Kleinanleger: Besonders schutzbedürftig?
Sind Kleinanleger überhaupt so schutzbedürftig, dass es vieler Gesetze bedarf? Häufig kommt einem in diesem Zusammenhang das Bild des unwissenden Otto-Normal-Verbrauchers in den Sinn, der Werbung nicht hinterfragt und vor sich selbst geschützt werden muss. „Das trifft nicht zu“, sagt Daniela Bergdolt. „Häufig braucht es spezifisches Fachwissen, um die Qualität eines Angebots richtig einschätzen zu können. Das gilt nicht nur, aber in besonderem Maße für Investmentprodukte. Da Emittenten und Banken gegenüber dem Verbraucher naturgemäß einen großen Wissensvorsprung haben, brauchen die Anleger einen besonderen Schutz, damit dieser Wissensvorsprung nicht ausgenutzt wird.“
Vorsicht bei hohen Renditeversprechen
Wichtig: Wer sein Vermögen oder ein Teil seines Vermögens in Wertpapiere investieren möchte, sollte die Bedingungen der Angebote genau prüfen. Insbesondere, wenn hohe Renditen versprochen werden, ist Vorsicht geboten. Denn attraktive Renditen lassen sich in der Regel nur bei einem hohen Risiko realisieren. Anleger sollte sich vor allem darüber informieren, was passiert, wenn der Emittent Insolvenz anmelden muss. Das gilt auch für Produkte, bei denen das Kleinanlegerschutzgesetz nicht greift.
- Datum
- Aktualisiert am
- 15.02.2016
- Autor
- vhe