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Geld und Vermögen

Behinder­ten­tes­tament: Für ein behindertes Kind vorsorgen

Behin­der­ten­tes­tament – wie Eltern für ihr behindertes Kind vorsorgen

Kinder mit einer starken Behinderung sind auf Hilfe angewiesen – zu Hause oder im Heim. An den hohen Kosten beteiligt sich oft der zuständige Sozial­hil­fe­träger. Erbt das behinderte Kind, kann das Amt die Überweisung aber stoppen. Eltern könne das verhindern, in dem sie ein sogenanntes Behin­der­ten­tes­tament aufsetzen.

7,5 Millionen Menschen in Deutschland sind schwer­be­hindert. Oft brauchen sie besondere Unterstützung. Selten können Sie diese aus der eigenen Tasche bezahlen und sind auf Gelder des Sozial­hil­fe­trägers angewiesen. Aber die staatlichen Hilfen erhält nur derjenige, der finanziell bedürftig ist.

Verfügt ein behindertes Kind aber über ein eigenes Vermögen, greift das Nachrang­prinzip: Ein Mensch muss sich zunächst selbst versorgen, bevor der Staat zur Hilfe kommt. Folglich müssen Menschen mit Behinderung, die erben, das neue Vermögen beim Sozial­hil­fe­träger angeben. Dieser prüft dann, ob sie weiterhin finan­ziell unterstützt werden.

Je nach Höhe des ererbten Vermögens können sich die staat­lichen Hilfen reduzieren. Der Erbe muss sich dann an den Lebens­hal­tungs-, Heim- oder Pflege­kosten betei­ligen. Bei einem großen Nachlass können die Sozial­leis­tungen auch ganz entfallen.

Wann erbt jemand mit Behinderung den gesetz­lichen Pflichtteil?

Das hat zur Folge, dass ein Kind mit Behin­derung kaum Vorteile von einem Vermächtnis hat. Daher fragen sich Eltern oft, ob sie etwa ihrem Nachwuchs überhaupt Vermögen hinter­lassen. Die Alternative: Sie enterben das Kind, um den Nachlass in der Familie zu halten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn nicht nur Barvermögen, sondern zum Beispiel auch Immobilien vererbt werden.

Das Problem lösen sie so allerdings nicht: „Bestimmten Erben, dem eigenen Kind etwa, steht auch bei einer Enterbung der gesetzliche Pflichtteil zu“, erklärt der Berliner Rechts­anwalt Dr. Dietmar Kurze von der Arbeits­ge­mein­schaft Erbrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). „Das sind oft rund 25 Prozent des Nachlasses. Diesen Pflichtteil kann der Sozial­hil­fe­träger auf sich überleiten.“ Auch ein Pflicht­teils­ver­zicht ist möglich. Der Sozial­hil­fe­träger hat dann keinen Zugriff auf das Geld. Dem behinderten Kind helfen Eltern allerdings so nicht.

Behin­der­ten­tes­tament: Was meint Vorerbe, nicht-befreite Vorerb­schaft und Nacherbe?

Der beste Weg für Eltern, die ihrem behinderten Kind ihr Vermögen hinter­lassen wollen, ist das sogenannte Behinder­ten­tes­tament. Dank dieses Dokuments erbt der Nachwuchs so, dass er auch wirklich von der Vorsorge ihrer Eltern oder Verwandten profitiert. Heim- oder Pflege­kosten muss er damit nicht bezahlen. Der Behinderte erhält seinen Nachlass, ohne die staat­lichen Hilfen zu verlieren.

Dafür treffen die Eltern oder Verwandten im Testament besondere Verfügungen: „Zunächst sollte der Erblasser seinem Verwandten einen Erbteil hinter­lassen, der höher als der gesetz­liche Pflichtteil ist. Also je nach Konstel­lation zum Beispiel 30 bis 50 Prozent des Nachlasses“, rät der Erbrechts­ex­perte Dr. Kurze. „Dabei sollte er den Erben als sogenannten Vorerben einsetzen und eine nicht-befreite Vorerb­schaft für den Erben anordnen.“

Die Konsequenz: Der Erbe kann nicht auf seinen Erbteil zugreifen, sondern nur die Erträge des Vermögens nutzen. Beispiele sind Zinserträge aus Kapital­vermögen und Mietein­nahmen aus Immobi­li­e­nei­gentum. Bei kleineren Erbschaften, die etwa nur aus Barvermögen bestehen, erhält der Erbe daraus regelmäßig Geldbeträge.

Neben dem Vorerben sollte ein Erblasser im Behin­der­ten­tes­tament einen oder mehrere Nacherben bestimmen. Ein Nacherbe ist eine Person, die den Nachlass nach dem Tod des behin­derten Erben erhält und dann auch aufbrauchen kann. Eine Alternative zur Vor- und Nacherb­schaft ist die so genannte „Vermächt­nis­lösung“, die im Kern aber ähnlich funktioniert.

Braucht es eine Dauer­tes­ta­ments­voll­stre­ckung?

Im Behinder­ten­tes­tament sollten Sie auch einen Testaments­voll­strecker festlegen. Dieser Verwalten den Nachlass für den behinderten Erben. Da der Testaments­voll­strecker den Nachlass bis zum Tod des Erben verwaltet, spricht man von einer Dauerte­s­ta­ments­voll­streckung. „Wegen dieses langen Zeitraums sollte man im Testament noch mindestens einen weiteren Testaments­voll­strecker als Ersatz bestimmen“, empfiehlt Rechts­anwalt Dr. Kurze.

Der Testament­voll­strecker hat die Aufgabe, dem behin­derten Erben die Erträge aus dem Vermögen zuzuteilen. Der schwer­be­hinderte Mensch, sein Betreuer oder der Testa­ments­voll­strecker selbst finanziert damit dann zusätzliche Heilbe­hand­lungen, Reisen, besondere Anschaf­fungen oder Hobbys.

Welche formalen Kriterien muss ein Behin­der­ten­tes­tament erfüllen? Welche Inhalte sind wichtig?

„Wer ein Behin­der­ten­tes­tament aufsetzt, sollte detail­liert nieder­legen, wofür der Testa­ments­voll­strecker das Geld verwenden darf“, sagt Rechts­anwalt Dr. Kurze. Doch nicht nur solche Vorgaben sind in Behin­der­ten­tes­ta­menten wichtig.

Während sich Behinder­ten­tes­tamente formal nicht von Testamenten unterscheiden, sieht das bei den Inhalten ganz anders aus. Diese sind meist komplex und juristisch anspruchsvoll, was allein daraus ersichtlich ist, dass Behinder­ten­tes­tamente nicht selten bis zu 16 Seiten umfassen. Deshalb sollte man sich, wenn man ein Behin­der­ten­tes­tament aufsetzen will, von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen. Ein Rechts­anwalt kann Erblasser auch darüber infor­mieren, welche Inhalte ein Behin­der­ten­tes­tament nicht enthalten sollte, weil sie es unwirksam machen könnten.

Da ein solches Testament viele indivi­duelle Situa­tionen abdecken muss, empfiehlt es sich nicht, Muster für Behin­der­ten­tes­ta­mente aus dem Internet herun­ter­zu­laden. Auf diese sollte man auch dann verzichten, wenn diese Muster kostenlos angeboten werden.

Datum
Aktualisiert am
16.05.2018
Autor
ime
Bewertungen
13159
Themen
Behinderte Eltern Erbschaft Familie Geld

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