Erbstreitigkeiten beschäftigten die Gerichte sehr häufig. Je mehr Erben involviert sind, desto komplizierter wird es meist. Das gilt auch, wenn die Erben das ererbte Vermögen nicht teilen sollen, sondern nacheinander erben.
Vorerbe und Nacherbe: Was bedeutet das?
Möchte ein Erblasser sicherstellen, dass der Nachlass zunächst an bestimmte Personen fallen und später an andere weitergegeben werden soll, kann er in seinem Testament dazu Vorerben und Nacherben bestimmen.
„Zunächst erbt dann der Vorerbe. Mit dem vom Erblasser festgelegten Ereignis fällt der Nachlass an den Nacherben“, erklärt Rechtsanwalt Jan Bittler, Anwalt für Erbrecht und Mitglied des Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im DAV. Das könne der Tod des Vorerben oder dessen Hochzeit sein. Die Vorerben dürfen nur über den Nachlass verfügen, wenn die Nacherben zustimmen. Wollen sie etwa ein geerbtes Haus verkaufen, können die Nacherben ein Veto einlegen.
Der Erblasser kann außerdem einen Ersatzerben bestimmen. Er erbt, wenn der eigentliche Erbe stirbt oder das Erbe ausschlägt. Für den Fall, dass der Nacherbe verstirbt, kann der Erblasser einen Ersatznacherben einsetzen.
Ersatznacherben: Dürfen sie mitentscheiden, was mit dem Erbe passiert?
Ersatznacherben sind Erben in zweiter Reihe: Es ist nicht sicher, ob sie jemals etwas vom Nachlass bekommen. Sie dürfen deshalb auch nicht immer mitentscheiden, was mit dem Erbe passiert. Das zeigt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm, über das die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.
Der Fall: Vorerbe und Nacherbe wollen Grundstück verkaufen
Im zugrundeliegenden Fall vererbte der Erblasser mehrere Grundstücke an zwei Personen mit der Maßgabe, dass die Grundstücke nach dem Tod der Personen an zwei weitere übergehen sollen. Sollten letztere bereits verstorben sein, so sollten deren Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge oder der überlebende Nacherbe Ersatznacherben werden. Das wurde in die Grundbücher der Grundstücke eingetragen.
Einige Zeit danach wollten die Vorerben die Grundstücke verkaufen. Sie vereinbarten mit den Nacherben, dass die Nacherbenvermerke aus den Grundbüchern gelöscht werden. Das Grundbuchamt weigerte sich aber, den Eintrag zu löschen. Die Beamten waren der Meinung, dass die Ersatznacherben einverstanden sein müssen. Die Vorerben reichten dagegen Klage ein.
OLG: Vorerben und Nacherben dürfen alleine entscheiden
Dem Gesetz nach darf der Nacherbenvermerk nur aus dem Grundbuch gelöscht werden, wenn der Grundbucheintrag falsch ist oder wenn alle potenziell Betroffenen einverstanden sind. Dazu zählen auch die Ersatznacherben.
Diese hatten der Löschung in diesem Fall nicht zugestimmt. Das Grundbuchamt hatte mit Blick darauf also richtig entschieden. Auf diesem Weg konnte der Nacherbenvermerk nicht gelöscht werden. Dennoch entscheidet das OLG zugunsten der Vor- und Nacherben. Denn der Nacherbenvermerk im Grundbuch war fehlerhaft (Urteil vom 13. Mai 2016, AZ: 15 W 594/15). Das Grundbuchamt durfte den Eintrag hier also auch ohne die Zustimmung der Ersatznacherben ändern.
Ersatznacherbe kein zukünftiger Berechtigter
In diesem Zusammenhang stellten die Richter einige Dinge zum Thema klar. Vor- und Nacherbe könnten über einzelne Nachlassgegenstände im Allgemeinen relativ frei entscheiden. Die Interessen des Ersatznacherben müssen nicht geschützt werden. Er ist kein (künftig) Berechtigter, sondern nur Ersatz für den primär bestimmten Nacherben.
Möchte ein Erblasser die Position des Nacherben stärken, kann er das in seinem Testament tun. Er kann ihn oder sie zum Beispiel als bedingten Nach-Nacherben einsetzen. Dies habe der Erblasser im genannten Fall, so die Richter weiter, aber nicht so eingerichtet.
Kann eine Vor- und Nacherbschaft: Wann dürfen die Vorerben alleine über das Erbe verfügen?
Wer als Vorerbe eingesetzt ist, kann das ererbte Vermögen weder selbst an die von ihnen eingesetzten Erben vermachen, noch zu Lebzeiten frei darüber verfügen. Eine solche Konstellation verbietet möglicherweise sinnvollen Umgang mit dem geerbten Vermögen. Für Vor- und Nacherben, die damit nicht zufrieden sind, hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt eine gute Nachricht. Einem Urteil vom 13.8.2019 zufolge (AZ 8 U 99/18), über das die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht informiert, kann man eine Vor- und Nacherbschaft auflösen.
Wie kann man eine Vor- und Nacherbschaft auflösen?
Dazu müssen die Vor- und Nacherben einen Erbauseinandersetzungsvertrag schließen. Werden Grundstücke vererbt, muss der Vertrag von einem Notar beurkundet werden. Eine Erbauseinandersetzung sieht das Gesetz zwar eigentlich bei Miterben vor. Sie kann aber auch zwischen Vor- und Nacherben erfolgen. Sie sind schließlich auch Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft, allerdings zeitlich nacheinander folgend.
In dem Fall setzte eine Frau ihre Tochter zu ihrer Vorerbin ein. Zu Nacherben bestimmt sie deren Kinder zu gleichen Teilen. Nach dem Tod der Frau erhielt die Tochter einen Erbschein, der sie als Vorerbin und ihre Kinder als Nacherben ausweist. Sie schloss mit ihren Kindern daraufhin jedoch einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag, um die Vor- und Nacherbschaft aufzulösen.
Darin wurden verschiedene Nachlassgegenstände unter den Beteiligten aufgeteilt und Ausgleichszahlungen vereinbart. Später verlangen die Enkel jedoch ein notarielles Nachlassverzeichnis. Zu Unrecht, urteilen die Richter. Einen solchen Anspruch hätten die Enkel nur, wenn sie noch Nacherben wären. Dies ist aber aufgrund des Erbauseinandersetzungsvertrages nicht der Fall.
- Datum
- Aktualisiert am
- 19.05.2020
- Autor
- red/dpa,vhe