Vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe wurde ein solcher Fall verhandelt, die die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) informiert (Urteil vom 16. Juli 2015; AZ: 3 K 24/15). Ein Beamter verstarb 2014, bevor er das Pensionsalter erreichte. Im Jahr 2013 hatte er nur zwölf und für das Jahr 2014 bis zu seinem Tod keinen Urlaubstag genommen. Zudem hatte er als Schwerbehinderter einen Anspruch auf Gewährung von sechs weiteren Zusatztagen. Die Erben machten eine Urlaubsabgeltung für alle nicht genommenen Urlaubstage geltend. Der Dienstherr wiedersprach der Vererbbarkeit eines solchen Anspruchs auf Urlaubsabgeltung.
Urlaubstage nach dem Tod: Europa spricht mit
Das VG Karlsruhe differenzierte in seinem Urteil vom 16. Juli 2015: Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und dem europäischen Recht sind einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, nach denen der bezahlten Jahresurlaub ohne Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs verfällt, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, mit der diesbezüglichen europäischen Richtlinie unvereinbar (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, AZ: C-118/13 Bollacke).
Diese Richtlinie schreibt vor, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält. Das VG Karlsruhe hielt diese Regelung für unmittelbar auf die Rechtsverhältnisse der Bundes- und Landesbeamten übertragbar, denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff auch Beamte umfasst. Die deutschen Gesetze über die Gewährung von Urlaub sehen hingegen eine Abgeltung nach dem Tod nicht vor.
Daher kann eine Abgeltung nur für die unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaubszeit von 20 Urlaubstagen (vier Wochen) für das Jahr 2013 beziehungsweise für einen anteiligen Urlaubsanspruch von drei Urlaubstagen für das Jahr 2014 beanspruchen, sodass nach Abzug der im Jahr 2013 in Anspruch genommenen zwölf Urlaubstage ein abgeltungsfähiger Urlaubsanspruch von elf Urlaubstagen verbleibt.
Ein darüber hinausgehender Anspruch auch auf Abgeltung weiterer sechs Urlaubstage für den üblicher Weise zu gewährenden Zusatzurlaub für Schwerbehinderte besteht hingegen nicht, weil es sich ebenfalls um deutsches Recht handelt.
Anderer Fall, gleiches Urteil
Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet ebenfalls über eine Entscheidung zu gleicher Frage. Dieses Mal vor dem Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Oktober 2015 (AZ: 28 Ca 9065/15).
Als die Frau starb, hatte sie noch Anspruch auf 33 Urlaubstage. Ihre Erben forderten von dem Arbeitgeber der Verstorbenen die Abgeltung des Anspruchs.
Sie erhielten das Geld. Laut Gesetz sei Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden könne. Diese Voraussetzungen seien beim Tod des Arbeitnehmers gegeben. Die Richter bezogen sich in ihrer Urteilsbegründung ebenfalls auf den Europäischen Gerichtshof. (Urteil vom 12. Juni 2014, AZ: C-118/13).
Interessant an dieser Entscheidung ist, dass sie der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) widerspricht. In der Regel orientieren sich die nachgeordneten Gerichte an den Entscheidungen der obersten Gerichte.
- Datum
- Aktualisiert am
- 12.02.2016
- Autor
- dpa/red & Arge Arbeitsrecht