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Berliner Testament

Darf der Überlebende das Ehegat­ten­tes­tament ändern?

Beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament erbt zunächst der überlebende Ehepartner. © Quelle: Westend61/gettyimages.de

Formulie­rungen in Testamenten beschäftigen die Gerichte häufig. Immer wieder müssen sie ausgelegt werden, insbesondere, wenn der oder die Testie­renden vorher keinen Rechtsrat eingeholt haben. Bei gemein­schaft­lichen Ehegat­ten­tes­ta­menten stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit sich die Eheleute binden wollten. Darf der Überlebende sich in Bezug auf die Frage, wer nach dem Tode beider Ehegatten erben soll, noch umentscheiden? Die Arbeits­ge­mein­schaft Erbrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts (OLG) Bamberg.

Der Fall: Ehemann ändert gemein­schaft­liches Ehegat­ten­tes­tament nach Tod der Frau

In einem gemein­schaft­lichen Testament aus dem Jahr 1992 setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und ihre vier Kinder als Schlusserben ein. Sie schreiben unter anderem „Das heißt, der überlebende Ehegatte ist Alleinerbe und hat die Verfügungs­gewalt über das gemeinsame Vermögen.“

Danach verfassen die Eheleute 2010 gemeinsam noch eine Verfügung zugunsten eines Sohnes: Dieser soll „das Anwesen und dessen Verwaltung übernehmen. Er hat am meisten dafür getan. Als Wohnung sollen unsere Wohnräume ihm dienen.“ Diese Anordnung greift jedoch nicht, weil sie nur maschi­nen­schriftlich verfasst ist.

Die Ehefrau stirbt 2014, der Ehemann 2015. Eine gute Woche vor seinem Tod lässt der Ehemann ein notarielles Testament errichten, in dem er unter Widerruf der Verfügungen des Testaments von 1992 hinsichtlich der Schluss­erben­ein­setzung den bereits vorher bedachten Sohn zum Alleinerben einsetzt.

Die Frage ist nun, ob das neue notarielle Testament vom Ehemann zugunsten des einen Sohnes gilt oder das gemein­schaftliche Ehegat­ten­tes­tament von 1992 gleich­be­rechtigt zugunsten aller Kinder. Dies hängt davon ab, ob die Ehegatten bei der Errichtung des gemeinsamen Testamentes wollten, dass dies durch den überle­benden Ehegatten alleine nicht mehr abgeändert werden darf.

Berliner Testament: Spezielle gesetzliche Auslegungsregel

Die Formulierung „hat die Verfügungs­gewalt über das gemeinsame Vermögen“ ist daher nach dem überein­stim­menden Willen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testaments­er­richtung auszulegen. Sofern ein solches Testament keine klaren und eindeutigen Aussagen enthält, muss diese Frage nach den allgemeinen Auslegungs­grund­sätzen ermittelt werden.

Lässt sich der Wille damit nicht zuverlässig feststellen, so kommt bei der vorlie­genden Konstel­lation eines sogenannten Berliner Testaments, in dem sich die Eheleute gegenseitig zum Alleinerben und ihre gemeinsamen Kinder als gemeinsame Schlusserben zu gleichen Teilen eingesetzt hatten, eine spezielle gesetzliche Auslegungsregel zum Zuge. Demnach sind im Zweifel die gegenseitigen Erbein­set­zungen der Ehegatten jeweils auch im Verhältnis zur Schluss­erben­ein­setzung des anderen Ehegatten als bindend anzusehen.

Das OLG Bamberg sieht in der Bestimmung im gemein­schaft­lichen Testament, wonach der überlebende Ehegatte „die Verfügungs­gewalt über das gemeinsame Vermögen“ haben sollte, schon nach dem Wortlaut der betref­fenden Anordnung lediglich die Bedeutung und Funktion eines klarstel­lenden Zusatzes, wonach der überlebende Ehegatte tatsächlich Vollerbe werden sollte.

Keine Rückschlüsse auf Wünsche der Ehegatten möglich

Nach Ansicht des Gerichts ist nicht zu erkennen, dass die Vorstel­lungen der Ehefrau entgegen aller Lebens­er­fahrung nicht von dem Wunsch bestimmt gewesen sein könnte, das gemeinsame Vermögen allen vier Kindern zu gleichen Teilen zukommen zu lassen. Im Gegenteil: Die im Jahr 2010 gewollte testamen­ta­rische Änderung des ursprüng­lichen Testamentes werde ausdrücklich mit einer zwischen­zeit­lichen Änderung der Verhältnisse, nämlich damit begründet, dass der bedachte Sohn für „das Anwesen und dessen Verwaltung ... am meisten getan (habe)“.

Diese einleitende Klarstellung könne somit dem Gericht zufolge nur dahin verstanden werden, dass der beabsich­tigten Zuwendung an den Sohn ein Motiva­ti­ons­wechsel infolge einer – in den zurück­lie­genden 18 Jahren eingetretenen – neuen Entwicklung zugrunde gelegen hatte. Aus diesem Grund können keine tragfähigen Rückschlüsse auf die Erwartungs­haltung und Wünsche der testie­renden Ehegatten zur Zeit der Testaments­er­richtung im Frühsommer 1992 gezogen werden.

Gesetzliche Vermutung greift: Ehegat­ten­tes­tament kann nicht geändert werden

Somit greift die gesetzliche Vermutung. Diese geht von der gewöhn­lichen Lebens­er­fahrung über die Vorstel­lungen und Absichten der Ehegatten in solchen Fällen aus. Danach tun Eheleute, die ihr gemeinsames Vermögen letztlich an ihre eigenen - gemeinsamen - Kinder weitergeben möchten, jedoch mit Rücksicht auf die Alters­ver­sorgung des anderen Ehegatten ihre Abkömmlinge für den Fall ihres eigenen Vorver­sterbens enterben, dies jeweils in einer gewissen Erwartung. Sie erwarten offenkundig, dass aufgrund der gleich­zeitigen Schluss­erben­ein­setzung des anderen Teiles das gemeinsame Vermögen mit dem Tode des Ehegatten auf ihre Kinder übergehen wird.

Dieses Vertrauen der testie­renden Eheleute wird unter anderem dadurch geschützt, dass ein Widerruf nach dem Tod des Erstver­ster­benden grundsätzlich ausgeschlossen ist. Der nachver­sterbende Ehemann konnte daher den einen Sohn nicht durch ein weiteres Testament nach dem Tod der Ehefrau besonders bevorzugen, auch wenn diese dies womöglich seit 2010 wollte. Die vier Kinder wurden zu gleichen Teilen Erben.

Oberlan­des­gericht Bamberg am 6. November 2015 (AZ: 4 W 105/15)

Quelle: www.dav-erbrecht.de

Datum
Aktualisiert am
15.03.2018
Autor
dpa/red
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Themen
Erbschaft Erbstreit Familie Testament

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