Berliner Testament: Das müssen Sie wissen

Berliner Testament – Was Sie über das gemeinschaftliches Testament wissen müssen
Unter dem Berliner Testament versteht man Nachlässe, die Ehegatten ihren Erben gemeinsam hinter­lassen. © Quelle: Image Source/gettyimages.de

Die meistver­breitete Form des Testaments in Deutschland ist das Berliner Testament. Es bezeichnet Nachlässe, die Ehegatten ihren Erben gemeinsam hinter­lassen. Neben viele Vorteilen hat das Berliner Testament aber auch einige Nachteile. Die Anwalt­auskunft erklärt, was Sie beachten sollten.

Was ist das Berliner Testament?

Beim sogenannten Berliner Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein. So stellen sie die Versorgung des länger Lebenden sicher. Erst nach dessen Tod vererben sie den Nachlass – nicht zwangs­läufig, aber in den allermeisten Fällen – an die Kinder. Da das elterliche Testament die Kinder nach dem ersten Todesfall nicht bedenkt, greifen die Regeln zu den Pflicht­teilen, die bestimmte nahe Verwandte beanspruchen dürfen.

Die Nachteile des Berliner Testaments

Die formalen Kriterien, die ein Berliner Testament erfüllen muss, sind überschaubar und unterscheiden sich kaum von denen anderer Testamente. Doch bei den Inhalten sollte man aufpassen. Zwar sind Berliner Testamente in der Erbfolge eindeutig und können so helfen, Streit um eine Erbschaft zu verhindern. Dennoch hat diese Form des letzten Willens auch ihre Schatten­seiten.

„Ein besonderer Nachteil des Berliner Testaments besteht darin, dass nach dem Tod eines Partners der Überlebende die einmal getroffenen Bestim­mungen nicht mehr verändern kann“, sagt der Bonner Rechts­anwalt Eberhard Rott von der Arbeits­ge­mein­schaft Erbrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Denn das Berliner Testament entfaltet nach dem Tod eines Partners die sogenannte Bindungs­wirkung.

„Die Bindungs­wirkung kann für den überle­benden Partner schwierig werden, weil er keine anderen Erbfolgen oder Erbquoten verfügen darf. Es greifen die einmal getrof­fenen Bestim­mungen“, sagt Rott. Der überle­bende Partner kann also, falls sich etwa das Verhältnis zu den Kindern verschlechtert, keine anderen Schlus­serben einsetzen.

Das gemeinsame Testament und Hartz IV

Den Wunsch, die Erbfolge zu ändern, könnte ein überle­bender Gatte auch dann hegen, wenn der vorgesehene Schlusserbe finanziell bedürftig geworden ist, dessen Erbteil aber nicht an die staatlichen Stellen gehen soll, die Sozial­leis­tungen für ihn zahlen. Dies verdeutlicht ein Urteil des Sozial­ge­richts Mainz aus dem Jahr 2016 (AZ.: S 4 AS 921/15). In dem Fall ging es um eine Erbschaft von rund 140.000 Euro, darunter ein Barvermögen von 80.000 Euro.

Einem Hartz-IV-Bezieher stand ein Pflichtteil von 16.500 Euro zu, den er von seiner Mutter fordern konnte. Der Betrag lag weit über seinen Vermögens­frei­be­trägen. Der Mann war jedoch zur Geltend­machung des Pflicht­anteils nicht bereit. Daraufhin bewilligte das Jobcenter ihm das Arbeits­lo­sengeld II nur noch als Darlehen. Rechtens, wie das Sozial­gericht Mainz entschied. Die Begründung: Es sei ausreichend Barvermögen vorhanden, um den Erben auszuzahlen, ohne dass ein Grundstück verkauft oder beliehen werden müsse.

Weitere Nachteile des Berliner Testaments

Das Berliner Testament erweist sich manchmal auch in anderer Hinsicht als unfle­xibel: Wenn der überle­bende Partner beispiels­weise erneut heiratet oder ein weiteres Kind bekommt oder eines adoptiert, könnten sein neuer Partner oder das weitere Kind wegen der Bestim­mungen im Testament finan­ziell benach­teiligt sein.

Ein weiterer möglicher Fallstrick des Berliner Testaments: „Diese Art des gemein­schaft­lichen Testa­ments kann sich für erbende Familien als steuerlich ungünstig erweisen“, so Rechts­anwalt Rott. „Über das Berliner Testament wird ein Erbe zweimal vererbt, bis es letztlich beim Kind ankommt. Dadurch werden Erbschaft­steu­er­freibeträge ‚verschenkt‘.“

Auch könnten Berliner Testamente von Regeln zum Erben innerhalb der Europäischen Union betroffen sein. Denn viele europäische Länder kennen erbrechtliche Verfügungen wie die des Berliner Testaments nicht. In Frankreich, Italien und Spanien sind solche gemein­schaft­lichen Testamente nach einhei­mischem Recht unzulässig. Betroffen sind Deutsche, die im Ausland leben, oder dort Vermögenswerte besitzen.

Gemein­schaft­liches Testament und der Anspruch auf den Pflichtteil

Ein weiteres Problem mag sich daraus ergeben, dass bei einem Berliner Testament zumindest theore­tisch zweimal der Pflichtteil für berech­tigte Famili­en­mit­glieder anfallen kann. Ein Berliner Testament regelt nämlich zwei Erbfälle in einem Testament, so dass ein Kind nach dem Tod des ersten Eltern­teils seinen Pflichtteil beanspruchen könnte und erneut nach dem Tod des zweiten Eltern­teils. Eine Regel, die das Oberlan­des­ge­richt Koblenz 2010 bestätigt hat (AZ: 2 U 831/09).

Beanspruchen die Kinder nach dem Tod des ersten Eltern­teils den Pflichtteil, könnte das den überle­benden Elternteil in finan­zielle Schwie­rig­keiten bringen. Dann müsste dieser Elternteil womöglich Immobilien verkaufen oder einen Famili­en­be­trieb veräußern.

Wie kann ich ein Berliner Testament ändern?

Die Liste der Nachteile ist zwar lang. Doch lassen sie sich meisten durch kluges Vorgehen ausgleichen. Dabei ist zunächst gut zu wissen, dass ein Paar die in einem Berliner Testament getroffenen Verfügungen jederzeit zu Lebzeiten ändern kann. Die beiden Partner müssen dazu nur testierfähig sein und die Änderungen gemeinsam erklären und in ein neues Testament bringen.

Sinnvoll ist es, bereits dann, wenn man ein Berliner Testament aufsetzt, Öffnungs­klauseln darin zu formu­lieren. „Über solche Klauseln kann man die Bindungs­wirkung gemein­schaft­licher Testa­mente lockern“, sagt Rechts­anwalt Rott. „Sogar so weit, dass der überle­bende Partner die einmal getrof­fenen Bestim­mungen komplett ändern darf.“

Öffnungs­klausel im letzten Willen hilft

Wer solche Öffnungs­klauseln in sein Berliner Testament nehmen oder generell ein Berliner Testament aufsetzen möchte, sollte sich von einem auf Erbrecht spezia­li­sierten Rechts­anwalt dazu beraten lassen. Er kann beispiels­weise auch dazu beraten, wie man das Problem mit dem Pflichtteil der Kinder regeln kann.

Dazu könnten die Eltern zu Lebzeiten mit ihren Kindern einen Pflicht­teils­verzicht vereinbaren. Oder die Eltern nehmen in ihr Berliner Testament Verwirkungs- und Pflicht­teil­straf­klauseln auf, um es dem Kind so unattraktiv wie möglich zu machen, seinen Pflichtteil gegen den Willen des überle­benden Elternteils einzufordern.

Wer Vermögenswerte im EU-Ausland besitzt oder dort lebt, sollte in seinem Testament unmiss­ver­ständlich nieder­schreiben, dass für den Nachlass das deutsche Erbrecht gilt. Dabei ist rechtliche Beratung ratsam.