Erbstreit ist in Deutschland an der Tagesordnung. Dabei gibt es Möglichkeiten, die Konflikte ums Erbe zu verhindern. Eine Möglichkeit ist die Testamentsvollstreckung. Schon zu Lebzeiten bestimmen Erblasser einen Testamentsvollstrecker im Testament oder Erbvertrag. Alternativ beauftragen sie eine Person oder ein Nachlassgericht, nach ihrem Tod einen Testamentsvollstrecker einzusetzen.
Testamentsvollstrecker: die Aufgaben im Überblick
Testamentsvollstrecker sind in rund sieben Prozent aller Erbfälle tätig. Dabei handelt es sich nicht nur um Fälle, bei denen es um ein hohes Erbe geht. Oft setzen auch Erblasser aus durchschnittlich betuchten Familien einen Testamentsvollstrecker ein. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Erbfall komplex ist und vielleicht Vermögen im Ausland umfasst.
Meist bestimmen Erblasser ein Familienmitglied zum Testamentsvollstrecker. Es kann jedoch von Vorteil sein, einen Rechtsanwalt oder Steuerberater mit der Testamentsvollstreckung zu beauftragen. "Gehört der Vollstrecker des Testaments nicht zur Familie, betont dies, dass er neutral ist und nur den Willen des Erblassers vertritt“, so der Bonner Rechtsanwalt Eberhard Rott von der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Testamentsvollstreckung: Ablauf und Dauer
Meist handelt es sich bei der Testamentsvollstreckung um eine sogenannte Abwicklungsvollstreckung. In diesem Fall ist die Arbeit des Testamentsvollstreckers beendet, wenn der Nachlass abgewickelt und die steuerlichen Pflichten erfüllt sind. Doch nicht immer ist die Aufgabe damit erschöpft. Mitunter obliegt es dem Testamentsvollstrecker, das Erbe für eine gewisse Zeit zu verwalten. In diesem Fall spricht man von einer Dauertestamentsvollstreckung. Diese darf maximal 30 Jahre dauern, kann aber auch bis zum Tod eines Erben oder des Testamentsvollstreckers andauern. Das geschieht regelmäßig, wenn Eltern an behinderte Kinder vererben.
Welche Befugnisse haben Testamentsvollstrecker laut BGB?
Das Erbrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt. Es gewährt dem Testamentsvollstrecker viele Befugnisse. „Diese hängen davon ab, was der Erblasser in seinem Testament verfügt hat“, sagt Rott. „Hat dieser nichts bestimmt, greifen die im BGB festgeschriebenen gesetzlichen Regelungen zum Erbrecht.“ So weitreichend seine Befugnisse, so gering ist die Kontrolle des Testamentsvollstreckers. Erben können während der Testamentsvollstreckung nicht auf das Erbe zugreifen. Ebensowenig dürfen sie dem Testamentsvollstrecker Vorschriften machen.
Welche Pflichten haben Testamentsvollstrecker gemäß BGB?
Doch Testamentsvollstrecker haben auch Pflichten. So sind sie laut BGB dazu verpflichtet, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten und allein den letzten Willen des Erblassers umzusetzen. „Außerdem müssen sie ein Nachlassverzeichnis erstellen, das das Vermögen des Verstorbenen sowie dessen Schulden auflistet“, erklärt Eberhard Rott.
Den Erben müssen Testamentsvollstrecker Auskunft über ihre Arbeit geben. Auch sind sie bei längeren Testamentsvollstreckungen dazu verpflichtet, eine jährliche Rechnungslegung zu führen. All diese Pflichten müssen Erben allerdings einfordern.
Verstoßen Testamentsvollstrecker gegen ihre Pflichten oder üben ihre Aufgaben zum Nachteil der Erben aus, können diese sie haftbar machen. Testamentsvollstrecker haften mit dem eigenen Vermögen. Daher sollten sie zumindest eine Haftpflichtversicherung haben.
Abwicklungsvollstreckung und Dauertestamentsvollstreckung: die Unterschiede
Die Aufgaben des Testamentsvollstreckers sind davon abhängig, welche Form der Testamentsvollstreckung der Erblasser bestimmt hat. Dabei unterscheiden wir zwischen zwei Formen:
Die übliche Form der Testamentsvollstreckung ist die Abwicklungsvollstreckung. Dabei wickelt der Testamentsvollstrecker den Nachlass ab und teilt ihn unter den Erben auf.
Bei der Dauertestamentsvollstreckung verwaltet der Testamentsvollstrecker den Nachlass eines Verstorbenen für eine bestimmte Zeit. In dieser Zeit ruht das Vermögen jedoch nicht. Der Testamentsvollstrecker muss es dann sogar mehren – und Geld anlegen oder Immobilien vermieten.
Wann ist eine Dauertestamentsvollstreckung sinnvoll?
Es gibt viele Gründe für eine Dauertestamentsvollstreckung. „Mancher Erblasser will einem minderjährigen Erben Vermögen hinterlassen und dieses von einem Testamentsvollstrecker verwalten lassen, bis es volljährig ist“, sagt Rechtsanwalt Rott. Auch wer verhindern will, dass der Erbteil eines Erben mit Steuerschulden sofort an das Finanzamt fällt, entscheidet sich für die Dauertestamentsvollstreckung. Unter der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers ist der Erbteil vor dem Finanzamtes geschützt. Man wartet dann die Zahlungsverjährung ab.
„Häufig wählen Familien aus dem Adel oder der Großindustrie diese Form der Testamentsvollstreckung, um einen Nachlass zusammenzuhalten“, erklärt Erbrechtsspezialist Eberhard Rott. „Man verhindert so, dass ein Nachlass geteilt und dabei etwa Ländereien zerrissen oder Unternehmen zerschlagen werden.“
Können Erben Testamentsvollstrecker entlassen?
Erben, die mit der Arbeit des Testamentsvollstreckers unzufrieden sind, können diesen nicht entlassen. Jedoch können sie seine Entlassung beim Nachlassgericht beantragen. Für schlechte Arbeit können sie den Testamentsvollstrecker belangen und Schadensersatz fordern.
„Einen Testamentsvollstrecker zu entlassen, ist schwierig. Dies ist nur im Falle einer groben Pflichtverletzung möglich“, so Rechtsanwalt Rott. Eine schwere Pflichtverletzung könnte ein Testamentsvollstrecker begehen, wenn er eine Immobilie aus dem Nachlass deutlich unter Wert verkauft oder sich Vermögen selbst einverleibt – und sei es nur als Darlehen.
Wie viel Geld darf ein Testamentsvollstrecker sich selbst auszahlen?
Der Testamentsvollstrecker darf sich zwar selbst eine Vergütung aus dem Nachlass auszahlen, aber nur in Grenzen. Was erlaubt ist, hängt vom Einzelfall ab. Erblasser können in ihrem Testament zum Beispiel festlegen, dass der Testamentsvollstrecker nach der Richtlinie des Deutschen Notarvereins vergütet wird. Die erste Hälfte der Vergütung des Testamentsvollstreckers ist demnach fällig, wenn das Nachlassverzeichnis fertiggestellt ist. Die andere Hälfte erhält der Testamentsvollstrecker, nachdem die Erbschaftsteuer veranlagt wurde.
Die Richtlinie regelt auch die Höhe der Vergütung. Bei einem Bruttonachlasswert von 1,2 Millionen Euro wäre richtlinienkonform eine Vergütung von 36.060 Euro, maximal 108.180 Euro (im Falle bestimmter Zuschläge) angemessen.
Zahlt der Testamentsvollstrecker sich selbst mehr aus und/oder entnimmt er Geld, bevor er dazu berechtigt ist, darf das Nachlassgericht ihn entlassen. Das geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg vom 28.08.2019 hervor (AZ: 2 W 66/19), wie die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des DAV informiert.
Im Streitfall: Mediator einschalten
Doch was tun, wenn der Erblasser keine Testamentsvollstreckung angeordnet hat – und der Streit ums Testament bereits im Gange ist? In diesem Falle können betroffene Familien einen Mediator einschalten. Dieser vermittelt zwischen den Parteien und hilft, einen Kompromiss zu finden.
- Datum
- Aktualisiert am
- 27.05.2020
- Autor
- ime,red/dpa