Anwältin/Anwalt suchen!

Merkzettel

Es befinden sich noch keine Anwälte in Ihrer Merkliste.

Erbe ausschlagen

Wann kann ich eine Erbaus­schla­gungs­er­klärung anfechten?

Überlegt ein Erbe es sich zweimal, wird unter Umständen die Anfechtung der Erbausschlagserklärung fällig. © Quelle: Caiaimage/John Wildgoose/gettyimages.de 

Wer nicht Erbe werden will, muss das Erbe ausschlagen. Wer es sich dann aber anders überlegt und dann doch Erbe werden will, muss die Erklärung über die Erbaus­schlagung anfechten. Nach dem Oberlan­des­gericht (OLG) Düsseldorf liegt ein Grund zur Anfechtung vor, wenn man einem Irrtum über die Zugehö­rigkeit eines Anspruchs zum Nachlass unterliegt. Die Arbeits­ge­mein­schaft Erbrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) informiert über die Entscheidung des OLG Düsseldorf.

Der Fall: Erbin schlägt erst das Erbe aus und entscheidet sich dann um

Die unverhei­ratete und kinderlose Erblasserin kam am 24.03.2015 bei einem Flugzeug­absturz ums Leben. Am 28.04.2015 schlägt die Tante der Erblasserin das Erbe aus. Mit Schreiben vom 11.06.2015 erklärt die Tante gegenüber dem Nachlass­gericht die Anfechtung der Erbschafts­aus­schlagung, da aufgrund des Flugzeug­ab­sturzes der Erblasserin Schadens­er­satz­an­sprüche gegen die Flugge­sell­schaft in noch nicht bezifferbarer Höhe zustehen, die in den Nachlass fallen.

Zum Zeitpunkt der Erbaus­schlagung ist sie aufgrund einer Auskunft des beurkun­denden Notars davon ausgegangen, dass nur die Hinter­bliebenen der Absturzopfer Schadens­er­satz­an­sprüche gegenüber der Flugge­sell­schaft haben, während der Erblasserin selber keine Ansprüche zustehen. Das Nachlass­gericht sieht hierin keinen Anfech­tungsgrund und verweigert aufgrund der Erbaus­schlagung einen Erbschein zu ihren Gunsten.

OLG: Irrtum über eine verkehrs­we­sentliche Eigenschaft des Nachlasses berechtigt dazu,  Erbaus­schla­gungs­er­klärung anzufechten

Das OLG gab der Tante recht: Es liegt ein Irrtum der Tante über eine verkehrs­we­sentliche Eigenschaft des Nachlasses vor: Grundsätzlich wird die Erbschaft als eine Sache angesehen, so dass ein Irrtum über verkehrs­we­sentliche Eigenschaften der Erbschaft zur Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung berechtigt.

Bei dem Irrtum der Tante über die Zugehö­rigkeit der Schmer­zens­geld­an­sprüche der Erblasserin zum Nachlass handelt es sich um eine verkehrs­we­sentliche Eigenschaft der Erbschaft. Allerdings stellt ein Irrtum über die Größe des Nachlasses grundsätzlich keinen Anfech­tungsgrund dar, da nicht der Wert selbst, sondern die wertbil­denden Faktoren als Eigenschaften anzusehen sind.

Wer eine Erbschaft für finanziell uninter­essant hält und daher ausschlägt, kann dies nicht anfechten, wenn sich später das Vorhan­densein eines wertvollen Nachlass­ge­gen­standes heraus­stellt oder sich ein Nachlass­ge­genstand als wertvoller heraus­stellt, als bei der Ausschlagung angenommen wurde. Zu den Eigenschaften der Erbschaft gehört dagegen die Zusammen­setzung des Nachlasses, so dass ein Irrtum über die Zugehö­rigkeit bestimmter Rechte zum Nachlass zur Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung berechtigen kann, wenn es sich dabei um eine wesentliche Eigenschaft handelt.

Das wird bei einem Irrtum darüber angenommen, ob der Nachlass überschuldet ist oder nicht, sofern der Irrtum auf falschen Vorstel­lungen über das Vorhan­densein von Nachlass­ge­gen­ständen oder Nachlass­ver­bind­lich­keiten beruht, nicht aber auf einer fehler­haften Einschätzung des Wertes. Die Zugehö­rigkeit eines Gegenstandes beziehungsweise einer Forderung zum Nachlass kann aber auch dann eine verkehrs­we­sentliche Eigenschaft der Erbschaft darstellen, wenn eine mögliche Überschuldung des Nachlasses nicht im Raum steht. Verkehrs­we­sentlich sind dabei wertbildende Faktoren von besonderem Gewicht, die im Verhältnis zur gesamten Erbschaft eine erhebliche und für den Wert des Nachlasses wesentliche Bedeutung haben.

Vorliegend ist allein aufgrund der Höhe der von der Tante vermuteten Schmer­zens­geld­an­sprüche im Verhältnis zum gesamten Nachlass ein Irrtum der Tante über eine verkehrs­we­sentliche Eigenschaft der Erbschaft anzunehmen. Auszugehen ist dabei von dem Angebot der Flugge­sell­schaft in Höhe von 25.000 Euro. Denn ob sich darüber hinaus, wie die Tante meint, weitere Ansprüche, insbesondere in den USA, realisieren lassen, ist vollkommen offen. Dem Betrag von 25.000 Euro steht der im Erbscheins­antrag angegebene Nachlasswert von 35.000 Euro gegenüber, so dass der Zuordnung der Schmer­zens­geld­an­sprüche erhebliche Bedeutung für den Wert des Nachlasses zukommt.

Irrtum des Erben muss kausal für Erbaus­schlagung geworden sein

Es muss dargetan werden, dass der Erbe bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles die Erbaus­schlagung nicht erklärt hätte, wobei wirtschaft­lichen Erwägungen besonderes Gewicht zukommt. Die Tante gibt an, sie habe die Ausschlagung im Hinblick auf sich andeutende Konflikte über die Erbaus­ein­an­der­setzung erklärt, denen sie sich aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht gewachsen gefühlt habe.

Im Hinblick auf diesen Beweggrund hätte sie die Ausschlagung bei verständiger Würdigung nicht erklärt, wenn sie von der Zugehö­rigkeit des Schmer­zens­geld­an­spruchs zum Nachlass gewusst hätte. Zwar dürfte bei einem höheren Nachlasswert eher noch mit einer verschärften Erbaus­ein­an­der­setzung zu rechnen gewesen sein. Allerdings trägt die Tante vor, die Geltend­machung des Schmer­zens­geld­an­spruchs sei für sie persönlich zur Verarbeitung des trauma­tischen Verlusts ihrer Verwandten wichtig.

Insoweit ist der dem Nachlass zuzurechnende Schmer­zens­geld­an­spruch als symbolische Wieder­gut­machung zur Trauer­be­wäl­tigung – jedenfalls aus Sicht der Tante – geeignet. Es erscheint deshalb nachvoll­ziehbar, dass die Tante die Ausschlagung nicht erklärt hätte, wenn ihr die Zugehö­rigkeit des Schmer­zens­geld­an­spruchs zum Nachlass bekannt gewesen wäre.

Oberlan­des­gericht Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2016 (AZ: 3 WX 12/16).

Quelle: www.dav-erbrecht.de

Datum
Aktualisiert am
16.03.2017
Autor
dpa/red
Bewertungen
918
Themen
Erbschaft Geld

Zurück

Anwältin/Anwalt finden!
Wirtschaft
Paket nicht angekommen: Wer haftet für meine Bestellung?
Leben
Unterschrift: Diese Regeln gelten
Beruf
Das Recht von Arbeitnehmern an Feiertagen
Beruf
Elternzeit: Was Sie jetzt wissen müssen
Geld
Rentenbescheid und Rentenauskunft: Was tun bei Fehlern?
zur
Startseite