Unehrliche Erben

Was kann man gegen Erbschleicher tun?

Erbschleicher gewinnen häufig zunächst das Vertrauen älterer vermögender Menschen. © Quelle: Ababsolutum/gettyimages.de

Die Deutschen werden älter, und damit steigt auch die Zahl der Pflege­be­dürftigen. 2030 wird es hierzulande 3,5 Millionen Menschen geben, die ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen können. Wer Hilfe braucht, ist von anderen abhängig, und wo Abhängigkeit ist, besteht auch das Risiko, dass diese Abhängigkeit ausgenutzt wird. In diesem Spannungsfeld finden Erbschleicher ein Eldorado, vermögende ältere Menschen sind besonders gefährdet.

Eine gebrechliche alte Dame und der junge Nachbar, der sich rührend um sie kümmert – und nach ihrem Tod eine beträchtliche Summe Geld erbt. Wo freiwillige, ehrlich Zuwendung aufhört und Erbschlei­cherei anfängt, ist in der Regel schwer zu ermitteln. Und auch wer gegen einen vermeint­lichen Erbschleicher vorgeht, hat nicht immer Gutes, sondern manchmal nur seinen eigenen finanziellen Vorteil im Sinn. Ein Problem dabei: Erbschlei­cherei kann oft nicht bewiesen werden.

Erbschleicher: Kein Straftat­bestand, aber strafrechtlich relevant

Ein Straftat­bestand ist Erbschlei­cherei in Deutschland nicht. „Als Erbschleicher gilt eine Person, die auf unmora­lische oder widerrechtliche Weise in den Besitz einer Erbschaft zu kommen versucht“, erklärt Dr. Wolfram Theiss, Rechts­anwalt für Erbrecht und Vorsit­zender des Geschäfts­füh­renden Ausschusses der Arbeits­ge­mein­schaft Erbrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Wer sich ein Erbe erschleiche, mache sich womöglich des Betrugs, der Nötigung oder der Untreue schuldig.

Weitgehende Testier­freiheit in Deutschland

Dies zeigt, dass das Thema Erbschlei­cherei rechtlich schwer zu fassen ist. Für den Erblasser gibt es kaum rechtliche Einschrän­kungen. Denn grundsätzlich besteht in Deutschland Testier­freiheit. Das bedeutet, man kann sein Geld vererben, wem man möchte.

Eine Einschränkung gibt es allerdings: § 14 Heimgesetz (HeimG) besagt, dass Mitarbeiter und Leiter von Pflege­ein­rich­tungen nicht im Testament bedacht und auch anderweitig nicht beschenkt werden dürfen, wenn sie von der Zuwendung wissen. Dieses Gesetz soll verhindern, dass Bewohner Privilegien erhalten oder unter Druck gesetzt werden können. Gerichtlich bestellte Betreuer, familiäre und private Pflege­helfer sind von dem Gesetz nicht betroffen. Ob das Verbot auch für ambulante Pflege­dienste gilt, kommt auf der Bundesland an.

Krankheit, Schwäche, starke Medikamente: Testier­fä­higkeit unklar

„Die Voraus­setzung für die Testier­freiheit ist allerdings, dass der Verfasser des Testaments Herr seiner Sinne ist, also selbst­be­stimmt und selbst­ver­ant­wortlich handelt“, fügt Rechts­anwalt Theiss hinzu. Sei er dazu nicht mehr in der Lage, weil er zum Beispiel unter Demenz leidet, depressiv ist oder starke Medikamente nimmt, sei er nicht testierfähig. Testamente, die unter diesen Umständen verfasst werden, sind ungültig.

Gutachten kann Testier­fä­higkeit feststellen

Ob jemand testierfähig ist oder nicht, ist oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Viele ältere Menschen zeigen äußerlich keine „Abbauerschei­nungen“, sind aber bei weitem nicht mehr fit genug, um rechtliche Angele­gen­heiten zu regeln.

Gerade bei den Menschen, die heute zwischen 70 und 80 Jahren alt sind, kommt eine historisch bedingte Schwie­rigkeit hinzu: Aufgrund von Krieg und Flucht haben sie möglicherweise nur wenig Bildung genossen. Wer zwar noch fit im Kopf ist, aber nur schlecht lesen und schreiben kann, ist ebenfalls gefährdet, Opfer von Erbschleichern zu werden.

Mit einem medizi­nischen Gutachten lässt sich sicher feststellen, ob ein Mensch noch testierfähig ist oder nicht. Im Nachhinein, insbesondere nach dem Tod des Erblassers, lässt sich das allerdings nur mit großen Schwie­rig­keiten nachvoll­ziehen.

Anschleichen, abhängig machen, abzocken: Strategie der Erbschleicher

Das machen sich Erbschleicher zunutze. Sie gehen in der Regel nach einer bestimmten Strategie vor. Zunächst gewinnen sie das Vertrauen des Opfers. Ältere, allein­stehende und kranke Menschen sind oft leichte Beute. Der zweite Schritt ist, das Opfer von seinem Umfeld zu isolieren, also zum Beispiel Telefon­anrufe abzublocken oder schlecht über Famili­en­an­ge­hörige zu sprechen. Danach lässt der Erbschleicher bei dem Opfer ein schlechtes Gewissen und Abhängigkeit entstehen. Aus Dankbarkeit oder unter Druck überschreiben viele Erblasser dem Erbschleicher dann zu Lebzeiten Vermögenswerte oder setzen ihn als Erben ein. Zwei Beispiele zeigen, wie Erbschleicher vorgehen können:

Erster Fall: Eine Frau hat zwei Töchter, Lisa und Henriette. Henriette lebt bei der Mutter, Lisa im Ausland. Henriette kümmert sich um die Mutter, Lisa nicht. Henriette erwirkt von der Mutter eine Vorsor­ge­vollmacht und hebt kontinu­ierlich größere Beträge von dem Konto der Mutter ab. Beim Tod der Mutter ist das wesentliche Vermögen aufgebraucht – und Lisas Erbteil deutlich geschmälert.

Zweiter Fall: Eine 50-jährige Pflegerin heiratet ihren Schützling, einen leicht dementen älteren Herrn, kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag. Die Familie des Herrn weiß davon nichts. Die Pflegerin bringt den Erblasser dazu, ihr sein Hausgrundstück zu übertragen. Wenig später setzt er sie auch als Alleinerbin ein und stirbt kurz darauf.

Erbschlei­cherei versus freiwillige Zuwendung: Unterscheidung oft schwierig

In beiden Fällen könnte es sich um Erbschlei­cherei handeln. Gleich­zeitig muss nicht hinter jedem auf den ersten Blick ungewöhn­lichen Fall kriminelle Energie stecken. Manche älteren Menschen möchten sich womöglich einfach erkenntlich zeigen, zum Beispiel für gute Pflege – und haben natürlich das Recht dazu.

Schutz vor Erbschleichern: Noch zu Lebzeiten Maßnahmen treffen

Es gibt einige Schutz­me­cha­nismen, mit denen Erblasser und ihre Angehörigen sich schon zu Lebzeiten vor Erbschleichern schützen oder ihnen zumindest die Arbeit sehr erschweren können:

1) Bestellung eines Betreuers

Der ältere Mensch kann sich einen Betreuer zu Hilfe nehmen, der finanzielle Angele­gen­heiten für ihn regelt. Famili­en­mit­glieder oder andere Dritte können dies aber höchstens anregen: Die Antrag auf Betreuung selbst kann nur vom Betroffenen gestellt werden.

2) Schutz­me­cha­nismen bei der Vorsor­ge­vollmacht

Mit einer Vorsor­ge­vollmacht erteilt man dem Bevoll­mäch­tigten weitrei­chende Befugnisse, auch über das Vermögen. „Eine Vorsor­ge­vollmacht ist ein scharfes Schwert, das alles vernichten kann“, versinn­bildlicht der Rechts­anwalt aus München. Die Missbrauchs­gefahr sei hier sehr hoch. Wer eine solche Vollmacht aufsetze, solle die Herausgabe der Urkunde an Bedingungen knüpfen. Zum Beispiel kann der Notar verpflichtet werden, die Urkunde erst dann heraus­zugeben, wenn der Betroffen nicht mehr geschäftsfähig ist.

Zudem ist es möglich, die Befugnisse des Bevoll­mäch­tigten in einem Vorsor­ge­vertrag genau zu definieren und zum Beispiel einzugrenzen, auf welche Vermögenswerte er Zugriff hat. Darüber hinaus kann ein Kontroll­be­voll­mäch­tigter bestellt werden, der den Bevoll­mäch­tigten kontrolliert.

3) Selbst­bindung durch Erbvertrag

Im Unterschied zu einem Testament binden sich die Vertrags­partner mit einem Erbvertrag gegenseitig. Ein einzelner Erblasser kann ihn nicht mehr ändern, auch wenn der andere verstirbt. Wer einen Erbvertrag aufsetzt, beraubt sich damit zwar seiner eigenen Testier­freiheit, ist später aber von potenziellen Erbschleichern weniger manipu­lierbar.

4) Gutachten zur eigenen Testier­fä­higkeit erstellen lassen

Um möglichen künftigen Streitig­keiten über die Gültigkeit des Testaments von vorneherein einen Riegel vorzuschieben, können Erblasser ihrem Testament ein Gutachten darüber beilegen, dass sie noch testierfähig sind. Das ist vor allem bei Erblassern über 80 Jahren sinnvoll.

5) Ältere Menschen nicht alleine lassen

Einer der wichtigsten Schutz­maß­nahmen gegen Erbschleicher ist soziale Kontrolle. „Wer einen älteren, vermögenden Menschen kennt, sollte ihn nicht alleine lassen und sich zum Beispiel regelmäßig melden“, rät Rechts­anwalt Theiss. Werde der Kontakt von einer Pflegekraft oder einem Famili­en­mitglied abgeblockt, sei das ein Warnsignal – und ein Grund, nachzuhaken.

Auch wenn ein Erblasser einer Person plötzlich großzügige Geschenke mache und das für ihn bislang unüblich gewesen sei, könnte eine übermäßige Einflussnahme durch einen Erbschleicher vorliegen. Ältere Menschen sollten versuchen, soweit es für sie möglich ist, soziale Kontakte aufrecht zu erhalten.

Nach dem Tod des Erblassers: Schadens­be­grenzung teilweise möglich

Stellt sich nach dem Tod des Erblassers heraus, dass sich ein Erbschleicher mutmaßlich unrechtmäßig das Vermögen unter den Nagel gerissen hat, haben die Angehörigen nur noch wenige Möglich­keiten, dagegen vorzugehen.

1) Testament anfechten

Ein Testament anfechten dürfen nur Personen, die von einem anderen letzten Willen profitieren würden. Die Anfechtung kann erfolgreich sein, wenn der Erblasser bedroht wurde, sich geirrt hat oder er einen Pflicht­teils­be­rech­tigten übergangen hat. Wenn bewiesen wird, dass der Erblasser testier­unfähig war oder eine Pflege­person bedacht hat, die unter HeimG § 14 fällt, kann das Testament für unwirksam erklärt werden. In beiden Fällen sind Beweise das A und O. Vorsicht: Wird das letzte Testament erfolgreich angefochten, wird womöglich ein früheres Testament gültig, dass die Erben vielleicht gar nicht kennen. Hier ist also Vorsicht geboten.

2) Forderung von Rückzah­lungen und Auskünften

Haben Hinter­bliebene den Verdacht, dass der Bevoll­mächtigte der Vorsor­ge­vollmacht widerrechtlich Geld bei Seite geschafft hat, können sie gegebe­nenfalls Auskünfte oder Rückzah­lungen fordern.

Verdacht auf Erbschleicher: Anwaltlich beraten lassen

Sie haben den Verdacht, dass einer Ihrer Angehörigen in die Fänge eines Erbschleichers geraten ist? Oder möchten Sie sich selbst vor Erbschleichern schützen und ihren Nachlass frühzeitig ordnen? Lassen Sie sich von einem Rechts­anwalt oder einer Rechts­an­wältin für Erbrecht beraten. Einen Experten in Ihrer Nähe finden Sie über unsere Anwaltssuche.